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Ab in die richtige Tonne! - Chinas neuer Trend zur Müllsortierung

2020-08-27 10:59:00 Source:China heute Author:
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Kinderleicht erklärt: Plakate zum Thema Mülltrennung zeigen den Anwohnern dieses Wohnviertels im Beijinger Bezirk Haidian, was in welche Tonne kommt.

 

Von Ye Xiaonan und Zhu Runhua*

 

Wohin mit übriggebliebener Milch? In welche Tonne gehören Speisereste? Und: Ist Einweggeschirr eigentlich recycelbar? Chinas Hauptstädter haben viele Fragen, seitdem am 1. Mai die revidierten Verwaltungsvorschriften für städtische Müllsortierung in Beijing offiziell in Kraft getreten sind. Mülltrennung ist zu einem neuen Trendthema avanciert - nicht nur im Gespräch mit Nachbarn und Freunden, sondern auch in den sozialen Netzwerken.

 

Nicht nur in Chinas Hauptstadt, sondern auch in vielen anderen Orten im Land wird derzeit das korrekte Sortieren von Haushaltsabfällen promotet. Die Lokalregierungen ergreifen verschiedenste Maßnahmen, um den Menschen Grundkenntnisse über die richtige Müllsortierung zu vermitteln. Die Mülltrennung soll den Chinesen in Fleisch und Blut übergehen, sie soll zu einem Stück Alltag werden, das letztlich das Leben aller ein Stück weit angenehmer macht. 

 

Richtig trennen will gelernt sein

 

Das Abfalltrennung für eine schöne und funktionierende Wohnumgebung wichtig ist, ist mittlerweile im Bewusstsein der meisten Chinesen angekommen. Aber was kommt denn nun in welche Tonne? Bei den Detailfragen gibt es noch die eine oder andere Wissenslücke. Nicht jeder weiß, was zu den Küchenabfällen, wiederverwendbaren Stoffen, gefährlichen Abfällen oder zum Restmüll zählt. Um Unsicherheiten zu nehmen, hat China neben Informationsaktionen verschiedener Art auch eigene Mülltrennungs-Apps an den Start geschickt, die den Menschen dabei helfen sollen, ihre Haushaltsabfälle zielsicher in den richtigen Container zu befördern.

 

Im Wohnviertel Sidaojie im Chengduer Stadtbezirk Qingyang funktioniert das gut. Hier gibt es eine farbenfrohe Galerie, die sich über mehr als 150 Meter erstreckt. Sie zeigt possierliche Pandas, die Wahrzeichen der Stadt. Die pelzigen Gefährten reiben sich nachdenklich die Stirn und stellen verschiedenste Fragen, um herauszufinden, was denn nun in welche der vier farbigen Mülltonnen soll. Ein pfiffiger Hirsch, der Lehrer in diesem Cartoon-Szenario, klärt geduldig alle Unklarheiten. In dieser 150 Meter langen „Klasse“ machen sich die kleinen Pandas nicht nur mit Grundsatzfragen wie „Was bedeutet Müllsortierung überhaupt?“ und „Warum ist Mülltrennung wichtig?“ vertraut, sie eignen sich auch praktische Fertigkeiten wie die umweltfreundliche Anwendung recycelter Materialien oder Jungpflanzenzucht durch Kompostierung von Küchen-, Obst- und Gemüseabfällen an.

 

Im Unterschied zu den allgemeinen Straßengemälden nimmt die Panda-Themenstraße im Wohnviertel Sidaojie lokale Elemente in sich auf, wie eben das Stadtmaskottchen - den Panda. Durch die geschickte Nutzung der Eckbereiche im Wohnviertel und unterhaltsame Cartoons sensibilisiert die Aktion geschickt und anschaulich für das Thema Mülltrennung. 

 

Doch die Panda-Themenstraße ist längst nicht alles, was sich das Wohnviertel ausgedacht hat, um unterhaltsam für richtige Mülltrennung zu werben. Es wurden noch viele andere Aktivitäten veranstaltet, um das Thema bekannter zu machen. Bei einem Eltern-Kind-Event trugen die Kleinen des Viertels spielerisch eine „Mülleimerattrappe“ auf dem Rücken, in die ihre Eltern den sortierten „Müll“ hineinwerfen sollten. Für jeden Treffer kassierten sie Punkte. Durch das spielerische Heranführen des Nachwuchses und die Interaktion zwischen Eltern und Kindern wurde das Thema allgegenwärtig gemacht. Durch Aktionen wie diese, sollen Recycling, Mülltrennung und Umweltschutz zentrale Konzepte des Alltags jeder Familie werden.

 

Ähnliche Veranstaltungen finden auch an vielen anderen Orten Chinas statt. So startete der Frauenverband der Stadt Beijing beispielsweise im März eine Kampagne mit dem Titel „Für ein schönes Familienleben - Müllsortierung, ich bin dabei!“ Dabei wurden kreative Arbeiten der Schüler rund um das Thema Müllsortierung gesammelt. Eltern und Kinder nahmen außerdem gemeinsam an einem Projekt zum Erlernen der richtigen Mülltrennung teil. Darüber hinaus wurden Cartoons zum Thema veröffentlicht, um den Inhalt der neuen Müllsortierungsvorschriften unter den Stadtbewohnern bekannter zu machen.

 

Feng Yichen, Lehrer an der Beijinger Grundschule Anwai Santiao, hat eigens ein kleines Programm geschrieben, mit dem sich abgelaufene Medikamente, Verpackungsbeutel für die Zutaten des beliebten Feuertopfes und andere schwer zu sortierende Abfälle leicht in die richtige Müllkategorie einordnen lassen.

 

Das Unternehmen Baidu entwickelte in Zusammenarbeit mit der Stadt Beijing und anderen Metropolen eine spezielle App für die Müllsortierung. Über sie kann man von überall und jederzeit über das mobile Internet per Spracheingabe sowie über Fotos und Texte nach Informationen in Bezug auf die korrekte Mülltrennung suchen.

 

Aktive Beteiligung der Menschen das A und O

 

Damit Müllsortierung funktioniert, ist die aktive Beteiligung jedes einzelnen gefragt. Nur so steigt das Gefühl, dass alle ein Stück Verantwortung tragen und jeder von den Neuerungen profitiert.

 

Einer, der sich aktiv am Sortieren von Abfällen beteiligt, ist Herr Wu aus Chengdu. Jeden Abend um acht Uhr räumt Herr Wu, der im Wohnviertel Sidaojie lebt, das Geschirr ab. Er sortiert sorgfältig alle Küchenabfälle, sie kommen später in die Biotonne des Wohnviertels. Dann nimmt Herr Wu sein Handy heraus und scannt den QR-Code der Müllsammelstelle, um Bonuspunkte für die richtige Mülltrennung abzusahnen. Diese kann er im nahegelegenen Supermarkt in umweltfreundliche Müllbeutel oder Artikel für den täglichen Bedarf eintauschen. 

 

„Zwar haben wir auch schon früher unseren Müll sortiert, jedoch längst nicht so gewissenhaft“, erzählt uns Herr Wu. „Für mich liegt der größte Fortschritt darin, dass es nun eine spezielle Tonne für Gefahrenstoffe gibt. Und natürlich im Bonuspunktesystem.“ Das sei ein echter Anreiz, sagt Wu.

 

Mittlerweile haben landesweit viele chinesische Städte ähnliche Maßnahmen zur Popularisierung der Müllsortierung auf den Weg gebracht. Abfälle sollen so in wertvolle Rohstoffe umgewandelt werden, sodass letztlich alle vom Müllsortieren profitieren.

 

Auch das Straßenkomitee der westlichen Chang'an-Straße in Beijing setzt auf ein Belohnungspunkte-System. Hier erhalten die Bewohner als Dankeschön für richtige Mülltrennung Agrarprodukte aus Armutsgebieten. Davon, dass sie durch richtige Müllsortierung einen Beitrag zur Armutsüberwindung leisten können, zeigen sich die Anwohner begeistert. In Zukunft plant das örtliche Straßenkomitee noch mehr Agrarprodukte aus Armutsgebieten anzubieten, damit die Bewohner mehr Auswahl haben und noch mehr von der Mülltrennung profitieren.    

 

Richtiger Abtransport der sortierten Abfälle

 

Für erfolgreiche Mülltrennung ist aber nicht nur die aktive Beteiligung der Stadtbewohner wichtig, auch der Abtransport der sortierten Abfälle spielt eine zentrale Rolle. 

 

Viele Städter stellen sich die Frage, was denn eigentlich nach dem Sortieren mit den entsorgten Abfällen geschieht. Ist es möglich, dass sich die verschiedenen Abfälle während des Abtransports im Müllwagen doch wieder vermischen? Um den Reinigungs- und Transportprozess effektiv zu überwachen, hat der Bezirk Jianggan der Stadt Hangzhou ein intelligentes Müllmanagementsystem entwickelt. Das Problem der richtigen Mülltrennung auch bei der Weiterverarbeitung löst hier das sogenannte „Smart Brain“ der Stadt. 

 

An der Rückseite jedes Müllwagens gibt es eine Vorrichtung zum Einhaken der Tonnen. Sie fungiert als Wiegesensor und ist gerade einmal so groß wie eine halbe Schuhschachtel. Vom Einhaken der vollen Tonnen bis zum Abschluss der Entleerung werden die Abfälle über diesen Sensor mehr als 50 Mal gewogen. Durch Berechnung und Vergleich wird so das Gewicht des Mülls präzise ermittelt. Die Fehlerquote liegt unter einem Prozent. Darüber hinaus ist auf dem LKW eine Kamera installiert, welche die Farbe der Mülltonnen, die Zusammensetzung des Oberflächenmülls darin sowie den Arbeitsprozess der Mitarbeiter der Stadtreinigung überwacht und die erfassten Daten in Echtzeit an eine Datenbank überträgt, sodass Vorschriftsverstöße schnell entdeckt und entsprechend weiterverfolgt werden können, etwa von der zuständigen Branchenaufsicht.

 

Auch beim Transport der Abfälle gibt es nämlich einiges zu beachten. Das intelligente Müllmanagementsystem der Stadt Hangzhou stützt sich auf eine Überwachungsmethode, die sich bereits im Busbetrieb bewährt hat. Durch ein vorinstalliertes Bordpositionierungssystem wird die aktuelle Position jedes Müllfahrzeugs in Echtzeit ermittelt. Diese Position wird dann mit der im System voreingestellten Route abgeglichen, um so die Müllentsorgung auf jeder Route genau zu überwachen.

 

Mit diesen Daten kann bei Regelverstößen eine lückenlose Beweiskette für die Strafverfolgung gebildet werden. Die vom System aufgezeichneten Zeiten, Fotos und Orte sind objektive Fakten, die für sich sprechen. Streitigkeiten in der Strafverfolgung gehören in Hangzhou seither der Vergangenheit an. Das intelligente System hat die Überwachungsarbeit für die Behörden deutlich erleichtert.

 

Nachdem eine Tüte Hausmüll die richtige Sortierung durch die Bewohner und den fachmännischen Abtransport per LKW durchlaufen hat, erreicht sie das letzte Glied der Müllentsorgungskette: Abbau und Recycling. Beide sind ebenfalls von großer Bedeutung und lenken entsprechende Aufmerksamkeit auf sich.

 

Die sechs Linien für die Behandlung feuchter Abfälle sind voll ausgelastet und können 1200 Tonnen feuchter Abfälle pro Tag entsorgen. Laut Plan können nach dem Bau des Zentrums für recycelte Baustoffe aus dem Biomüll täglich 56.000 ungebrannte Ziegel produziert werden. Das ist die Kapazität der zweiten Bauphase des Laogang Renewable Energy Utilization Center in Shanghai.

 

Beim Bau der zweiten Phase hat das Unternehmen modernste Anlagen zur Stromerzeugung durch Abfallverbrennung eingeführt. Darüber hinaus wird die Bioschlacke in Ziegel, Zement und andere Baumaterialien umgewandelt, was dazu beiträgt, dass in Shanghai städtische Abfälle in nützliche Ressourcen umgewandelt werden, was wiederum die Umwelt schont.

 

„Müllsortierung ist ein Großprojekt, das über eine ganze Kette von Stationen reicht“, sagt Yuan Xingzhong, Professor am Institute for Environmental Science and Engineering an der Hunan University. „Nur wenn die Sammlung, der Transport und die Behandlung der Abfälle allesamt gut bewerkstelligt werden, kann die Müllsortierung letztlich gute Ergebnisse erzielen“, sagt er. Er schlägt außerdem vor, dass die aus recycelten Ressourcen hergestellten Produkte im Anschluss gut sichtbar gekennzeichnet werden, damit Chinas Verbraucher die Erfolge der Müllsortierung mit eigenen Augen sehen können.

 

*Ye Xiaonan und Zhu Runhua sind Reporter der „People‘s Daily“.

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