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Chinas Öffnungsgefüge: Neue Freihandelszonen sollen den Weg bereiten

2020-11-30 16:19:00 Source:China heute Author:
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Moderne und Tradition Seite an Seite in Beijing: Aus der Vogelperspektive sieht man historische Bauten wie das Tor des ewigen Friedens (Yongdingmen)und Teile des Himmeltempels in unmittelbarer Nähe zum hochmodernen Central Business District. 

 

Von Yu Miaojie*

 

Im September 2020 gab der Staatsrat die Mitteilung über den Gesamtplan der Pilot-Freihandelszonen in Beijing, Hunan und Anhui sowie den Plan zur Erweiterung der Pilot-Freihandelszone Zhejiang bekannt. Es handelt sich um die sechste Gruppe von Pilot-Freihandelszonen, die seit dem Jahr 2013 bekanntgegeben worden ist. Mittlerweile finden sich damit in insgesamt 21 chinesischen Provinzen derartige Modellhandelszonen.

 

Am 1. September wies Xi Jinping, der Generalsekretär der KP Chinas, auf der 15. Sitzung der Kommission für die umfassende Vertiefung der Reformen beim Zentralkomitee der Partei darauf hin, dass es gelte, die Reformen weiter zu vertiefen und die Öffnung auf ein noch höheres Niveau zu bringen, um der Ausgestaltung des neuen Öffnungsgefüges starken Schub zu verleihen. Xi Jinping betonte, die Ausgestaltung dieses neuen Öffnungsgefüges müsse an die Strategie der koordinierten Entwicklung von verschiedenen Regionen sowie auch an die Strategie des Aufbaus der Pilot-Freihandelszonen angeknüpft werden. Bestimmte Regionen, die die nötigen Voraussetzungen erfüllen, sollten als erste durch Untersuchungen das neue Entwicklungsgefüge herausbilden und zu wichtigen Standorten der Erweiterung der Reform und Öffnung ausgebaut werden.

 

Im Einklang mit dem neuen Fünfjahresplan

 

Die oben angeführten Reden des chinesischen Staatspräsidenten zeigen die zentrale Bedeutung des Aufbaus der genannten drei neuen Pilot-Freihandelszonen. Ihr Aufbau steht im Einklang mit dem 14. Fünfjahresplan (2021 – 2025) und hebt die integrierte Entwicklung von Städtegruppen durch die Verbindung von Industrialisierung, Urbanisierung und landwirtschaftlicher Modernisierung hervor. 

 

Der Entwicklungsschwerpunkt der neuen Gruppe von Pilot-Freihandelszonen soll auf den Städteclustern im Großraum Beijing-Tianjin-Hebei, im Jangtse-Delta und am Mittel- und Oberlauf des Jangtse liegen. Durch den Aufbau der Beijinger Freihandelszone, für die der Genehmigungsprozess derzeit noch läuft, wird im Zusammenschluss mit den Freihandelszonen in Tianjin und Hebei ein neuer Freihandelszonengürtel entstehen. Die Freihandelszone in der Provinz Anhui wird sich nach erfolgreicher Genehmigung in den Wirtschaftsgürtel des Jangtse-Deltas integrieren. Und auch die Freihandelszone in der Provinz Hunan soll in Zukunft eine wichtige Funktion entfalten, nämlich den Anschluss an das Großbuchtgebiet Guangdong-Hongkong-Macao im Süden des Landes vollziehen. Durch sie soll zudem die Wirtschaftszusammenarbeit zwischen China und Afrika weiter intensiviert werden.

 

Als Highlights der Beijinger Freihandelszone gelten der Dienstleistungssektor und die Digitalwirtschaft. Vor dem Hintergrund der tief greifenden Veränderungen im globalen Wirtschaftsgefüge möchte China seine zentrale Position in der Wertschöpfungskette im asiatisch-pazifischen Raum weiter festigen und seine Funktionen noch besser entfalten. Hierfür ist es wesentlich, eine wissensintensive und digitalorientierte globale Wertschöpfungskette zu schaffen. In der Hauptstadt der Volksrepublik sind zahlreiche Firmenzentralen und führende Unternehmen konzentriert. Die Unterscheidung der Beijinger Freihandelszone von anderen Freihandelszonen unterstreicht die Entscheidung zu differenzierter Entwicklung und spiegelt überdies die großen Hoffnungen, welche die Zentralregierung auf Beijing setzt. Die neue Beijinger Freihandelszone soll eine einzigartige Rolle spielen und dabei helfen, die besondere historische Stellung Beijings besser zur Geltung zu bringen.  

 

Zudem zielt die strategische Positionierung der Beijinger Freihandelszone auch darauf ab, die Hauptstadt zu einem wissenschaftlich-technischen Innovationszentrums aufzubauen und die Verbindung mit anderen Reformen in der chinesischen Hauptstadt zu verstärken. Verschiedene Reformpilotprojekte mit den nötigen Voraussetzungen sollen in der Staatlichen Modellzone für selbstständige Innovationen Zhongguancun umfassend erprobt werden. Danach sollen die erfolgreichen Praxiserfahrungen schrittweise in der ganzen Stadt verbreitet werden. Was ihre Bedeutung angeht, lässt sich die Beijinger Freihandelszone in gewisser Weise mit der bestehenden Pilot-Freihandelszone Shanghai und dem im Juni dieses Jahres gegründeten Hainan-Freihandelshafen gleichsetzen. Wie diese zeigt sie eine einzigartige Richtung auf. 

 

Nach der Genehmigung der Beijinger Pilot-Freihandelszone dürfte die koordinierte Entwicklung des Ballungsraums Beijing-Tianjin-Hebei stark an Bedeutung gewinnen. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang eine einheitliche und differenzierte Koordinierung. Dabei geht es vor allem darum, sowohl Beijings Besonderheiten als Hauptstadt, Kulturzentrum sowie als wichtiger Standort führender Unternehmen und Konzernzentralen zur Geltung zu bringen, als auch die bedeutende Rolle der Provinz Hebei mit ihrer starken Fertigungsindustrie und der Wirtschafts- und Handelszone Beigou der Stadt Baoding zu entfalten. 

 

Diese im Norden des Landes befindliche Wirtschafts- und Handelszone ist ein wichtiger Umschlagplatz für Kleinwaren und vergleichbar mit der weltweit bedeutenden Messestadt Yiwu in der südostchinesischen Provinz Zhejiang. Wenn das Modell von Vertrieb und Produktion aus einer Hand in der Region Beijing-Tianjin-Hebei durchgesetzt wird, bedarf es vor Ort starker Innovationen. 

 

In der groß angelegten Modellzone sind die Häfen der Neuen Zone Binhai von Tianjin im vorderen Teil angesiedelt. Nachgelagert folgen die Fertigungsindustriezone der Provinz Hebei und eine Handelszone. Beijing soll derweil als Dienstleitungs- und Kulturzentrum die Führungsrolle spielen. Beijing, Tianjin und Hebei dürften sich als wichtige Akteure in Zukunft also noch besser ergänzen und sich Hand in Hand entwickeln. 

 

Freihandelszonenreformen in „Tiefwasserzone“ angelangt

 


In über 300 Metern Höhe nimmt ein Elektrotechniker aus der Stadt Zhoushan, Provinz Zhejiang, eine letzte Kontrolle an einem Strommast vor. Das Projekt der 500-KV-Hauptzuleitung dient der Stromversorgung der Zhejianger Freihandelszone.


Auch die zentralchinesische Provinz Hunan strebt seit langem den Aufbau einer eigenen Freihandelszone an. Als wichtiges geographisches Bindeglied zwischen dem Wirtschaftsgürtel am Mittelauf des Jangtses und dem Großbuchtgebiet Guangdong-Hongkong-Macao kann die Provinz mit eigenen Stärken punkten. Das Städtecluster am Mittellauf des Jangtses hat unter Chinas heute bestehenden fünf großen Städteclustern bereits eine beachtliche Entwicklung erfahren. Trotzdem verfügt die Gegend noch über reichlich Entwicklungsspielraum. 

 

Hunan hat bei seiner Wirtschafts- und Handelsentwicklung ausgelagerte Industrien aus der Provinz Guangdong aufgenommen. In diesem Prozess wurden Verarbeitungs- und Veredelungsindustrien zuerst aus dem Großbuchtgebiet Guangdong-Hongkong-Macao in den Norden der Provinz Guangdong und später auch in den Süden der Provinz Hunan verlagert. Man kann hier von einem Spillover-Effekt im Großbuchtgebiet oder dessen Erweiterung sprechen.

 

Insgesamt formt Hunan ein wichtiges Gebiet des Wirtschaftsgürtels am mittleren Jangtse. Die Provinzhauptstadt Changsha ist eine der drei zentralen Städte des dortigen Städteclusters und fungiert als Zugpferd der regionalen Wirtschaftsentwicklung.

 

Auch in der zentralchinesischen Provinz Anhui soll den Plänen zufolge diesmal eine Freihandelszone entstehen. Erstens bietet sich die Provinz an, einige nach Norden verlagerte Industrien aufzunehmen und zu bündeln. Zweitens warten die Regionen Wuhu und Ma’anshan am Jangtse jeweils mit eigenen Stärken auf. Durch die neue Freihandelszone wird eine noch stärkere Integration ins Jangtse-Delta möglich. Drittens bietet die renommierte University of Science und Technology of China eine wichtige Stütze, deren einzigartige Stärken sich entfalten lassen, wodurch die neue Freihandelszone einen besonderen Beitrag für die Integration der Wirtschaft entlang dem Jangtse leisten kann. In diesem Zusammenhang findet eine differenzierte Entwicklung der Metropole Shanghai und der Provinzen Jiangsu, Zhejiang und Anhui statt. Dabei kommen jeweiligen komparativen Stärken der einzelnen Orte gut zur Entfaltung. 

 

Geographisch gesehen verläuft die sogenannte Hu-Line mit einer Neigung von 45 Grad von Chinas Nordosten in den Südwesten des Landes. Die Landesfläche südöstlich dieser Linie macht zwar nur rund 40 Prozent des chinesischen Gesamtterritoriums aus, dennoch leben hier mehr als 90 Prozent der chinesischen Bevölkerung. Abgesehen von der zentralchinesischen Provinz Jiangxi, der Provinz Guizhou im Westen und der Provinz Shanxi im Norden sowie der Provinz Jilin im Nordosten sind sämtliche Provinzen des Landes heute von Freihandelszonen abgedeckt. 

 

Doch die Eröffnung weiterer Freihandelszonen auch in Provinzen und regierungsunmittelbaren Städten östlich der Hu-Line dürfte nur eine Frage der Zeit sein. In naher Zukunft dürften in sämtlichen Provinzen in Chinas Osten und Westen sowie in den zentralchinesischen Gebieten neue Freihandelszonen entstehen. Dies wird als weitere wichtige Maßnahme zur Ausgestaltung des umfassenden Öffnungsgefüges dienen, sprich es wird den Ausbau dieses Gefüges weiter beschleunigen.  

 

In den vergangenen Jahren konnte China beim Aufbau von Freihandelszonen basierend auf der Verarbeitungs- und Veredelungsindustrie bereits die erwünschte Wirkung erzielen, nämlich wie geplant die Verbindungslinien zwischen der Landesgrenze und den Freihandelszonen bzw. -häfen freizugeben und die Trennlinien zwischen Freihandelszonen bzw. -häfen und anderen Gebieten zu kontrollieren. Auch wird mittlerweile erfolgreich eine Negativliste angewendet, nach der alles betrieben werden kann, was gesetzlich nicht verboten ist. Auch wurden der Handel liberalisiert, Investitionen erleichtert, die Verwaltung verschlankt und Befugnisse besser zugewiesen. Darüber hinaus hat man die bisher vorgeschalteten Überprüfungs- und Genehmigungsverfahren in Verfahren der amtlichen Registrierung während der Behandlung von Angelegenheiten bzw. danach umgewandelt. 

 

Meiner Auffassung nach hat China bei seiner weiteren Reform und Öffnung der heimischen Freihandelszonen bereits die „Tiefwasserzone“ ins Visier genommen. Dabei geht es erstens darum, die Dienstleistungsbranche in einem weiteren Schritt zu reformieren und weiterzuentwickeln, und zweitens die Öffnung im Finanzwesen voranzutreiben und zu vertiefen. 

 

Angesicht des im Aufbau begriffenen Entwicklungsgefüges der Doppelzirkulation, also der inländischen und internationalen Zirkulation, besitzt der Ausbau von Freihandelszonen tiefe Bedeutung. Vor dem Hintergrund des derzeitigen globalen Wandels, den es in dieser Form in den vergangenen einhundert Jahren so nicht gegeben hat, und auch des Jahrhundertereignisses der Corona-Pandemie setzt die Volksrepublik darauf, die Öffnung stetig weiter auszubauen und ein neues und umfassendes Öffnungsgefüge zu gestalten, um die globale Handelsglobalisierung voranzutreiben.  

 

*Yu Miaojie ist Vizedirektor der National School of Development der Universität Peking.

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