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Corona-Epidemie: Ausländische Investoren kehren China nicht den Rücken

2020-05-19 16:54:00 Source:China heute Author:
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Von Zhou Lin

 

Angesichts der globalen Corona-Krise wurden in den USA jüngst Stimmen seitens der Medien und einiger Politiker laut, amerikanische und andere ausländische Unternehmen planten einen Rückzug aus China und eine Verlagerung ihrer Geschäfte in andere Länder. Was ist dran an solchen Behauptungen? „China heute“ wollte es herausfinden und hat mit Vertretern der US-Außenhandelskammer an den Standorten Beijing und Shanghai sowie den Verantwortlichen einiger ausländischer Unternehmen in China gesprochen.

 

Erfolgreiche Wiederaufnahme der Produktion

 


Blick in eine Werkhalle von JLG in Tianjin: Seit der Wiederaufnahme der Produktion am 23. Februar ist eine der örtlichen Produktionslinien der Firma wieder voll ausgelastet.


Wir besuchen zunächst eine Werkhalle der JLG Equipment Technology Co., Ltd am Standort Tianjin. Hier laufen zwei Produktionslinien wieder rund um die Uhr. „Im vergangenen Dezember haben japanische Kunden 200 Maschinen bei uns bestellt. Seitdem stehen wir in engem Kontakt, um den Lieferplan einzuhalten“, erzählt uns Lawrence Zhu, Generalmanager der Tianjiner Niederlassung des US-Unternehmens im Interview. „Wegen der Corona-Epidemie in China standen unsere Maschinen erst einmal drei Wochen still, bevor die Produktion am 23. Februar wieder hochgefahren werden konnte. Jetzt machen wir Überstunden, um den Rückstand nach und nach wieder aufzuholen“, sagt Zhu.

 

JLG Tianjin wurde im Jahr 2008 gegründet und ist in der Freihandelszone der Küstenmetropole vor den Toren Beijings angesiedelt. Das Unternehmen ist eine Tochtergesellschaft der US-Firma JLD Industries, ein weltweit führender Entwickler, Hersteller und Vermarkter von sogenannten Zugangsgeräten, darunter etwa Hubarbeitsbühnen und Teleskopstapler. Außerdem bildet das Tianjiner Tochterunternehmen das erste Werk der Firma in Asien. 2019 realisierte die Tianjiner Niedrlassung Gewinnzahlungen und Steuerumsätze in Höhe von 110 Millionen Yuan.

 

Die Stahlplatten für die Teleskopstapler werden aus Schweden importiert, der Versand dauert in der Regel zwei Monate. „Vor dem chinesischen Neujahrsfest haben wir dem schwedischen Lieferanten die Rohstoffe bezahlt. Der dreiwöchige Produktionsstopp hat unsere Einnahmen dann allerdings verzögert, sodass es zu einem vorübergehenden Liquiditätsengpass kam“, erzählt Zhu.

 

Zum Glück brachte die Stadtregierung Tianjin rasch ein Paket mit 21 Vorzugsmaßnahmen zur Kosten- und Steuerermäßigung auf den Weg, von dem auch Unternehmen mit ausländischer Kapitalbeteiligung wie JLG profitierten. Die Tianjiner Handelsbehörde war damals die erste Regierungsstelle, die sich mit JLG Tianjin in Verbindung setzte. Ihr folgten die Behörde für Personalressourcen und das Amt für soziale Sicherheit sowie Vertreter des Tianjiner Hafens und des Verwaltungskomitees der örtlichen Freihandelszone.

 

Tianjin setzte darauf, die Top 300 Unternehmen unter den Steuerzahlern der Stadt sowie Firmen, deren vertragliche Auslandsinvestitionen 100 Millionen US-Dollar übertraffen und auch alle örtlichen Branchenführer schwerpunktmäßig zu unterstützen. JLG Tianjin erfüllt alle dieser drei Kriterien. Dank der Vermittlung der Handelsbehörde befreite der Hafen Tianjin die Firma während des dreiwöchigen Produktionsstopps vorübergehend von den sonst fälligen Lagerbestandsgebühren für Rohstoffe, sodass die reibungslose Anlieferung und Zwischenlagerung der gesamten Fracht von JLG sichergestellt werden konnte.

 

Darüber hinaus befreiten die örtlichen Behörden das Unternehmen teilweise von den sonst anfallenden Sozialversicherungsgebühren. „Von Februar bis Juni wurden unsere Sozialversicherungsbeiträge um 50 Prozent gesenkt. Der ermäßigte Betrag beläuft sich auf 3,26 Millionen Yuan“, erklärt Zhu. Außerdem arrangierte man Vergünstigungen in Bezug auf die Unterkunftsgebühren von Arbeitern und die Nebenkosten des Unternehmens. „Das hat uns eine beträchtliche Geldsumme erspart und uns kurzfristig aus der Klemme geholfen“, sagt Zhu.

 

Das Unternehmen JLG zählt in China zudem mehr als 30 inländische Lieferanten, welche die Firma im Jahr durchschnittlich mit Waren und Rohstoffen im Wert von 1,5 Milliarden Yuan beliefern. Die schnelle Wiederaufnahme der Produktion des Unternehmens half der gesamten Produktionskette rasch wieder auf die Beine, sodass mittlerweile wieder volle Kapazität erreicht wurde. 

 

Um den lokalen Unternehmen bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen unter die Arme zu greifen, richtete die städtische Handelsbehörde zudem in Zusammenarbeit mit der Freihandelszone Tianjin eine Kooperationsplattform zwischen Banken, Regierung und Unternehmen ein. Auf ihr wurde ein grüner Kanal für Unternehmen eröffnet, so dass diese unbürokratisch Dienstleistungen von Finanzinstitutionen in Anspruch nehmen und so ihren Bedarf an Finanzierung decken konnten. Die Tianjiner Filiale der Bank of China beispielsweise gewährte JLG auf diesem Wege in kurzer Zeit ein wichtiges Darlehen in Höhe von 300 Millionen Yuan.

 

Dank des frischen Kapitals gewann die Produktion des Maschinenbauers schnell wieder an Fahrt. Eine der unternehmenseigenen Produktionslinien ist mittlerweile wieder voll ausgelastet, eine weitere hat den Normalbetrieb wieder aufgenommen.

 

Ausbau der Produktionskapazitäten in China geplant

 

Noch im Januar 2020 investierte JLG Tianjin 18 Millionen US-Dollar in den Bau einer neuen Smart Factory. Die Anlage soll eine Gesamtfläche von 258.000 Quadratmetern umfassen und bis Ende des Jahres in Betrieb gehen. In Zukunft sollen hier jährlich mehr als 5000 Teleskopstapler im Wert von drei Milliarden Yuan vom Band rollen.



Spatenstich für die Smart Factory: Am 10. Januar nahm Frank Nerenhausen, Präsident von JLG Industries Inc., an der Zeremonie zur Grundsteinlegung der in Tianjin geplanten intelligenten Fabrik des Unternehmens teil. Diese soll bis Ende des Jahres in Betrieb gehen.

 

Das neue Werk werde vollständig automatisiert sein, erklärt uns Zhu. „Alle Bestellungen werden per Computer an die Produktionslinien übermittelt, wo Roboter dann automatisch die Produktion aufnehmen, einschließlich Sprühlackieren, Schweißen, Montage und Abtransport“, so der Generalmanager. „Dieses intelligente Fertigungssystem wurde 2019 in die Liste der intelligenten Hersteller von Tianjin aufgenommen. Es soll Teil einer internationalen Demonstrationsbasis für die Herstellung von Zugangs- und Hebemaschinen werden.“

 

„Wir verzeichnen bei den Zugangs- und Hebemaschinen in China ein durchschnittliches jährliches Umsatzplus von mehr als 50 Prozent. Das ist auch der Grund, weshalb wir in den Bau dieser intelligenten Fabrik in Tianjin investiert haben“, erklärt uns William Gu, Generalmanager von JLG Asia Pacific. China spiele in der globalen Geschäftslandschaft des Gesamtunternehmens eine immer wichtigere Rolle, daran habe auch die Corona-Epidemie nichts geändert, so Gu. Laut ihm plane JLG als Branchenführer nicht nur seine Entwicklung in China als Teil seiner langfristigen Strategie zu vertiefen, sondern außerdem die Niederlassung in Tianjin zu einem Zentrum zur Befriedigung der Nachfrage im asiatischen Raum auszubauen, so der Topmanager.

 

Auch BMW erweitert Produktionskapazitäten

 

Auch der deutsche Autobauer BMW ist dabei, seine Produktionskapazitäten in China kräftig auszubauen. „China ist unser größter Markt. Wir zählen hier mehr als 400 Lieferanten und in Zukunft dürfte die Zahl unserer Kooperationspartner noch weiter steigen. Das Angebot folgt der örtlichen Nachfrage“, sagt Jochen Goller, Präsident und CEO der BMW Group für die Region Greater China. 

 

In Bezug auf die Behauptung, viele ausländische Firmen planten aufgrund der Corona-Krise ihre Produktionskette aus China zu verlagern, betont Goller, die BMW Group werde an ihrer bisherigen Strategie festhalten. „Wir verfolgen einen langfristigen Entwicklungsplan und haben bereits mit dem Bau unserer neuen Fabrik in Shenyang begonnen. Laut Plan wird sich dadurch unsere Produktionskapazität verdoppeln“, sagt er. „Noch in diesem Jahr wird zudem die zweite Phase unserer Montagelinie für Hochspannungsbatterien in Betrieb gehen, die Batterien für unsere E-Autos herstellen wird. Ich glaube, dass die Corona-Epidemie unsere Lokalisierung in China teils sogar beschleunigen dürfte, einfach weil wir auf unserem größten Markt überleben wollen“, sagt der Topmanager. 

 

US-Unternehmen zeigen sich zuversichtlich

 

„Im Unterschied zu den Berichten einiger ausländischer Medien zeigt eine aktuelle Umfage, die wir unter US-Unternehmen in China durchgeführt haben, dass die Mehrheit unserer Mitglieder keine Pläne hat, den chinesischen Markt zu verlassen“, sagt Alan Beebe, Präsident der US-Außenhandelskammer in China. Natürlich gebe es einige Unternehmen in bestimmten Branchen, die sich dafür entschieden, Märkte außerhalb Chinas zu erkunden oder in die USA zurückzukehren, so Beebe. „Jedoch wird dies ein kostspieliger, zeitaufwendiger und weitgehend irreversibler Prozess sein“, gibt er zu bedenken. Beebe betont, dass China in Sachen wirtschaftliche Erholung im Zuge der Epidemiebekämpfung weltweit führend sei. „Zudem hat sich an den Gründen, weshalb viele ausländische Unternehmen in den chinesischen Markt eintreten wollen, nichts geändert“, sagt der Wirtschaftsexperte.



Alan Beebe, Präsident der amerikanischen Außenhandelskammer in China

 

Die von Beebe erwähnte Umfrage wurde im März 2020 von den Vertretungen der US-Außenhandelskammer in Beijing und Shanghai in Zusammenarbeit mit PwC China durchgeführt. Untersucht wurden die Auswirkungen der Covid-19-Epidemie auf die Entwicklungsstrategie amerikanischer Firmen. Dabei wurden 25 amerikanische Unternehmen, die seit mindestens einem Jahrzehnt oder sogar mehr als zwei Jahrzehnten in China präsent sind, befragt. 

 

56 Prozent der befragten Firmen werteten die beschleunigte Genehmigung der Regierung zur Wiederaufnahme der Produktion als die hilfreichste wirtschaftliche Maßnahme während der Epidemie. Alle Befragten gaben zudem an, dass die Vorzugsmaßnahmen, die für inländische wie ausländische Unternehmen gleichermaßen gelten, dazu beigetragen hätten, den Druck auf die örtlichen Lieferketten zu verringern. Über 70 Prozent der befragten US-Firmen erklärten, sie hätten derzeit keine Pläne, ihre Produktions- und Lieferketten oder die Materialbeschaffung an andere Standorte außerhalb des Landes zu verlagern.

 

In der Tat führte die US-Außenhandelskammer bereits im Oktober 2019 eine ähnliche Umfrage durch, um Probleme in Bezug auf die Lieferketten, mit denen sich US-Unternehmen in China konfrontiert sehen, zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigten, dass die Einführung von Zöllen durch die USA und China die Lieferkettenkosten amerikanischer Firmen in China erhöht hatten. Doch in den vergangenen zwei Jahren hatten dennoch nur weniger als 20 Prozent der befragten Unternehmen damit begonnen, ihre Produktion in andere Standorte außerhalb Chinas zu verlagern, um die negativen Auswirkungen steigender Zölle abzufedern. Stattdessen gab ein Großteil der befragten Firmen an, man versuche die eigene Wettbewerbsfähigkeit dadurch zu erhöhen, dass man größeren Wert auf Betriebsverbesserung, digitalisierte Transformation und die Verbesserung des Lieferkettenmanagements lege. 63 Prozent der befragten US-Unternehmen gaben damals an, man wolle verstärkt in neue Technologien investieren, um die Fertigung zu automatisieren und so die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.

 

Als führender multinationaler Finanzdienstleister prognostiziert Morgen Stanley, dass sich die Verlagerung der Lieferketten aufgrund der Covid-19-Pandemie sogar eher verlangsamen als beschleunigen dürfte. Der Grund hierfür liege einfach darin, dass für eine Umsiedlung Geld benötigt werde. Im Schatten globaler wirtschaftlicher Rezession bestehe die oberste Priorität multinationaler Unternehmen darin, die eigene Liquidität zu wahren und Investitionen zu reduzieren. 

 

China jedenfalls hat seine kompetente Managementfähigkeit bei der Wiederaufnahme der Produktion eindrucksvoll unter Beweis gestellt und zeigt in der Fertigungsindustrie zahlreiche Vorteile gegenüber anderen Schwellenländern. Angesichts der Auswirkungen der Pandemie dürfte in Zukunft größerer Wert auf den Aufbau digitaler Infrastruktur gelegt werden. Hier kommt China zugute, dass das Land bei der Anwendung der 5G-Technologie, der Errichtung großer Rechenzentren und dem Aufbau von Einrichtungen für das Internet der Dinge bereits gute Erfolge vorzuweisen hat.

 

„Die US-Unternehmen in China sind stets dynamisch und flexibel“, sagt Ker Gibbs, Präsident der US-Außenhandelskammer Shanghai. Er betont, dass seine Mitgliedsunternehmen angesichts der Epidemie zwar durchaus Anpassungen ihrer lokalen Geschäftsstrategien erwögen, aber keineswegs planten, dem chinesischen Markt den Rücken zu kehren. 

 

 

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