Was halte ich von den von der US-Regierung angekündigten Zöllen auf Waren aus Dutzenden Ländern? Lassen Sie mich mit einem Shakespeare-Zitat antworten: „Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode“. Die US-Regierung unter Donald Trump folgt einem bekannten Muster ihrer Politik. Erst wird eine Drohkulisse aufgebaut, um maximalen Druck auszuüben und sich kurzfristige Vorteile zu sichern, dann, wenn der Widerstand steigt, wird diese Drohkulisse teilweise zurückgenommen. Was bleibt, ist ein bitterer Nachgeschmack. Die Ankündigung der US-Zölle hat die Welt in Aufruhr versetzt. Die partielle Aussetzung kurze Zeit später ist für viele Handelspartner jetzt zwar ein taktisches Signal, aber keineswegs eine strategische Entwarnung. Stattdessen offenbart sie die Volatilität und Unberechenbarkeit der amerikanischen Handelspolitik unter Präsident Trump. Während Europa für drei Monate etwas Luft bekommt, wenn auch nur unter einem „erheblich reduzierten“ Zollsatz von zehn Prozent, verschärft sich die Lage für China drastisch: Ein sofortiger Anstieg der Zölle auf 145 Prozent ist eine ökonomische Eskalation, die globale Folgen haben wird.
Wir erleben hier eine Form wirtschaftlicher Machtausübung, die nicht auf Kooperation, sondern auf Konfrontation setzt – eine Art ökonomisches „bullying“, das kurzfristig Stärke demonstriert, aber langfristig Vertrauen zerstört. Es führt zu Fragmentierung, Verunsicherung und letztlich auch zu wachsendem Widerstand unter den betroffenen Partnern.
Michael Schumann, Vorsitzender des Bundesverbandes für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (Foto mit freundlicher Genehmigung von Michael Schumann)
Die WTO ist in dieser Situation mehr denn je gefragt – nicht als Zuschauerin, sondern als aktive Schiedsinstanz. Doch damit sie dieser Rolle gerecht werden kann, braucht sie dringend Reformen, mehr Durchsetzungsfähigkeit und politischen Rückhalt. Der Welthandel kann nur funktionieren, wenn er auf klaren, verlässlichen Regeln basiert – und nicht auf Tweets oder einseitigen Strafmaßnahmen.
Die jüngsten Entwicklungen zeigen: Die USA agieren zunehmend erratisch – mal Eskalation, mal temporäre Entspannung, dann wieder gezielte Strafmaßnahmen gegen einzelne Länder. Für eine exportorientierte Wirtschaft wie die deutsche ist diese Unberechenbarkeit hochproblematisch. Unternehmen brauchen Planungssicherheit, nicht politische Willkür.
Deshalb plädiere ich, was Deutschland und Europa betrifft, für eine strategische Anpassung statt reflexhafter Gegenmaßnahmen. Wir müssen unsere wirtschaftliche Abhängigkeit von einem zunehmend protektionistisch auftretenden Partner reduzieren und gezielt Alternativen aufbauen – durch stärkere Handelsbeziehungen mit Asien, durch Investitionen in Afrika und durch den Ausbau des europäischen Binnenmarktes.
Zugleich dürfen wir nicht vergessen: Wirtschaftlicher Druck – auch wenn er vermeintlich selektiv ausgeübt wird – ist keine nachhaltige Strategie. Er schwächt Kooperationen und erzeugt eine Gegenbewegung, die letztlich auch dem vermeintlichen Profiteur schaden wird. Es liegt an Europa, mit Weitsicht und Besonnenheit zu reagieren – und sich nicht in eine fortwährende Eskalationsspirale hineinziehen zu lassen.
Die gezielte Zollanhebung auf chinesische Produkte zeigt klar: Die US-Regierung sucht derzeit keine partnerschaftliche Lösung mit China, sondern setzt auf Spaltung und Druck. Das kann aber nicht im Interesse Deutschlands und Europas liegen. Gerade deshalb ist es jetzt umso wichtiger, dass China und Europa wieder näher zusammenrücken – nicht aus Trotz, sondern aus Überzeugung.
Eine Wiederaufnahme des China-EU Comprehensive Agreement on Investment (CAI), gemeinsame Investitionsprojekte und eine gegenseitige Öffnung der Märkte in Schlüsselbereichen könnten nicht nur die aktuellen Belastungen ausgleichen, sondern auch neue wirtschaftliche Dynamiken freisetzen.
Natürlich: Ein stärkerer Wettbewerb durch Anbieter aus China bringt auch Risiken für unsere heimischen Unternehmen mit sich – aber mehr Wettbewerb kann Innovationskraft fördern und die wirtschaftliche Resilienz Europas stärken. In einer Welt, in der alte Handelsstrukturen zunehmend brüchig werden, braucht es neue Achsen. Und eine vertiefte Zusammenarbeit mit China hat das Potenzial, eine solche zu sein.
Das Jahr 2025 markiert den 50. Jahrestag der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen China und der EU. Das Jubiläum ist ein symbolischer Moment und eine strategische Chance. Die Weltordnung ist in Bewegung, alte Gewissheiten erodieren. Genau in dieser Lage können China und die EU ein Zeichen setzen: für Verlässlichkeit, für Fairness – und für das gemeinsame Interesse an Stabilität und nachhaltigem Wohlstand.
Wir sollten diesen Anlass nutzen, um nicht nur wirtschaftlich, sondern auch technologisch und kulturell stärker zusammenzuarbeiten. Es braucht neue Formate des Austauschs, gemeinsame Standards für den Welthandel und eine klare Absage an wirtschaftlichen Nationalismus.
Wenn wir diese Partnerschaft zukunftsgerichtet denken, kann sie zum Stabilitätsanker in einer zersplitternden Welt werden. Nicht als Block gegen andere, sondern als Modell für Kooperation in einer polyzentrischen Ordnung. Denn nur durch gegenseitige Achtung, Offenheit und Respekt werden wir den Frieden zwischen den Völkern bewahren bzw. wiederherstellen können.
*Michael Schumann ist Vorsitzender des Bundesverbandes für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft.
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