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Olympia ist erst der Anfang: Wintersport und Tourismus werden zum Motor für Chonglis Wirtschaftsentwicklung

2019-12-30 11:12:00 Source: Author:
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Von Zuo Lin*

 

Während sich die Olympischen Winterspiele 2022 nähern, vollziehen sich auf der Strecke von der alten Kreisstadt Chongli bis zum Forlong Snow Park im neuen Stadtbezirk von Zhangjiakou große Veränderungen. Wo früher dampfende Garküchen und Tante-Emma-Lädchen standen, heißen heute neue Hotels und Herbergen sowie Wintersportgeschäfte aller Art die Besucher willkommen.

 

Vor über 100 Jahren war Chongli, das heute 126.000 Einwohner zählt, noch ein nomadisch geprägtes Hirtengebiet, wo viele Vertreter ethnischer Minderheiten lebten. Agrarwirtschaft und Handel waren damals die wichtigsten Wirtschaftszweige. Heute plant Chongli in Sachen Industrieentwicklung aus neuer Perspektive. Mit einer Schneesaison von satten fünf Monaten bietet der Ort beste Voraussetzungen für die Entwicklung des Wintersports. 2022 wird er deshalb als Austragungsort der olympischen Skiwettbewerbe dienen. Der Olympiazuschlag gab den Anstoß, nicht nur die Entwicklung der lokalen Wintersportindustrie voranzutreiben, sondern auch zu einem alljährlichen Standort für Tourismus, Konferenzevents, Gesundheit und Wellness auf internationalem Niveau zu werden. Darüber hinaus will Chongli zu einem wichtigen Bindeglied der Wirtschaftsregion Beijing-Tianjin-Hebei aufsteigen.

 

 

 

Jubeln auf dem Siegertreppchen: Am 14. Dezember 2019 fand das große Finale des Thaiwoo FIS Freestyle Ski Moguls World Cup 2019-2020 in Chongli in der nordchinesischen Provinz Hebei statt.

 

Schnee ist Reichtum

 

Auf der 128. Sitzung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), die am 31. Juli 2015 in Kuala Lumpur stattfand, verkündete IOC-Präsident Thomas Bach um 17.57 Uhr Ortszeit feierlich den Namen der Siegerstadt: Beijing. Damit war es offiziell: Chinas Hauptstadt und seine Nachbarstadt Zhangjiakou in der Provinz Hebei, die Beijing umgibt, werden 2022 gemeinsam die Olympischen Winterspiele ausrichten. Für Chongli war dies natürlich eine Freudenbotschaft. Zhang Weiming, der hier schon seit knapp sechs Jahren einen Skiverleih betreibt, sagt, er habe vor Begeisterung sein Glas Bier in einem Zug geleert. „Für uns ist das eine riesige Chance!“, sagt er.

 

Tatsächlich wurde schon 1996 damit begonnen, Chongli zu einem Skigebiet aufzubauen. Chinas erster Ski-Landesmeister, Shan Zhaojian, der damals den Skiverband der Nationalen Sportkommission leitete, inspizierte verschiedene Orte, die als zukünftige Skigebiete für den Breitensport in Frage kamen. Ziel war es, das Skifahren in China insgesamt populärer zu machen. Dabei stach Chongli positiv heraus. 200 Kilometer vor den Toren der Hauptstadt ist der Ort leicht zu erreichen und verfügt somit über großes Marktpotenzial. Die geografische Lage – der Ort liegt zwischen dem Hochplateau der Inneren Mongolei und der Nordchinesischen Tiefebene ­– macht die Berghänge der Region besonders geeignet für das Skifahren. Im Winter schneit es zudem früh und stark. Die Durchschnittstemperatur beträgt minus 12 Grad Celsius und das bei mäßiger Windgeschwindigkeit. Darüber hinaus dehnt sich die Schneesaison bis zu fünf Monate – geradezu ideale Bedingungen für den Wintersport. Schon bald wurde das erste Skigebiet in Chongli – der Saibei Snow Park – in Betrieb genommen.

 

Dank technischer Fortschritte wie der zunehmenden Verbreitung von Kunstschneeanlagen und der wachsenden Kaufkraft chinesischer Touristen gingen ab 2003 nach und nach sieben Skigebiete in Betrieb, darunter die Sportparks in Wanlong, Genting und Fuli. Der Wintersport sollte der lokalen Industrie zum Aufschwung verhelfen.

 

Laut Zhang Weiming habe es in Chongli zwar auch schon vor der erfolgreichen Olympiabewerbung Skigebiete gegeben, jedoch seien Infrastruktur und Ausrüstung rückständig gewesen. „Statt Schnellstraßen dienten schlammige Bergstraßen als Zubringer. Und auch die Unterkünfte ließen stark zu wünschen übrig“, sagt er. Die Einheimischen hätten sich damals nur wenig um die Entwicklung der Skigebiete gekümmert und seien auch selbst nur selten Ski gefahren. „Das ist nur etwas für die Reichen, haben sie gedacht. Auch gab es kaum Skiverleiher wie mich. Die meisten Leute hier übten damals einfach Gelegenheitsjobs aus oder arbeiteten auf den Feldern“, erzählt uns Zhang.

 

Dabei bietet die Winterindustrie enormes Potential, die lokale Wirtschaft anzukurbeln. Die Chonglier Kreisverwaltung erkannte dies früh, und startete bereits 2009 eine Strategie zur Tourismusentwicklung durch die Schneebranche. Doch angesichts der schlechten Verkehrsanbindung dümpelte das Vorhaben anfangs vor sich hin.

 

Die Wende kam im Jahr 2010, als der Abschnitt Zhangjiakou–Chongli der Zhangcheng (Zhangjiakou-Chengde)-Autobahn dem Verkehr übergeben wurde. Danach war es für Touristen aus dem Umland wesentlich einfacher, nach Chongli zu gelangen. Im November 2013 dann gab die Beijinger Stadtregierung bekannt, man werde sich gemeinsam mit Zhangjiakou um die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2022 bewerben. Damit war Chonglis große Stunde gekommen, bot die Olympiabewerbung dem armen Kreis doch die Gelegenheit, größere Unterstützung in Sachen Entwicklung zu erhalten. Zudem erklärte Chinas Regierung 2014 die Integration der Metropolregion Beijing-Tianjin-Hebei zu einer zentralen nationalen Strategie. Vor diesem Hintergrund gelang Chongli dank der boomenden Winterindustrie die Transformation in eine Tourismusregion. Der Kreis schaffte es, sich aus der Armut zu befreien.

 

Der Winter 2015/2016 war die erste Schneesaison nach dem Olympiazuschlag. Chongli münzte den aufkeimenden Olympia-Hype früh in reales Einkommen um. In der Wintersaison 2015/2016 konnte der Ort insgesamt 2,185 Millionen Touristen anziehen, ein Besucherplus von 30,8 Prozent im Vergleich zur Vorjahressaison. Die Einnahmen betrugen 1,54 Milliarden Yuan, auch hier eine satte Steigerung um 31,6 Prozent. 2016 erhielt Chongli vom Staatsrat die Genehmigung, sich von einem Kreis in einen Stadtbezirk Zhangjiakous umzuwandeln. Dies läutete eine neue Ära der qualitativ hochwertigen Entwicklung im Ort ein.

 

Während der Wintersaison 2018/2019 verbuchte Chongli in seinen sieben Skigebieten dank einer Million angereister Skifahrer nochmals ein Gesamtplus von 25,9 Prozent im Vergleich zur Vorjahressaison. Die Zahl aller Urlauber der Wintersaison belief sich auf 2,812 Millionen.

 

In der Vergangenheit wurden Landwirtschaftsentwicklung und Verkehr stark von der langen Schneesaison beeinträchtigt. Doch der Fluch von damals ist zum Segen von heute geworden. Nun macht das kalte Weiß die rasante Entwicklung des 2,334 Quadratmeter großen Bezirks überhaupt erst möglich.

 

 

 

Olympia-Countdown: Am 11. Mai 2019, genau 1000 Tage vor Beginn der Winterolympiade 2022, veranstaltete Chongli

 eine Skiaufführung zur Einstimmung auf die Spiele.

 

Weiß bringt den Wohlstand

 

Laut Chinas „Plan zur Entwicklung des Schnee- und Eissports (2016–2025)“, der vom Staatlichen Generalamt für Sport gemeinsam mit drei anderen Behörden veröffentlicht wurde, will China die landesweite Popularisierung des Wintersports in den kommenden Jahren stark fördern. Bis 2025 will man rund 300 Millionen Menschen für den Wintersport gewinnen.

 

Während seiner Inspektionsreise nach Chongli am 23. Januar 2017 betonte Staatspräsident Xi Jinping die Wichtigkeit einer guten Positionierung des Ortes. Chongli bleibe Chongli und müsse sich auf Skisport konzentrieren. In Zukunft müsse Chongli nicht nur ein Zielort für professionelle Skifahrer, sondern auch eine Destination für Freizeitsportler werden, so Xi. Beim Aufbau Chonglis zu einem Wintersportort sollten zudem chinesische Elemente und lokale Besonderheiten herausgestellt werden, sagte der Staatspräsident.

 

Um dies zu erreichen, legte die Stadtregierung Zhangjiakou einen eigenen Entwicklungsplan für die Winterindustrie vor. Darin wird die Verbesserung der unterstützenden Infrastruktur als wichtige Voraussetzung für die weitere Entwicklung der Branche betont. Innerhalb von knapp fünf Jahren wurden daraufhin Straßen erweitert und ein regionales Verkehrsnetz aufgebaut. Es wurden Sternehotels eröffnet und einheimische Bauern haben ihre Wohnhäuser in Gaststätten und Herbergen umgebaut, wodurch sich die Bedingungen für die Unterbringung stark verbessert haben. Bald sollen zudem eine Schnellstraße und eine Hochgeschwindigkeitsbahn zwischen Beijing, Chongli und Zhangjiakou in Betrieb gehen.

 

Die neuerlichen Chancen rufen auch zahlreiche Geschäftsleute auf den Plan, die nach Chongli kommen, um in die Schneebranche zu investieren. Laut Wang Sizhou, stellvertretender Sekretär des Parteikomitees des Bezirks Chongli, seien das Klima und die Topographie hier bestens für das Skifahren geeignet. „Vier unserer Skigebiete haben es in die Top Ten der beliebtesten chinesischen Skigebiete der Saison 2018/2019 geschafft“, berichtet er.

 

Darüber hinaus beschleunigt die Stadtregierung Zhangjiakou auch den Bau eines Industrieparks für Sportartikel, um Hersteller hochwertiger Wintersportartikel anzuziehen. Auch ein Inkubator für verwandte Forschung und Entwicklung befindet sich im Bau. Ziel ist es, eine vollständige Industriekette, von Forschung und Entwicklung über die Herstellung und den Verkauf von Sportartikeln bis hin zu Trainings- und Ausbildungsangeboten, Tourismus und Dienstleistungen herauszubilden.

 

„Wir werden kommerzielle und professionelle Spiele auf Weltniveau veranstalten und kontinuierlich daran arbeiten, unseren Service zu verbessern“, zeigt sich Zhao Qiong, geschäftsführender Vizedirektor des Büros des Skigebietes Genting selbstbewusst. In Genting werden 2022 die olympischen Wettbewerbe für Freestyle-Skiing und Snowboarding ausgetragen. „Wir müssen alles geben, um den Athleten und allen Gästen hochwertige Unterkünfte und beste medizinische Versorgung zu bieten“, betont er.

 

Die boomende Schneeindustrie lockt auch verschiedene Talente in die Region. Skitrainier Zhao Qiang, der ursprünglich aus der nordostchinesischen Provinz Heilongjiang stammt und lange in Beijing arbeitete, ist eines davon. Nach der Eröffnung des Skigebiets Genting kündigte er seine Stelle in der Hauptstadt, um nach Chongli zu kommen. „Hier gibt es deutlich bessere Perspektiven als in meiner Heimatstadt. Außerdem lebt es sich weniger stressig als in Beijing“, erklärt er. „In den letzten zwei Jahren sind immer mehr Skifahrer hierhergekommen, wodurch natürlich auch die Nachfrage nach Skilehrern stark gestiegen ist.“

 

Chinas Skimarkt birgt insgesamt ein großes Potenzial, das nun darauf wartet, erschlossen zu werden. Laut dem Bericht über den globalen Skimarkt 2019 aus dem April dieses Jahres wuchs der chinesische Skisportmarkt in der Saison 2017/2018 rasant. Mit der weiteren Erhöhung der Konsumkraft der Chinesen dürfte der Skitourismus in Zukunft noch mehr Menschen mit hohem und mittlerem Einkommen anziehen.

 

 

Hochgeschwindigkeitszug auf der Strecke Beijing-Zhangjiakou: Die Infrastruktur in Chongli wurde

 im Zuge der Olympiavorbereitungen stark ausgebaut.

 

Aufwind auch für andere Branchen

 

Doch es sind längst nicht nur Skifahrer, die Chongli als touristisches Ziel für sich entdeckt haben. 2018 pflanzte der Ort auf einer Fläche von 419.000 Mu (15 Mu = 1 Hektar) neue Bäume an, wodurch die Bewaldungsrate auf 67 Prozent stieg. Seither hat Chongli zusätzlich zum Skivergnügen in den Wintermonaten in allen vier Jahreszeiten etwas zu bieten: ein Blütenmeer im Frühling, angenehmen Schatten in den Sommermonaten und ein malerisches Landschaftsbild im Herbst.

 

Aufgrund der touristischen Naturressourcen und der boomenden Winterbranche haben sich viele lokale Unternehmen entschlossen, die Schneebranche weiter auszubauen. Es wurde ein neues Geschäftsmodell eingeführt, das Skifahren, soziale Kommunikation, Tourismus und wissenschaftliche Forschung umfasst. Ziel ist es, nicht nur Kurz- und Wochenendurlauber sondern auch Langzeittouristen und Stammgäste anzuziehen.

 

Nach Ansicht von Zhang Jianchen, Direktor der Abteilung für strategische Entwicklung am Emerging Marktes Institute der Beijing Normal University, haben die Olympischen Winterspiele die Wirtschaftsentwicklung des Bezirks Chongli auf nationaler Ebene angekurbelt. Angetrieben von der Schneebranche werde Chongli langfristig ganz insgesamt eine bessere Entwicklungsperspektive haben.

 

„In der Region Beijing-Tianjin-Hebei leben Millionen von Verbrauchern mit hohem Einkommen. Das ist ein riesiger Markt“, sagt Guo Meihong, geschäftsführende Vizepräsidentin der Forlong Group. Nach der Eröffnung der Hochgeschwindigkeitsstrecke und der Autobahn in die Region werde es weniger als eineinhalb Stunden dauern, von Beijing oder Tianjin nach Chongli zu kommen. „Für die Menschen in Beijing und Tianjin wird Chongli auch nach der Winterolympiade das nächstgelegene und damit ein bevorzugtes Skigebiet sein“, so ihre Prognose.

 

Neben dem Wintersport will sich Chongli auch als Kongress- und Tagungszentrum einen Namen machen und so weitere Besucher anlocken. Wie das schweizerische Davos verfügt der Ort über ein insgesamt sehr angenehmes Umfeld, was den Ort auch jenseits der Wintersaison für Urlaub- und Freizeitgestaltung sehr attraktiv macht. Konferenz- und Tagungsteilnehmer könnten die Auslastung der örtlichen Hotels weiter steigern und auch die Entwicklung der lokalen Gastronomie ganzjährig fördern.

 

Um mehr Besucher anzulocken, hat Chongli auch gezielt verschiedene Geschäfte angesiedelt. Immer mehr Fitnessstudios, Sportartikelläden, Lebensmittelgeschäfte, Bars und Cafés rund um den Skisport wurden errichtet. Zusätzlich sorgt der Ausbau des Kulturprogramms mit Events wie Konzerten und Musikfestivals für Unterhaltung und Abwechslung. „Um die lokalen Ressourcen besser zu nutzen, werden wir in der Schneesaison zusätzlich auch Wintercamps und im Sommer zum Beispiel Bergmarathons veranstalten“, sagt Zhao Qiong.

 

Laut Tian Yongjun, dem Direktor der Sportbehörde des Bezirks, plane man Schneesport und allgemeine Freizeitgestaltung, die Besichtigung von Sehenswürdigkeiten sowie Erholungsangebote und Gesundheitsprogramme zu integrieren, um die Industriekette weiter auszubauen. „Auf diese Weise wird Chongli dauerhafte Anziehungskraft auf sportbegeisterte Familien ausüben“, sagt er.

 

Bei ihren Anstrengungen orientieren sich Chonglis Unternehmen an internationalen Standards. „Neben Hotels errichten wir auch Geschäftskomplexe, um den Verbrauchern Gastronomie, Unterkunft, Einkaufsmöglichkeiten und Unterhaltungsangebote zu bieten“, sagt Guo. „Darüber hinaus arbeiten wir noch mit Krankenhäusern und Fitnesszentren zusammen, damit auch das körperliche Wohlbefinden nicht zu kurz kommt“, fügt er hinzu. Für die Zukunft sei zudem denkbar, spezielle Gesundheits- und Wellnesszentren zu errichten, da Chongli über gesunde Lebensmittel und eine gute Luftqualität verfüge. „Auf Grundlage aller öffentlichen Einrichtungen werden wir nach den Olympischen Spielen eine vollständige Dienstleistungskette entwickeln, so dass die hiesigen Unternehmen ihre Stärkung voll zur Geltung bringen können“, so Guo.   

 

*Zuo Lin ist Journalistin von „China Report“.

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