Xu Benyu, stellvertretender Sekretär des Parteikomitees des Kreises Zigui in der Provinz Hubei, fördert den Verkauf lokaler Agrarprodukte über ein Livestream-Event.
Von Liu Chang
„Ich habe Regan-Nudeln aus Wuhan und Kartoffeln aus Enshi gekauft“, „Ich empfehle Ihnen gebratenen Reis aus Hubei!“, „Im Live-Streaming-Verkaufsraum habe ich viele leckere lokale Snacks erstanden. Nach der Epidemie will ich nach Wuhan reisen, um vor Ort den lokalen Sojabohnensnack ,Doupi’ zu probieren“, „Wir Chinesen sind eine große Familie. Deshalb unterstütze ich die Provinz Hubei, indem ich lokale Produkte von dort kaufe!“
„Kauf Produkte aus Hubei!“ - dieser Slogan ist auf Chinas Social-Media-Plattform Weibo seit dem Start einer Reihe von Livestreaming-Veranstaltungen zur Unterstützung der Provinz Anfang April zu einem heißen Thema avanciert. Mehr als 540 Millionen Menschen haben die Weibo-Seite der Aktion bereits besucht, 139.000 Kommentare hinterlassen. Viele chinesische Internetnutzer möchten so die von der Corona-Epidemie besonders stark betroffene Provinz Hubei durch den Kauf lokaler Produkte wirtschaftlich wieder auf die Beine bringen, was die große Unterstützung der chinesischen Bevölkerung für die Wirtschaftserholung der Provinz spiegelt.
Influencer Marketing fördert Verkauf von Hubeier Produkten
Nach der erfolgreichen Eindämmung der Epidemie wurden Produktion und Arbeit in China landesweit schrittweise wieder aufgenommen. Auch die Märkte im ganzen Land öffneten nach und nach wieder ihre Pforten. Doch die Verkaufskanäle für landwirtschaftliche Produkte aus Hubei waren aufgrund der Coronakrise lange eingeschränkt, was den Lebensunterhalt vieler Landwirte und Unternehmer stark beeinträchtigte.
Am 27. März initiierten daraufhin verschiedene Radio- und Fernsehsender eine Promo-Aktion zum Verkauf lokaler Produkte aus der krisengebeutelten Provinz, was großen Widerhall bei Menschen aus allen Gesellschaftskreisen fand. Medienmoderatoren, Regierungskader verschiedener Ebenen sowie Internetstars, E-Commerce-Unternehmen und verschiedene Videoplattformen legten sich mächtig ins Zeug, um die Aktion zu unterstützen. Dank der engen Zusammenarbeit aller Seiten wurde das Experiment letztlich zum großen Erfolg.
Am 1. April schloss sich die Abteilung für neue Medien von CCTV mit mehr als 20 bekannten E-Commerce-Unternehmen wie Taobao, Jingdong und Pinduoduo zusammen, um eine große Wohltätigkeitsveranstaltung zur Bestellung Hubeier Produkte zu starten. Eine der an diesem Tag Anwesenden Kader war Zhang Yuanmei, die Sekretärin des Parteikomitees der Hubeier Stadt Honghu. Sie war dabei im von CCTV und Pinduoduo gemeinsam errichteten Live-Streaming-Raum zur Vermarktung lokaler Erzeugnisse und demonstrierte live, wie man Suppe mit Schweinekotelett und Lotoswurzel zubereitet, eine lokale Spezialität der Provinz. Mehr als 20 Millionen Internetnutzer verfolgten das Event im Livestream - ein gelungener Marketingcoup für lokale Lotoswurzeln aus Honghu.
Am Abend des 6. April fand eine weitere Livestream-Veranstaltung für den Verkauf von 16 Agrar- und Nebenprodukten aus Hubei statt, darunter auch die eingangs erwähnten typischen Regan-Nudeln sowie lokaler Tee. CCTV-Nachrichtenmoderator Zhu Guangquan und Internet-Celebrity Li Jiaqi führten durch das Onlineevent. Die Veranstaltung lockte letztlich 122 Millionen Zuschauer vor die Handy- und Computerbildschirme, der Umsatz belief sich auf stattliche 40,14 Millionen Yuan. Am 12. April nahmen die beliebte CCTV-Moderatorin Ouyang Xiadan, der Vize-Bürgermeister von Shiyan, drei chinesische Schauspielgrößen sowie 66 Influencer der Videoplattform Kuaishou an einer Livestreaming-Veranstaltung teil, die zeitgleich über CCTV, Kuaishou und Weibo ausgestrahlt wurde. 127 Millionen Internetnutzer verfolgten das Onlineevent. Dank der gemeinsamen Initiative wurden bis zum 19. April 796.000 Tonnen Agrar- und Nebenprodukte aus Hubei mit einem Umsatz von mehr als 100 Millionen Yuan verkauft.
Seitdem zielen ähnliche Livestream-Events nicht mehr nur darauf ab, Produkte aus der Provinz Hubei zu vermarkten. Das neue Geschäftsmodell wird in China mittlerweile landesweit angewendet, um den Inlandskonsum zu stimulieren und die Auswirkungen der Coronakrise abzufedern. Am 1. Mai nahmen die vier CCTV-Jungstars Kang Hui, Sa Beining, Zhu Guangquan und Nigemaiti gemeinsam an einer Livestream-Aktion mit dem Namen „Kampf für ein besseres Leben“ teil. Alle angebotenen Fernseher, Waschmaschinen und Klimaanlagen waren im Handumdrehen ausverkauft, der Gesamtumsatz belief sich auf über 528 Millionen Yuan.
Ein weiteres Beispiel ist die „Beijing Consumer Season“, die am 6. Juni eröffnete. Die vier CCTV-Stars arbeiteten erneut zusammen, diesmal mit Chunni, einer berühmten Moderatorin von Beijing TV, um Influencer-Marketing per Livestream von einem Showroom auf der beliebten Einkaufsmeile Wangfujing zu betreiben. Auf der Veranstaltung mit dem Titel „Neuer Konsum, Liebe für das Leben“ bewarben die Promis verschiedenste Produkte wie Lebensmittel, Elektroartikel, Haushaltsgeräte und Autos. Die Veranstaltung dauerte drei Stunden und spielte 1,39 Milliarden Yuan ein.
Die großen Umsätze derartiger Streaming-Events zeigen nicht nur den spektakulären Effekt des neuen Influencer-Marketings, sondern auch Chinas unverändert hohes Potenzial an Inlandsnachfrage selbst nach der Corona-Epidemie.
Neue Konsumformen als Zugpferd
Influencer-Marketing bezeichnet alle E-Commerce-Geschäftsmodelle, bei denen Produkte mithilfe von Internetplattformen und -technologien online beworben und verkauft werden. Letztlich handelt es sich um die logische Weiterentwicklung des traditionellen Tele-Shoppings. In den letzten Jahren hat die schnelle Entwicklung der Internettechnologie viele neue Möglichkeiten und Plattformen in verschiedenen Bereichen geschaffen. Das neue Geschäftsmodell des Influencer-Marktings ist eines der Ergebnisse dieser schnellen Entwicklung. Dadurch wurde das TV-Shopping auf das Mobiltelefon verlagert, was sowohl Verkäufern und als auch Verbrauchern neue Möglichkeiten und Erleichterung bietet. Niedrige Preise, Livetests durch Onlinemoderatoren, Interaktionen in Echtzeiten und gelegentliche Gewinnspiele - dieser Mix ist das Erfolgsrezept, das die Konsumenten vor die Bildschirme lockt und letztlich zum Kaufen animiert.
In der Brokatbasis Guai Yaomei der ethnischen Gruppe der Tujia in Zhangjiajie (Provinz Hunan) präsentieren Verkäufer ihre Kunsthandwerkprodukte per Livestream.
Der Boom des Influencer-Marketings wird in China insbesondere nach dem Ausbruch der Corona-Epidemie deutlich. Die steigende Nachfrage der Verbraucher wurde von der Coronakrise nicht beeinträchtigt und besitzt immer noch großes Potenzial. Inzwischen sind neue Konsumformen, neue Branchen und neue Geschäftsmodelle entstanden und entwickeln sich rasant. Nach Angaben des chinesischen Handelsministeriums fanden im ersten Quartal 2020 mehr als vier Millionen Livestream-Events auf Chinas E-Commerce-Plattformen statt. Über 100 Regierungskader waren im Livestreaming-Raum anwesend, um lokale Produkte zu bewerben und zu verkaufen. Laut der E-Commerce-Plattform Taobao habe sich die Zahl neuer Händler, die Livestreaming-Plattformen nutzen, zwischen Januar und Februar verachtfacht. Das Umsatzvolumen im März sei um 160 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum geklettert.
Mittlerweile hat Livestreaming Einzug in den Mainstream gehalten, wird von immer mehr chinesischen Verbrauchern angenommen. Es hat sich zu einem neuen normalen Kanal entwickelt, um den Umsatz zu fördern und neue Einnahmequellen zu erschließen.
80-Jährige Seniorin wird zum Livestream-Hit
Die 80-jährige Cui Shuxia stammt aus einem ländlichen Gebiet der zentralchinesischen Provinz Shaanxi. Eines Tages sprang sie für ihren verhinderten Enkel beim Livestreaming ein und verkaufte an seiner Stelle Aprikosen. Unerwartet zog die Seniorin zahlreiche Fans an. Seitdem macht Cui online große Karriere. Fasziniert von ihrem schlichten, authentischen Erscheinungsbild, ihrem Humor und der von ihr geschaffenen rustikalen Atmosphäre sahen sich in weniger als einer Woche mehr als zehn Millionen chinesische Internetnutzer ihre Videos an. Im Durchschnitt wurden jeden Tag Aprikosen im Wert von 10.000 Yuan verkauft.
Inspiriert von CCTVs Livestream-Veranstaltung zur Unterstützung der Provinz Hubei haben auch verschiedene lokale Fernsehsender wie Hunan Satellite TV und Dragon TV aus Shanghai begonnen, Influencer-Marketing in ihre Unterhaltungsprogramme zu integrieren. Mithilfe der Glaubwürdigkeit der Mainstream-Medien sowie dem Einfluss berühmter Fernsehmoderatoren, Stars und Internetpromis ist es ihnen nicht nur gelungen, ihre TV-Programme aufzupeppen, sondern auch große Erfolge beim Verkauf von Agrar- und Nebenprodukten zu erzielen. So haben sie letztlich große Beiträge zur Armutsbekämpfung geleistet.
Doch natürlich ist wie bei jeder aufstrebenden neuen Branche zu Beginn nicht alles rosig. Um bestehende Probleme und Herausforderungen zu lösen, arbeitete die China Business Federation zwei nationale Standards aus, um den neuen Markt zu regulieren. Zum einen den Standard für den Betrieb und Service von Live-Video-Shopping, zum anderen den Leitfaden zur Bewertung über das Integritätsservice-System des Onlineshoppings. Diese zwei nationalen Standards wurden im Juli in Kraft gesetzt. Branchenkenner prophezeien dem Influencer-Marketing in China schon jetzt eine goldene Zukunft.