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Chinesisch-deutsche Beziehungen: Telefongipfel im entscheidenden Moment

2021-09-16 16:44:00 Source: Author:
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Von Li Wenhong*

 

Am 10. September führte Xi Jinping ein Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Im dem Gespräch betonte Chinas Staatspräsident, dass beide Länder ihren hochfrequenten und effizienten Austausch auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs stets aufrechterhalten hätten. Dieser enge Austausch habe entscheidend zur guten Entwicklung der chinesisch-deutschen Beziehungen sowie auch zur guten Entwicklung der chinesisch-europäischen Beziehungen beigetragen. Er spiegle letztlich das hohe gegenseitige Vertrauen zwischen beiden Ländern. Xi würdigte außerdem Merkels Bemühungen um eine praktische Zusammenarbeit und einen freundschaftlichen Austausch nicht nur zwischen China und Deutschland, sondern auch zwischen China und den Staaten der Europäischen Union.



 

In 50 Jahren zur umfassenden strategischen Partnerschaft

 

In den nunmehr fast 50 Jahren seit ihrer Aufnahme haben sich die diplomatischen Beziehungen zwischen China und Deutschland im Wesentlichen reibungslos entwickelt. Den offiziellen Beginn des diplomatischen Austausches markierte das Jahr 1972, als die Volksrepublik und die Bundesrepublik offizielle Beziehungen aufnahmen. Schwierigkeiten aller Art trotzend wurden diese Beziehungen über die Jahre kontinuierlich aufgewertet, von einer Partnerschaft mit globaler Verantwortung zur heutigen umfassenden strategischen Partnerschaft. Nach Angela Merkels China-Besuch 2010, haben die beiden Länder ihren Mechanismus zur Regierungskonsultation eingerichtet. Mittlerweile besteht er seit über zehn Jahren. Seine Bedeutung für die chinesisch-deutschen Beziehungen ist über die Jahre kontinuierlich gewachsen. Auch das jüngste Telefongespräch zwischen Xi und Merkel spiegelt die enge Beziehung beider Länder wider, und das vor dem Hintergrund eines derzeit komplexen internationalen Umfeldes.

 

Im Großen und Ganzen erlebten die chinesisch-deutschen Beziehungen also einen reibungslosen Fortgang. Insbesondere auch die verschiedenartige Zusammenarbeit während der Coronapandemie hat ihre starke Widerstandsfähigkeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Die Staats- und Regierungschefs der beiden Länder halten nach wie vor engen Kontakt und die hochrangige zwischenstaatliche Kommunikation verläuft ohne Probleme. China und Deutschland verbindet ein breites Spektrum an Kooperationen in internationalen Angelegenheiten. Gemeinsam haben sich beide Länder für den planmäßigen Abschluss der Verhandlungen über das chinesisch-europäische Investitionsabkommen eingesetzt, gemeinsam treten sie für Multilateralismus, Freihandel und Klimaschutz ein und leisten einen positiven Beitrag zur Erhaltung von Frieden und Stabilität in der Welt. Insbesondere die Staats- und Regierungschefs verbindet, was das chinesisch-europäische Investitionsabkommen betrifft, ein hohes Maß an Konsens. Beide sind der Ansicht, dass dieses sowohl für China als auch für die EU von gegenseitigem Nutzen sein wird. Die große Hoffnung beider Länder besteht nun darin, dass dieses Abkommen so schnell wie möglich in Kraft treten kann.

 

Obwohl der weltweite Außenhandel in den vergangenen zwei Jahren stark unter der Coronapandemie litt, hat sich die wirtschaftliche und handelspolitische Zusammenarbeit zwischen China und Deutschland in dieser Zeit weiter vertieft. Im vergangenen Jahr, in der die Weltwirtschaft besonders stark unter den Folgen der Pandemie ächzte, verzeichnete das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern sogar ein klares Plus. China ist nach wie vor einer der wichtigsten Handelspartner der Bundesrepublik. Im ersten Quartal 2021 waren satte Handelszuwächse von 41,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu verbuchen, was das hohe Niveau und das enorme Potenzial der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit noch einmal eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat.

 

Enger Zusammenhalt in schwierigen Zeiten

 

In der aktuellen Situation stimmen die Staats- und Regierungschefs der beiden Länder darin überein, dass beide Seiten zusammenarbeiten sollten, um den Kampf gegen die Pandemie zu stärken. Bereits zu Beginn der COVID-19-Pandemie gab es eine umfassende Kooperation zwischen den beiden Ländern im Bereich des Seuchen- und Infektionsschutzes. In der Frühphase des Ausbruchs in China unternahm Deutschland große Anstrengungen zur Bekämpfung der Pandemie und versorgte China mit Tonnen an Schutzkleidung, Beatmungsgeräten und anderen medizinischen Geräten, die damals knapp waren. Neben der hochrangigen Anti-Pandemie-Kooperation auf Regierungsebene arbeiteten auch deutsche Privatunternehmen und Einzelpersonen aktiv zusammen und tun dies bis heute. So kooperieren etwa die deutsche Firma BioNtech und Chinas Fosun Pharmaceuticals bei der Entwicklung eines Impfstoffs. Nach dem Ausbruch der Pandemie in Deutschland haben zudem viele chinesische Unternehmen und Übersee-Chinesen in Deutschland Materialien zur Pandemiebekämpfung gespendet. Es gibt sogar chinesische Medizinstudenten, die den Kampf gegen Corona in der Bundesrepublik durch ihren Einsatz an vorderster Front unterstützen. Im jüngsten Telefonat mit Präsident Xi äußerte Merkel ausdrücklich die Hoffnung, die Impfstoffkooperation mit China noch weiter zu verstärken.

 

Dass die Zusammenarbeit zwischen China und Deutschland im Großen und Ganzen derart reibungslos verläuft, ist keineswegs selbstverständlich angesichts der komplizierten internationalen Lage. In den letzten Jahren sah sich China unter anderem bei Themen etwa in Bezug auf Hongkong und Xinjiang mit haltlosen und falschen Anschuldigungen aus manchen westlichen Ländern konfrontiert, angeführt vom Betreiben der USA. China leistete in Anbetracht der Vorwürfe aktive Aufklärungsarbeit. Doch auch an der Stabilität der deutsch-chinesischen Beziehungen ging das Wirken der USA nicht spurenlos vorbei. Der neue US-Präsident Joseph Biden versuchte nach seinem Amtsantritt, die europäischen Länder für sich zu gewinnen. Doch die EU-Staaten strebten – unter Federführung Deutschlands – nach strategischer Autonomie und waren nicht bereit, sich zwischen China und den USA zu entscheiden. Mit dem plötzlichen US-Truppenabzug aus Afghanistan fällte Joe Biden dann eine brisante strategische Entscheidung von internationaler Tragweite, die das bestehende Misstrauen in Deutschland und anderen europäischen Staaten noch einmal vertiefte. Die Bildung einer „Anti-China-Front“ unter Führung der USA wurde dadurch weiter erschwert. Führungsautorität und Integrität der USA bröckeln in den Augen vieler Europäer. Europa nimmt sich gegenüber den Vereinigten Staaten heute als ebenbürtig wahr.

 

Auch China zeigt sich selbstbewusst und unterstreicht, am sogenannten vierfachen Selbstvertrauen festzuhalten, nämlich dem Selbstvertrauen in den eigenen Weg, die eigene Theorie, das eigene System und die eigene Kultur. In seiner Rede zur Feier des 100. Gründungstages der Kommunistischen Partei Chinas erklärte Xi Jinping: „Wir studieren aktiv alle nutzbringenden Errungenschaften der menschlichen Zivilisation und lernen aus ihnen. Auch begrüßen wir jeden hilfreichen Vorschlag und jede konstruktive Kritik. Arrogante Predigten von selbsternannten Lehrmeistern allerdings werden wir keinesfalls akzeptieren! Die Kommunistische Partei Chinas und das chinesische Volk werden erhobenen Hauptes und mit großen Schritten auf dem von ihnen selbst gewählten Weg voranschreiten und das Schicksal der Entwicklung und des Fortschritts Chinas fest in den eigenen Händen behalten!“

 

Konsens bei wichtigen Themen

 

China ist heute selbstbewusster und stärker, spielt eine wichtige Rolle in der internationalen Gemeinschaft. Das China von heute ist nicht mehr das arme und schwache Land von damals. Deutschland ist sich bewusst, dass nur die Entscheidung zur Zusammenarbeit dem gemeinsamen Interesse beider Völker dient. Und gerade deshalb wurden in den letzten Jahren im Austausch zwischen beiden Ländern so große Erfolge erzielt.

 

Als Chinas Außenminister Wang Yi im September 2020 Europa besuchte, traf er sich in Berlin auch mit Außenminister Heiko Maas. Vor Journalisten erklärte Wang Yi damals, 2020 jähre sich die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen China und der EU zum 45. Mal. Zudem sei es ein wichtiges Jahr für Deutschland, angesichts der erneuten Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft. Die chinesisch-deutschen Beziehungen spielten eine führende Rolle in den China-EU-Beziehungen, so Wang. Die reibungslose Entwicklung der ersteren habe auch die Entwicklung der letzteren merklich gefördert.

 

Chinas Staatspräsident Xi Jinping hielt im April 2021 in Beijing einen gemeinsamen Videogipfel mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Merkel ab. Dabei tauschten die drei Staats- und Regierungschefs ihre Ansichten über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Klimawandels, die chinesisch-europäischen Beziehungen, die Zusammenarbeit im Kampf gegen Corona sowie über weitere wichtige internationale und regionale Fragen aus. Die drei Staats- und Regierungschefs waren sich darin einig, den Multilateralismus aufrechtzuerhalten, das Pariser Klimaabkommen vollständig umzusetzen, gemeinsam ein faires und vernünftiges globales Klima-Governance-System mit einer Win-Win-Kooperation aufzubauen, ein positives, ausgewogenes und pragmatisches Ergebnis des Klimagipfels der Staats- und Regierungschefs zu fördern und mit China bei der fairen Verteilung von Impfstoffen zusammenzuarbeiten. Der klimapolitische Dialog und die Zusammenarbeit im Bereich der grünen Entwicklung sollten gestärkt werden und die Reaktion auf den Klimawandel müsse zu einer wichtigen Säule der Zusammenarbeit zwischen China und der EU werden, so der Konsens.

 

Chinesisch-deutsche Regierungskonsultationen als Katalysator

 

Nur wenige Tage später, am 28. April, kam Chinas Ministerpräsident Li Keqiang für die sechste Runde der chinesisch-deutschen Regierungskonsultationen von Beijing aus per Videoschalte mit Bundeskanzlerin Merkel zusammen. Seit ihrer Gründung fungieren diese bilateralen Konsultationen als Katalysator bei der Förderung der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit.

 

China und Deutschland sind umfassende strategische Partner, Win-Win-Kooperation ist das Hauptthema ihrer Beziehungen. Und davon profitieren beide Völker direkt und greifbar. Li Keqiang unterstrich Chinas Bereitschaft, die Entwicklung des Dialogs und der Zusammenarbeit mit Deutschland zu fördern. Solange beide Seiten die Kerninteressen und Hauptanliegen des jeweils anderen respektierten, auf Grundlage der Gleichbehandlung und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des Gegenübers kommunizierten, das gegenseitige Vertrauen stärkten, Zweifel ausräumten und Differenzen verminderten, auf Zusammenarbeit setzten und günstige Bedingungen für die weitere Entwicklung von Dialog und Zusammenarbeit schufen, hätten die chinesisch-deutschen Beziehungen langfristig eine gesunde und stabile Entwicklung vor sich, so Chinas Ministerpräsident. Merkel erklärte derweil, Deutschland sei bereit, das gegenseitige Vertrauen zu vertiefen und die Zusammenarbeit mit China auszubauen, um die Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen zu fördern. Deutschland setze sich wie China für Offenheit und Kooperation ein und spreche sich gegen Protektionismus und für die Lösung von Differenzen durch Dialog und Konsultation aus. Das chinesisch-europäsche Investitionsabkommen sei für die Beziehungen zwischen China und der EU von zentraler Bedeutung und beide Seiten arbeiteten eng zusammen, um das baldige Inkrafttreten dieses Abkommens zu gewährleisten. Am Ende der Regierungskonsultationen unterzeichneten beide Staaten zahlreiche Kooperationsdokumente, unter anderem in den Bereichen Klimawandel, soziale Sicherheit, Gesundheit, Lebensmittelsicherheit, internationale Entwicklung, Verkehr und nachhaltige Entwicklung.

 

Gegenseitiger Respekt und Suche nach Gemeinsamkeiten als Schlüssel

 

Vor dem jüngsten Telefongipfel zwischen Staatspräsident Xi und Bundeskanzlerin Merkel hatte auch US-Präsident Biden gerade ein Telefonat mit China geführt, um direkt mit Präsident Xi zu kommunizieren. In dem Gespräch betonten die USA diesmal nicht mehr den Umgang mit China aus einer Machtstellung heraus. Es gebe keinen Grund für China und die USA, durch Konkurrenz in Konflikt zu geraten, so der Tenor des neuen US-Präsidenten. Biden machte außerdem deutlich, dass er das Ein-China-Prinzip respektiere und auf die Zusammenarbeit beider Länder in vielen internationalen Angelegenheiten setze. Der chinesisch-amerikanische Telefongipfel könnte als Signal für eine Verbesserung und eine Kurskorrektur der chinesisch-amerikanischen Beziehungen gewertet werden. Angela Merkel betonte während ihres Telefongesprächs mit Xi Jinping derweil noch einmal die Bedeutung des Inkrafttretens des chinesisch-europäischen Investitionsabkommens. Die Verbesserung der chinesisch-amerikanischen Handelsbeziehungen könne Chinas Markt für Deutschland ebenfalls positiv beeinflussen.

 

Xi Jinping unterstrich in seinem Telefonat mit Merkel, dass der Schlüssel für den großen Erfolg der chinesisch-deutschen Beziehungen im gegenseitigen Respekt, der Suche nach Gemeinsamkeiten bei gleichzeitiger Zurückstellung von Unterschieden, der Konzentration auf eine Win-Win-Kooperation und der Förderung komplementärer Vorteile liege.

 

Die gemeinsamen Interessen Chinas und Deutschlands überwiegen letztlich ihre Differenzen. Weitere erfolgreiche Zusammenarbeit wird beiden Ländern nützen, Konfrontation dagegen wäre für beide Seiten nur schädlich. Es bleibt zu hoffen, dass Deutschland die EU zu einer fairen Dialogpolitik anregt, die systemischen Unterschiede zwischen China und Deutschland objektiv behandelt und rational damit umgeht. Deutschland steht nun vor einer Bundestagswahl. Die Entwicklung der chinesisch-deutschen Beziehungen dürfte maßgeblich von der China-Politik der neuen Bundesregierung abhängen. Obwohl der Ausgang der anstehenden Wahl und ihr Einfluss auf das chinesisch-deutsche Verhältnis noch ungewiss sind, halten wir die wirtschaftliche Zusammenarbeit beider Länder für stabil und blicken zuversichtlich in die Zukunft.

 

*Li Wenhong ist Professorin der Beijing Foreign Studies University.

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