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Moderne Saatgutindustrie – Entwicklungsgrundlage der chinesischen Landwirtschaft

2019-09-27 16:05:00 Source:Beijing Rundschau Author:
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Von Dang Xiaofei

 

Saatgut ist die Basis der Landwirtschaft, oder um eine Metapher der Moderne zu bemühen: gesunde Samenkörner können als Mikrochips der Agrarwissenschaft und -technik bezeichnet werden. Sie fördern maßgeblich die landwirtschaftliche Produktion. Eine gesunde und nachhaltige Entwicklung der Saatgutindustrie ist also von zentraler Bedeutung für die Gewährleistung der Ernährungssicherheit.



 Landwirte eines Dorfes, das zur Stadt Huai’an in der Provinz Jiangsu gehört, sammeln und ordnen die gezüchteten Reissetzlinge. 


Schon seit ihrer Gründung betrachtet die Volksrepublik die Saatzucht als landwirtschaftliche Schwerpunktarbeit. Insbesondere in den beginnenden 1980er Jahren nach Einführung der Reform- und Öffnungspolitik machte China in Sachen Agraranbau und Getreideproduktion große Fortschritte. So stellte das Land sicher, mit sieben Prozent der weltweiten Anbaufläche 22 Prozent der Weltbevölkerung erfolgreich zu ernähren, eine beachtliche Errungenschaft.

 

Getreide aus heimischem Saatgut

 

In den ersten Jahren nach der Gründung der Volksrepublik war der Getreideanbau durch das damalige – eher niedrige – technische Niveau der heimischen Saatzucht erheblich eingeschränkt. Das hatte zur Folge, dass der Getreideertrag sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht niedrig und die Krankheitsresistenz der Pflanzen zudem äußerst schwach war.

 

Wasserreis ist die meistangebaute Getreideart Chinas. Seine Produktion macht etwa 40 Prozent der gesamten Getreideproduktion des Landes aus. Aber in den 1950 Jahren wurden hauptsächlich Wasserreisgattungen mit einem hohen Stängelwuchs von etwa 1,5 Metern angebaut. Solche Reispflanzen knicken leicht ein, insbesondere bei reicher Bewässerung und Düngung. Dies bildete lange ein Haupthindernis für die Erhöhung des Wasserreisertrags. Um dieses Problem zu bewältigen, führte Huang Yaoxiang, ein bekannter chinesischer Genetiker für Reissaatenzucht, ein Expertenteam an, um die Züchtung von Reisgattungen mit niedrigem Stängelwuchs zu erforschen. Es gelang den Agrarexperten, eine Reisgattung mit einer Stängellänge von nur 8,9 Zentimetern zu züchten. Diese neue Gattung besaß darüber hinaus Vorteile wie größere Krankheitsresistenz, mehr Widerstandsfähigkeit gegen Stängelbruch und höhere Erträge. Durch den Anbau der neuen Gattung gelang es, den Pro-Mu-Ertrag (1 Mu = 1/15 Hektar) von 150 Kilogramm auf mehr als 300 Kilogramm zu steigern.

 

„Das war damals ein großer Durchbruch in der Geschichte der weltweiten Reiszüchtung, ja man kann sogar von einer grünen Revolution in der Geschichte der Weltagrarentwicklung sprechen“, ordnet Wan Jianmin, Vizedirektor der Chinesischen Akademie der Agrarwissenschaften und Mitglied der Chinesischen Akademie der Ingenieurswissenschaften, die Entwicklung im Nachhinein ein.

 

Bei der zweiten grünen Revolution handelt es sich um den Wandel von herkömmlichem Reis zu Hybridreis. In den 1960er Jahren nahm sich Yuan Longping der Züchtung von Hybridreis an und führte ein entsprechendes Expertenteam. 1973 gelang den Agrarexperten der Durchbruch, sie brachten eine neue Hybridreissorte hervor. Drei Jahre später wurde diese landesweit verbreitet. Die neue Sorte steigerte die Pro-Mu-Erträge nochmals deutlich, nämlich von 300 auf über 400 Kilogramm.



Kennerblick: Yang Yuanzhu untersucht das Reiswachstum vor Ort. 


Yang Yuanzhu, Leiter der Kommission für Wasserreisforschung des Unternehmens Yuan Longping High-Tech Agriculture und Direktor der Yahua-Akademie für agrarwissenschaftliche Saatgutforschung, erklärt, dass es sich damals allerdings noch um Drei-Linien-Hybridreis gehandelt habe. Um einen weiteren Durchbruch zu erzielen, habe das von Yuan geführte Team 1973 die Erforschung einer neuen Sorte, nämlich eines Zwei-Linien-Hybridreises, in Angriff genommen. „1994 gelang es den Experten, auch diese neue hochwertige Reissorte erfolgreich zu züchten. Dadurch wurde das Zuchtverfahren erheblich vereinfacht und der Pro-Mu-Reisertrag stieg auf über 450 Kilogramm“, erklärt der Agrarfachmann. Noch wichtiger aber sei gewesen, dass der neue Zwei-Linien-Hybridreis die Grundlage für die Zucht eines sogenannten Superreises gelegt habe. Bezüglich des Pro-Mu-Reisertrags wurden mittlerweile immer höher gesteckte Ziele erreicht, von 700 Kilogramm über 800 und 900 Kilogramm bis schließlich zu 1000 Kilogramm. Heute liegt der chinesische Pro-Mu-Reisertrag 1,71-mal so hoch wie der Weltdurchschnitt.

 

Im Zuge der Erhöhung der Erträge wurden auch Fortschritte bei der Zucht von Reissorten mit stärkerer Krankheitsresistenz erzielt. Die Streifenkrankheit (rice stripe virus, RSV) und der Bakterienbrand (bacterial leaf blight) beispielsweise seien erfolgreich unter Kontrolle gebracht worden, sagt Wan Jianmin.

 

Auch Chinas Weizenzucht entwickelt sich

 

Weizen ist die zweitwichtigste Getreidesorte in China und die Hauptnahrungsmittelsorte im Norden des Landes. He Zhonghu, Forscher am Forschungsinstitut für Nutzpflanzen der Chinesischen Akademie der Agrarwissenschaften und Leiter der Geschäftsstelle des Internationalen Zentrums für die Verbesserung der Weizen- und Maissorten in China, sagt hierzu, dass nach Gründung des Neuen Chinas die Zucht vorzüglicher Weizensorten im Großen und Ganzen drei Phasen durchlaufen habe: „Für die Sortenverbesserung bildeten zunächst bessere Krankheitsresistenz und schnellere Reifung die Ausgangsbasis. Danach folgten die Verbesserung der Widerstandsfähigkeit gegen Einknicken und die zunehmende Steigerung der Erträge hochwertiger Weizensorten“, erklärt er. In der Zeitspanne von 1949 bis heute habe sich der Pro-Mu-Weizenertrag verachtfacht, so He. „Die Weizenanbaugebiete haben mittlerweile insgesamt acht- bis neunmal die Weizensaat gewechselt. Dadurch wurde ein großer Beitrag für die Steigerung des Pro-Mu-Ertrags und des heimischen Gesamtertrags geleistet“, so der Agrarexperte.

 

Neben Reis und Weizen erzielten die chinesischen Agrarexperten auch beachtliche Erfolge bei der Zucht vorzüglichen Saatguts für Mais, Sorghum, und Kartoffeln. Es gelang ihnen außerdem, über eintausend vorzügliche Saatgutsorten bzw. Hybridsaaten hervorzubringen. Damit wurde der Saatgutwechsel in noch größerem Umfang verwirklicht. Derzeit liegt die Abdeckungsrate des vorzüglichen Saatguts bei 97 Prozent und für den Gesamtanbau von Reis, Weizen und Sojabohnen werden in China sogar ausschließlich selbst gezüchtete Saaten verwendet. Selbst für den Maisanbau wurde der Anteil der mit chinesischem Saatgut bestellten Anbauflächen von 85 auf 90 Prozent erhöht. Es lässt sich also festhalten, dass heimisches Saatgut heute die Basis der Ernährung der chinesischen Bevölkerung von fast 1,4 Milliarden Menschen bildet.

 

Selbstständige Innovation hebt Saatgutniveau

 

In den 1980er Jahren musste Landwirte in der nordchinesischen Provinz Hebei ihre Weizenfelder in einer Saison noch fünf- bis sechsmal bewässern. Die Bewässerung bedurfte pro Mu zudem rund 300 Kubikmeter Wasser. Heute müssen die Äcker nur noch zweimal pro Saison bewässert werden, wofür zudem schon 100 Kubikmeter Wasser ausreichen. Zusätzlich gab es noch eine Ertragssteigerung. Agrarexperte He Zhonghu erklärt, all das sei dem verbesserten Saatgut zu verdanken, für dessen Zucht neueste technologische Verfahren wie molekulare Markertechnologie (molecular marker breeding technology), Verdoppelung der Saatgutgeneration bei der Zucht (generation-adding technique) und relevante Informationstechnik herangezogen worden seien.

 

Die Erhöhung des Zuchtniveaus des Saatguts hängt maßgeblich von selbstständiger Innovation ab. China hat verschiedene Maßnahmen getroffen, um seine Innovationsfähigkeiten zu erhöhen. Yu Xinrong, Vizeminister des Ministeriums für Landwirtschaft und ländlichen Raum, weist darauf hin, dass sich durch die Reform hin zur besseren Gewährleistung der Rechte und Interessen bezüglich agrarwissenschaftlicher Forschungsergebnisse die Investitionsaktivität der Forscher und Techniker enorm erhöht und die Umsetzung dieser Ergebnisse in der realen Produktion beschleunigt habe. Zeitgleich treibt auch die chinesische Regierung die Reform hin zur Verschlankung der Verwaltung und Delegierung von Kompetenzen, zur Verbindung von Lockerung und Kontrolle sowie zur Optimierung der staatlichen Dienstleistungen voran. Um die Innovationsfähigkeit der Unternehmen zu erhöhen, wurden zahlreiche Angelegenheiten der Überprüfung und Genehmigung auf untergeordnete Stellen übertragen und ein grüner Korridor für das Management der Saatgutindustrie wurde eröffnet.



 2018 führte Agrarexperte Yang Yuanzhu ein Forscherteam bei der Auswahl guter Reissorten in der Saatzuchtbasis des Unternehmens Yuan Longping High-Tech Agriculture in der Ortschaft Lingshui, Provinz Hunan, an. 


2011 veröffentlichte der Staatsrat die „Ansichten über die beschleunigte Entwicklung der modernen Saatgutindustrie“. In diesem Papier wurden die Unternehmen dazu aufgefordert, möglichst schnell ein eigenes System für Forschung und Entwicklung aufzubauen und die kommerzielle Saatgutzucht tatkräftig zu entwickeln. Danach haben die Unternehmen im ganzen Land ihre Schritte zur Verbesserung von Forschung und Entwicklung beschleunigt, wodurch der Anteil des von ihnen entwickelten Saatguts auf mehr als 80 Prozent gestiegen ist. Heute bilden sie die Hauptakteure bei der Innovation des Saatguts.

 

Als Vorreiter in der chinesischen Saatgutindustrie legt auch die Firma Yuan Longping High-Tech Agriculture großen Wert auf Forschung und Entwicklung. Dazu sagt Zeng Jun, Abteilungsleiter für umfassende Verwaltung des Unternehmens, zehn Prozent der Umsatzeinnahmen der Firma flössen heute in den R&D-Bereich. Diese Investitionen hätten sich im Jahr 2018 auf 449 Millionen Yuan, umgerechnet rund 57,4 Millionen Euro, belaufen. Doch der Aufwand scheint sich auszuzahlen. Bereits seit 2015 steigt der Umsatz der Saaten kontinuierlich. Besonders zu nennen sind dabei die zwei Hybridreissaatsorten „Longliangyou“ und „Jingliangyou“, die sich durch hohen Ertrag, große Krankheitsresistenz und hohe Qualität auszeichnen und mittlerweile jeweils beachtliche Marktanteile besitzen. Allein im Jahr 2018 erreichten die Verkäufe 22.000 Tonnen. Sie wurden auf einer Anbaufläche von 33 Millionen Mu ausgesät.

 

Agrarexperte Yang Yuanzhu war zuständig für die Entwicklung besagter Bestseller-Sorten. Er sagt: „Selbstständige Innovation ist der entscheidende Motor der Saatgutindustrie und entscheidet über die Kernkompetenz eines Unternehmens.“ Er schlägt deshalb vor, die Innovationsplattformen der chinesischen Saatgutindustrie weiter zu festigen, die Investitionen aufzustocken, das Niveau der kommerziellen Saatgutzucht zu heben und die Fähigkeit der Unternehmen in diesem Bereich weiter zu erhöhen. Es gelte insbesondere, moderne Bio-Technik bei der traditionellen Saatgutzucht zu nutzen und durch die Erneuerung bestehender Saatgutressourcen und -techniken mehr und bessere Saaten zu erzeugen. Zeitgleich müsse großer Wert auf die Ausbildung von Agrarfachkräften, insbesondere von international ausgerichteten Fachkräften, gelegt werden, so der Experte. 

 

Die Zahl der chinesischen Saatgutunternehmen ist mit der Zeit von 8700 im Jahr 2011 auf heute nur noch 3800 geschrumpft. Dennoch ist es noch immer nicht gelungen, Probleme wie den kleinen Geschäftsumfang vieler Betriebe, zerstreute Standortverteilung und ungeordnete Geschäftsführung von Grund auf zu lösen. Dazu sagt Agrarwissenschaftler Wan Jianmin: „Gegenwärtig ist die Fusion von Unternehmen wichtig. Dadurch sollten kleinere Betriebe in regional operierende Vertriebsfirmen umgewandelt werden.“ Aus seiner Sicht sollten Chinas Agrarforschungsinstitute und Unternehmen auf Grundlage einer besseren Arbeitsteilung noch enger zusammenarbeiten. „Die ersteren sollten sich auf Grundlagenforschung und die Innovation von Saatgutressourcen konzentrieren, während letztere die kommerzielle Saatgutzucht und ihre Forschung über ertragsreiche, hocheffiziente Saatgutproduktionstechniken verstärken sollten“, betont der Fachmann.

 

Internationaler Austausch und Zusammenarbeit treiben Entwicklung voran

 

Der weltweite Austausch von Saatgutressourcen ist ebenfalls ein zentraler Faktor für die Förderung der Saatgutindustrie. Dazu sagt Yang Yuanzhu: „Der Erfolg des chinesischen Hybridreises ist unter anderem auch dem internationalen Austausch zu verdanken. Diese Reissorte hat viel von der eingeführten Reisart der Wiederherstellungslinie (Restoring-Line) profitiert. Der chinesische Hybridreis ist somit ein Musterbeispiel für die erfolgreiche Nutzung ausländischer Saatgutressourcen.“

 

Auch thailändischer Reis ist für seine gute Qualität bekannt und erfreut sich auf dem chinesischen Markt großer Beliebtheit. Zurzeit führt Yang Yuanzhu ein Forscherteam zur Entwicklung einer hochwertigen neuen Reissorte durch Kreuzung einer aus Pakistan eingeführten Reisart mit einer einheimischen Sorte an. Erste Etappenerfolge wurden bereits erzielt. Qualitativ übertrifft die neue Sorte sogar den thailändischen Reis, zudem liegt der Pro-Mu-Reisertrag bei mehr als 500 Kilogramm – und damit höher als der Ertrag von Thai-Reis. Die Forschungsarbeit befindet sich bereits in der Schlussphase.

 

Während China gutes Saatgut aus dem Ausland einführt, verstärkt es gleichzeitig auch den Export der heimischen Saatgutzucht. Damit leistet die Volksrepublik einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung der globalen Getreideindustrie. Chinas Hybridreissorten beispielsweise wurden bereits in mehr als 40 Länder und Regionen exportiert und dort verbreitet. Mit den USA hat China ein Abkommen zur Übertragung der Anbautechnik des Drei-Linien-Hybridreises unterzeichnet. Schon heute übertrifft die Hybridreisanbaufläche in den USA die Hälfte der gesamten Reisanbaufläche des Landes. Die von chinesischen Agrarwissenschaftlern entwickelten chemischen Mittel zur Bekämpfung von Ährenfusarien (Fusarium graminearum) bei Weizenpflanzen finden in verschiedenen Ländern der Welt breite Anwendung.

 

Zur Ausbildung von ausländischen Fachkräften für Hybridreis veranstaltet China regelmäßige Fortbildungen. Von den 1980er Jahren bis heute hat allein das von Yuan Longping geführte Expertenteam über 10.000 Fachkräfte aus mehr als 80 Entwicklungsländern weitergebildet. Seit einigen Jahren vermitteln chinesische Agrarwissenschaftler außerdem im Rahmen der Seidenstraßenprojekte den Anrainerländern die Technik des Hybridreisanbaus, um auch die dortigen Erträge des Reisanbaus langfristig zu steigern.    

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