Diktiert von Khan Abdul Samad / Text: Ma Li / Fotos: Yu Xiangjun
Dies ist mein zwölftes Jahr im Jung-Gar-Banner. Mein Alltag hat sich hier längst gut eingespielt und folgt einer schönen Routine: Frühstück machen für meine Tochter, Kurzvideos drehen, ehrenamtlicher Englischunterricht für Schulkinder. In der Inneren Mongolei habe ich mein neues Zuhause gefunden, hier habe ich Familie, Freunde und einen Job, der mir viel Spaß bringt. Kurzum: Ich habe mein privates und berufliches Glück gefunden.
Bitte lächeln! Khan Abdul Samad und seine Familie (Foto bereitgestellt von Khan Abdul Samad)
Neue berufliche Herausforderungen reizen mich. Im letzten Jahr habe ich meine Passion für die Produktion von Kurzvideoclips entdeckt. Seitdem ich mit meinem Filmteam zusammenarbeite, konnte ich innerhalb nur eines Jahres über eine Million Follower akquirieren, auf populären chinesischen Kurzvideoplattformen wie Douyin (der chinesischen Version von TikTok), Kuaishou und anderen Channels. Früher kannten mich nur die Leute in der Region, mittlerweile werde ich auch außerhalb der Inneren Mongolei erkannt. Die Verbreitungskraft von Kurzvideos ist einfach phänomenal. Jetzt ist mir klar, warum TikTok im Ausland so angesagt ist.
Ein Internetstar bei der Arbeit: Khan Abdul Samad während eines Drehs vor winterlicher Kulisse
Das Ziel meiner Clips: mehr Ausländern das wahre China näherbringen. Das Chinabild vieler Menschen in anderen Teilen der Welt entspricht nämlich noch immer dem aus den 1960er und 1970er Jahren. Über die aktuelle Entwicklung des Landes und das Leben der Chinesen von heute ist dagegen noch viel zu wenig bekannt. Das ging auch mir einst so. Bevor ich hierherkam, wähnte auch ich China als armes und rückständiges Land. Angekommen dann war ich verblüfft, ja richtig überrumpelt von Chinas Modernisierungs- und Entwicklungserfolgen. Dies war auch ein wichtiger Grund, warum ich mich entschied, hier zu bleiben.
Später entdeckte ich Kurzvideos als perfektes Kommunikationsmittel. Also lud ich Clips von meiner Arbeit und meinem Leben in China auf TikTok, Facebook und YouTube hoch. Viele Menschen, die ich noch nie zuvor getroffen hatte, wurden plötzlich zu treuen Fans und Followern meiner Kanäle. In einer Zeit, in der Kurzvideos allgegenwärtig sind, ist es allerdings ohne hochwertige Inhalte schwierig, Follower für sich zu gewinnen. Deshalb nehmen wir das nicht auf die leichte Schulter. Wir haben uns zum Ziel gemacht, das Alltagsleben der Menschen hier einzufangen, echt und authentisch.
Darüber hinaus verbringe ich auch einen großen Teil meiner Zeit damit, Grund- und Sekundarschülern im Jung-Gar-Banner Englisch beizubringen, ehrenamtlich versteht sich. Einige Orte in China bieten Englischunterricht für Kinder bereits ab dem Kindergarten an, wodurch sich diese internationale Lingua franca schnell im ganzen Land verbreitet hat. Pakistan ist eines der Länder der Welt, in denen Englisch als offizielle Landessprache fungiert. Meine Englischkenntnisse ermöglichen es mir daher, Kindern hier vor Ort zu helfen, ihr Englisch zu verbessern. Alle Kinder, die ich einst vor mehr als zehn Jahren unterrichtet habe, haben den Sprung an die obere Mittelschule geschafft. Darin sehe ich meinen bedeutendsten Beitrag der vergangenen über zehn Jahre.
Keine Berührungsängste: Khan Abdul Samads jüngste Tochter Elena spielt am Drehort mit einem Hund.
Meine Frau Bian Fengmei und ich haben uns während unseres Studiums in Großbritannien kennengelernt. 2012 kam ich erstmals in ihre Heimat, das Jung-Gar-Banner, zwei Jahre später trage ich offiziell den „Titel“ ausländischer Schwiegersohn. In den letzten zehn Jahren hat meine Frau mir drei wundervolle Töchter geschenkt, Mariya, Inaya und Elena. Sie halten uns auf Trab und sind unser größtes Glück. Im Sommer fahre ich am Wochenende mit ihnen mit dem Motorrad aufs Land, um ihnen die Landschaft zu zeigen und ihnen die Entwicklungsgeschichte der Region zu erklären. In den Winterferien koche ich für sie, mache Dampfbrötchen, chinesische Teigtaschen und geschmorte Nudeln.
Manche fragen sich vielleicht, von wem ich meine Kochkünste gelernt habe. Das ist kein Geheimnis: von meiner Schwiegermutter natürlich! Als ich hier ankam, schaute ich ihr jeden Tag über die Schulter und ging durch ihre Schule. Mit der Zeit beherrschte ich nicht nur die Kochkünste, sondern auch den Jung-Gar-Dialekt. Hochchinesisch verstehe ich allerdings nicht so gut. Meine Frau neckt mich daher oft. Es sei einfach meine Vorbestimmung, ein echter Jung-Gar-Bursche zu werden, sagt sie.
Papa erklärt die Welt: Khan Abdul Samad und seine jüngste Tochter
Als „ausländischer Schwiegersohn“ im Jung-Gar-Banner bin ich sehr stolz, hier zu arbeiten und zu leben. 2023 gehörte das Banner zum 18. Mal in Folge zu den 100 reichsten Kreisen Chinas. Die reichhaltigen Kohlevorkommen ermöglichen es dem Ort, Kohle als industrielle Ressource zu nutzen und gleichzeitig nach Wegen der Transformation und Modernisierung zu suchen.
Wie lässt sich ein Stück Kohle mithilfe von Hightech in Stoff verwandeln? Wie kann es chemisch behandelt werden, um Flaschen, Besteck, Brillengestelle und Kleidung daraus herzustellen? Ich nutze oft mein Wissen über die saubere und innovative Nutzung von Kohle, das ich hier gewonnen habe, um meine Töchter für das Thema zu sensibilisieren. Ich wünsche mir, dass sie die Veränderungen in der Region, in der sie leben, verstehen können.
Für das neue Jahr, das Drachenjahr, plane ich, meine Arbeit fortzusetzen und noch mehr Kurzvideos zu produzieren. Insbesondere möchte ich noch stärker die lokale traditionelle Kultur und die Volksbräuche des Jung-Gar-Banners mit der Kamera einfangen. Meine Fangemeinde hat sicher großes Interesse an solch authentischem Content.