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„Die Lektüre chinesischer Originaltexte ist ein ganz besonderes Gefühl“ – Dennis Delehanty und seine Liebe zur chinesischen Literatur

2019-01-31 10:36:00 Source:China heute Author:
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 Von Zhou Lin



 

 Dennis Delehanty: Der 76-Jährige lernte sein Chinesisch am Konfuzius-Institut an der George Manson University.

 

„Menschen, die wie ein Herz und eine Seele sind, trennen selbst weite Meere und hohe Berge nicht.“ Mit dieser chinesischen Weisheit beschreibt Dennis Delehanty, 76, seine tiefe Verbundenheit zur chinesischen Kultur und Literatur. Der US-Amerikaner, der sich selbst den chinesischen Namen Dài Dānyì gegeben hat,  lernt schon seit einigen Jahren Chinesisch, und zwar am Konfuzius-Institut der George Mason University im US-Bundesstaat Virginia. Vor seiner Pensionierung war Delehanty im diplomatischen Dienst und in der US-Postbehörde tätig.

 

Dài, dieser chinesische Familienname ist eine lautliche Anlehnung an Delehanty. Der chinesische Vorname Dānyì forme einen besonderen Aphorismus, erklärt der Senior, nämlich die Gerechtigkeit (yì) mit eisernem Willen „schultern“ (dān). Dài Dānyì ist jemand, der Land und Volk gut dienen möchte, und das soll sich schon im Namen spiegeln, zumindest im selbstgewählten chinesischen.

 

Delehantys Weg nach China



 

Delehanty bei einem Besuch in Shanghai im Dezember 1984.

 


Sprachen faszinierten den ehemaligen Staatsbediensteten schon seit Jugendtagen. Noch vor dem Eintritt in die Universität hatte der Amerikaner in den 1960er Jahren Russisch, Französisch und Spanisch gelernt. Doch sein Wissensdurst war damit noch nicht gestillt. Er wollte auch Chinesisch lernen. „Ich lebte damals in der südlichen Vorstadt von Boston, war jung und der Charme der chinesischen Sprache zog mich magisch an“, erinnert sich der 76-Jährige im Gespräch mit „China heute“.

 

Doch das Unterfangen sollte sich schwieriger gestalten, als gedacht. Delehanty musste nämlich feststellen, dass es damals im gesamten Bundesstaat Maine keine einzige Hochschule gab, die Chinesisch als Studienfach anbot. Doch der ehrgeizige junge Mann wollte nicht aufgeben und meldete sich schließlich für einen Chinesisch-Abendkurs in einem Zentrum für Erwachsenenbildung unweit der Harvard University an.

 

„Es ist natürlich nicht ganz einfach, Chinesisch zu lernen, zumal mein Lernprozess aus verschiedensten Gründen mehrmals unterbrochen wurde, was mich sehr traurig gemacht hat“, erinnert sich der Amerikaner an seine frühen Chinesisch-Lernjahre zurück.

 

Doch im Jahr 1983 sollte das Projekt neuen Auftrieb erhalten. Delehanty bekam die Chance, zu einem kurzen Studienaufenthalt nach China zu reisen. Bisher kannte er das Reich der Mitte nur aus Erzählungen und Büchern, nun bekam er die Chance, sich selbst ein Bild zu machen von diesem sagenumwobenen und in einen mystischen Schleier gehüllten Land.

 

Delehanty schrieb sich zu einem Studienaufenthalt an der Shanghaier Fremdsprachenhochschule ein. Dort kam der junge Amerikaner erstmals in direkte Berührung mit der chinesischen Kultur, die ihn sofort begeisterte. Im Laufe der Jahre reiste er beruflich noch mehr als ein Dutzend Male in die Volksrepublik, was seine Entschlossenheit, sein Chinesisch zu verbessern, nur weiter festigte.

 

Heute sagt er rückblickend: „Ich wurde Zeuge der großen Veränderungen, die in den vergangenen 40 Jahren in China stattfanden. Bei meinem ersten Chinabesuch Anfang der 1980er Jahre trugen die meisten Chinesen noch einheitliche Anzüge und fuhren nur Fahrrad. Heute bietet sich Besuchern in China ein völlig anderes Bild, das eines prosperierenden Landes nämlich, in dem sich grüne Vegetation und gen Himmel ragende imposante Neubauten vor dem Auge des Betrachters harmonisch ineinanderfügen“, sagt der 76-Jährige.

 

Delehantys Verbindung zu China wurde über die Jahre immer enger, auch weil seine Tochter vor einigen Jahren begonnen hat, Chinesisch zu lernen. Sie Sie erhielt sie ein Stipendium vom Konfuzius-Institut der George Mason University für ein Auslandsstudium an der Beijing Language and Culture University (BLCU). Nach diesem Studienaufenthalt im Jahr 2011 nahm Delehantys Tochter eine Arbeitsstelle in China an. Erst 2015 kehrte sie in die USA zurück. „Man muss dazusagen, dass es nicht mein Einfluss war, der meine Tochter dazu bewegt hat, selbst Chinesisch zu lernen. Im gewissen Sinne ist es, glaube ich, einfach eine besondere Fügung, die meine Familie mit China verbindet.“

 

Liebe zur chinesischen Literatur


 

Der Leseclub des Konfuzius-Instituts an der George Manson University wurde Ende 2014 ins Leben gerufen.

 


Nach 37 Jahren im Staatsdienst wurde Dennis Delehanty 2012 schließlich in den Ruhestand verabschiedet. Die neu gewonnene zeitliche Freiheit nutzte er, um eine Vortragsreihe über China am Konfuzius-Institut der George Mason University zu besuchen. Doch er wollte noch tiefer eintauchen in die andere Kultur. Und so initiierte der Senior Ende 2014 einen Lesekreis für chinesische Literatur an besagtem Konfuzius-Institut, um sich durch die Beschäftigung mit den chinesischen Klassikern dem Land und seinen Menschen ein weiteres Stück zu nähern.

 

Bis Mitte 2016 trafen sich die sechs Mitglieder des Leseclubs regelmäßig, um Originaltexte hoch geachteter chinesischer Schriftsteller zu lesen und zu besprechen. Die anspruchsvollen Werke stammten aus der Feder von Lu Xun, Lao She, Ba Jin, Shen Congwen oder Mo Yan, von Autoren also, die Nimbus als große Dichter in der modernen chinesischen Literatur besitzen. „Alle Teilnehmer haben viel von der Lektüre profitiert. Diese Klassiker bergen die Quintessenz der chinesische Kultur und sie spiegeln die durch Güte und Beständigkeit geprägten Charakterzüge der Chinesen“, so der Literaturliebhaber.

 

Im Interview erinnert sich Delehanty an seine früheste Begegnung mit der klassischen chinesischen Literatur zurück: „Ich war damals in einer Beijinger Buchhandlung auf der Suche nach einer passenden Lektüre für meinen bevorstehenden Rückflug und blätterte einfach in einigen Büchern. Ein Werk weckte durch seine schmuckvollen Abbildungen meine Aufmerksamkeit und ich kaufte es kurzerhand. Erst als ich das Buch in der Maschine aufschlug, wurde mir bewusst, dass es sich um den Klassiker ,Bemerkenswerte Geschichten der Studierstube der Plauderei‘ aus der Qing-Dynastie (1644 – 1911) handelte“, erinnert sich der Amerikaner und lacht.

 

„Chinas Literatur ist ein sehr interessantes und umfangreiches Terrain, das es gründlich zu erkunden gilt. Die traditionsreiche chinesische Zivilisation hat uns nicht nur die vier großen Klassiker ,Die Reise nach Westen‘, ,Die Räuber vom Liangshan-Moor‘, ,Die Drei Reiche‘ und ,Der Traum der Roten Kammer‘ beschert, sondern auch in neuerer und neuester Zeit eine Reihe hervorragender Schriftsteller hervorgebracht“, betonte der Amerikaner.

 

Was die moderne chinesische Literatur betreffe, bevorzuge er die Werke Lu Xuns, sagt Delehanty. Dieser sei aus seiner Sicht der „Vater der modernen chinesischen Literatur“ und vergleichbar mit den Klassikern von William Shakespeare. „Ich bin aber auch ein begeisterter Anhänger der Werke von Lao She, Ba Jin und Shen Congwen. Shen Congwens Roman ,Grenzstadt‘ gefällt mir am besten. Dem Urteil einiger Literaturkritiker, die dem Roman vorwerfen, seine Sprache sei zu einfach, stimme ich nicht zu.“ Im Gegenteil sei die Sprachfindung des Romanciers so natürlich und ungekünstelt, als malten die am Himmel langsam vorbeiziehenden Wolken und das ruhig dahin fließende Flusswasser ein sprachliches Bild vor dem geistigen Auge des Lesers, sagt Delehanty. „Selbst Ausländer, die den abgelegenen Westen der Provinz Hunan, aus der der Autor stammt, nie besucht haben, bekommen durch den Roman ein Gefühl von der wunderschönen Landschaft und dem besonderen Zauber dieser Gegend.“

 

Seine profunde sprachliche Ausbildung befähigt Delehanty dazu, Originalwerke in sieben Sprachen zu lesen. Und der 76-Jährige hält bis heute daran fest, literarische Werke nach Möglichkeit im Original zu genießen. „Wenn ich ein Gespräch mit Chinesen führe, fällt es mir bis heute schwer, richtig zwischen den Zeilen zu lesen und den wahren Sinn hinter den Worten zu verstehen. Wenn ich aber ein chinesisches literarisches Werk im Original lese, gelingt es mir, in die Rolle der Romanfiguren zu schlüpfen und die Handlung aus chinesischer Sicht zu verstehen“, sagt der Literaturliebhaber. „Das fühlt sich dann so an, als ob ich in die geistige Welt der Chinesen vordringe, ein ganz besonderes Gefühl. Es erlaubt mir, Fragen aus der Warte des chinesischen Denkens zu reflektieren“, sagt Delehanty. Bei der Lektüre des Romans „Kalte Nacht“ von Ba Jin habe er erstmals diese besondere Erfahrung gemacht.

 

Die Treffen der Lesefreunde finden noch immer alle zwei Wochen statt. Dann werden – auf Chinesisch versteht sich – unter anderem auch chinesische Kurzgeschichten, die die Teilnehmer bereits gelesen haben, ausführlich besprochen. Der Lesekreis sei eine große Bereicherung für alle Teilnehmer, aber auch eine sprachliche Herausforderung, sagt Delehanty. „Die Lektüre zeitgenössischer chinesischer Literatur lässt uns China und das Denken der Chinesen besser begreifen. Selbst diejenigen, die lange in China studiert und gelebt oder sich jahrzehntelang mit der Volksrepublik beschäftigt haben, profitieren davon“, sagte er. Er persönlich sei sehr dankbar, dass das Konfuzius-Institut die Lesergruppe unterstütze und durch die Veranstaltung dem Bedarf an intensivem Austausch entgegenkomme. „Ich würde mir wünschen, dass derartige Veranstaltungen in den gesamten USA, ja sogar weltweit angeboten werden. Denn die Zahl der Menschen, die Chinesisch lernen wollen, diese meistgesprochene Sprache der Welt, wächst stetig.“

 

Sprache verbindet

 

Delehanty  sagt: „China spielt in der Gegenwart eine immer größere Rolle, wodurch für die Volksrepublik Verständigung und Verbindung mit dem Rest der Welt immer wichtiger werden.“ Die von den Konfuzius-Instituten in aller Welt angebotenen Chinesischkurse sowie anderen Lehrveranstaltungen spielten dabei eine wichtige Rolle.

 

Bei der Einweihung neuer Konfuzius-Institute wird den Leitern stets in einer feierlichen Zeremonie das Instituts-Emblem übergeben. In solchen Momenten ist Delehanty stets aufs Neue gerührt. Er zollt den Konfuzius-Instituten und ihrem gemeinnützigen Engagement hohe Anerkennung. Das langfristige Programm der Institute fördere den Erwerb der chinesischen Sprache weltweit, und Sprache, daran besteht für Delehanty kein Zweifel, verbindet. „Die Konfuzius-Institute fungieren als Bindeglied zwischen China und dem Rest der Welt. Und sprachliche Verständigung fördert stets auch die Völkerverständigung. Damit leisten die Institute einen wichtigen Beitrag zum Wohle der Menschheit“, lobt er.

 

Was die Entwicklungsperspektive der Konfuzius-Institute angeht, schlägt der Amerikaner vor, in Zukunft noch mehr Lerninhalte mit höherem Anspruch anzubieten. So könnten neben Chinesisch- und Kulturkursen vermehrt auch Veranstaltungen zur chinesischen Philosophie und Ideengeschichte ins Programm aufgenommen werden, regt Delehanty an. Durch ein weit gefächertes Programm könne den verschiedenen Interessenschwerpunkten der ausländischen Lerner noch besser begegnet werden, sagt der Amerikaner. „Wenn das Konfuzius-Institut eines Tages auch einen Kurs für chinesische Philosophie in meiner Stadt anbietet, werde ich meine Mitmenschen auf alle Fälle ermuntern, diesen zu besuchen.“

 

Zum Abschluss unseres Gesprächs sagt der 76-Jährige: „Mein Lebensideal liegt in der Völkerverständigung, dem gegenseitigen Respekt der Völker, ihrer friedlichen Koexistenz und aufrichtigen Zusammenarbeit.“ Und damit dies gelingt, muss mit eisernem Willen die Gerechtigkeit geschultert werden – ganz wie Delehantys Name schon sagt. 

 

 

 


 

 

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