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Zauberhaftes Lijiang: Eine Reise in die Welt der Naxi

2022-01-12 15:24:00 Source: Author:
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Von Zhao Yanqing* 

  

Die Altstadt von Lijiang in Yunnan beherbergt historische Architektur, eine reiche ethnische Kultur und ein einzigartiges traditionelles Wasserversorgungssystem. Diese einzigartige Mischung hat dem Ort den Status als Weltkulturerbe eingebracht. Er ist zudem Heimat der ethnischen Gruppe Naxi. 

  

 

Aus der Vogelperspektive: Eine Luftaufnahme der Altstadt von Dayan mit dem Yulong-Schneegebirge im Hintergrund.

 

Traditionelle Techniken zur Nutzung natürlicher Ressourcen 

  

Das Lijiang-Becken hat reiche Wasserressourcen, ein günstiges Klima und weite Landflächen. Es waren wohl diese guten Bedingungen, die die Vorfahren der Naxi einst dazu bewogen, ihren nomadischen Lebensstil aufzugeben und in der Gegend sesshaft zu werden, um Landwirtschaft zu betreiben.  

  

Einmal besiedelt, hauchten die Naxi den Dörfern durch eine geniale Methode Leben ein, nämlich indem sie Wasser in und durch die Dörfer transportierten, und zwar über spezielle dreistufige Brunnen. Dieser technische Kniff wurde später fester Bestandteil des neuen Dorflebens der Naxi, ja hat als Begriff sogar Eingang in ihre Sprache gefunden. 

  

Das heutige Lijiang umfasst die Dayan Old Town (auch bekannt als Altstadt von Lijiang) sowie die historischen Orte Shuhe und Baisha. Brunnen mit drei Stufen oder Öffnungen findet man heute vor allem noch in Shuhe, der frühesten Siedlungsstätte der Naxi.  

  

Diese einzigartigen Brunnen sind eigentlich ein Quellwasserauslass, der auf einem dreistufigen Gelände gebaut wurde, wobei die drei Bassins verschiedenen Zwecken dienen. Ziel des Systems ist es, die Wasserressourcen zu schonen. Das Nass, das auf der obersten Ebene aus der ersten Brunnenöffnung strömt, kommt direkt aus der Quelle und dient daher als Trinkwasser. Das Wasser, das in die zweite Öffnung überläuft, ist noch immer recht sauber und deshalb zum Waschen von Gemüse, Obst und Küchenutensilien vorgesehen. Das Nass, das aus der dritten Öffnung plätschert, wird zum Waschen von Alltagsgegenständen wie Kleidung verwendet. Am Schluss wird das verbrauchte Wasser in eine Wasserrinne geleitet und zur Bewässerung der Pflanzen benutzt. Das einzigartige Design der Brunnenanlage ist ein Paradebeispiel für die ausgeklügelte, hygienische, praktische und äußerst bequeme Art, wie die Naxi-Leute klug die Ressourcen der Natur nutzen. 

  

Obwohl heute schon seit Jahren in allen Häusern moderne Leitungswasseranlagen installiert sind und Wasserholen aus dem Brunnen so eigentlich längst nicht mehr nötig ist, hat sich die alte Tradition doch so tief in das kollektive Gedächtnis eingebrannt, dass man noch immer niemanden sieht, weder jung noch alt, die Essen im Nass der ersten Brunnenöffnung waschen, das traditionell als Trinkwasser diente. 

  

Die alte Tee-Pferde-Straße 

  

Die Altstadt von Shuhe ist auch bekannt für die am besten erhaltene Kurierstation der historischen Tee-Pferde-Straße im Lijiang-Becken. Shuhe war einst ein berühmtes Schustereidorf in der Grenzregion zwischen Yunnan, Sichuan und Tibet an der alten Tee-Pferde-Straße, die manchmal auch südliche Seidenstraße genannt wird. Schon in der Antike fand man hier Schustereiwaren wie Lederschuhe, Pelzmäntel und Lederschnüre sowie auch verschiedene Eisen- und Bambuswaren. Beginnend in der Tang-Dynastie (618-907) wuchs die Vielfalt der Produkte entlang der „Chamadao“, wie die Handelsroute auf Chinesisch heißt, mit steigender Nachfrage stetig an. In der Ming-Dynastie (1368-1644) beschäftigte ein Häuptling namens Mu eine Gruppe von Arbeitern aus der Gegend südlich des Unterlaufs des Jangtse, die sich in Shuhe niederließen. Von dieser Zeit an begann das Handwerk der geschickten Ledermacher in den Wasserstädten im Hochland der Provinz Yunnan zu florieren, und mit ihm die gesamte Gegend. Viele Ledergeschäfte in Shuhe haben die Geschichte der alten Tee-Pferde-Straße einst mitgeschrieben. 

  

Die Altstadt Lijiang, oder Dayan, blickt auf eine Geschichte von mehr als 800 Jahren zurück und war einst ein wohlhabendes Handelszentrum. Im Laufe der Zeit wandelten sich die Naxi von nomadischen Hirten zu sesshaften Landwirten. Das ländlich geprägte Landschaftsbild der Region wich einem städtisch geprägten Siedlungsraum. Am Abend sah man oft junge Naxi-Frauen in prunkvollen Gewändern, wie sie sich an den Lagerfeuern auf den Straßen der Altstadt Dayans versammelten und traditionelle Tänze aufführten. 

  

Der Mufu-Palast, oder das Haus der Familie Mu, befand sich im Zentrum der Altstadt von Dayan. Kommt die Sprache auf Familie Mu, zeigen die Naxi bis heute großen Stolz und Respekt. In der Vergangenheit war der Mufu-Palast die mächtigste Rechtsinstitution im antiken Lijiang. Es war der Sitz der Lokalregierung im feudalen China, deren Regierungsgewalt ihr von der Zentralregierung übertragen wurde, um die Stabilität und den Frieden in der Grenzregion aufrechtzuerhalten, was sie rund 400 Jahre lang tat.  

  

Der Mufu-Palast, den man heute besichtigen kann, wurde mit Mitteln der Weltbank restauriert. Das erste Haupttor war ein Ort, den während der Ming- und Qing-Dynastie (1368–1911) jeder passieren musste, der entlang der historischen Tee-Pferde-Straße Handel trieb. Der rekonstruierte Holzbalken auf dem Torbogen, der über der Straße prangt, trägt die vier chinesischen Schriftzeichen für Himmel, Regen, Fluss und Duft, die zusammen eine phonetische Transkription einer alten Naxi-Redewendung ergeben: „Geh und studiere“. Sie zeigt die große Bedeutung, die die Naxi seit jeher Wissen und Bildung beimessen. Im Wanjuan-Gebäude des Palastes ist eine große Sammlung wertvoller historischer Schriften verwahrt. Sie umfasst die Dongba-Schriften sowie zahlreiche tibetisch-buddhistische Schriften. Vom höchsten Punkt des Gebäudekomplexes aus, der Sanqing-Halle, kann man die gesamte Altstadt von Dayan sowie die schöne Palastanlage überblicken. 

  

Verglichen mit der heute eher touristischen Atmosphäre der Altstädte von Dayan und Shuhe laufen die Uhren in Baisha spürbar gemächlicher. Die Geschäfte liegen weiter verstreut und es gibt weniger Händler, die lauthals um Kundschaft buhlen. Die belebtesten Orte sind die Geschäfte, die Produkte an Einheimische verkaufen. Gelegentlich verirren sich auch mal Touristen in diese Lädchen und kaufen Fleisch oder Eier. 

  

Die Altstadt von Baisha war der erste Ort, an dem sich die Naxi einst niederließen, nachdem sie das Lijiang-Becken erreicht hatten. Baisha gilt deshalb als Geburtsort der Naxi-Kultur und Heimstätte des Häuptlings Mu. Vor den Dynastien Song (960-1279) und Yuan (1271-1368) diente die Stadt als politisches, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum Lijiangs. Während ich mich in der Stadt umsehe, vernehme ich plötzlich Klänge traditioneller Volksmusik. Sie stammen von einer Folkband, die eigens ins Leben gerufen wurde, um den älteren Menschen hier zu helfen, das Naxi-Erbe zu bewahren. 

 

 

Auch im Regen malerisch: Die Altstadtgassen von Shuhe

  

Die geheimnisvolle Dongba-Kultur 

  

Die meisten Mauern, die die Straßen und Gassen der Altstadt von Baisha säumen, sind mit Dongba-Schrift bedeckt, einer Schrift, die sogar noch älter als die chinesische Orakelknochenschrift ist. Sie gilt als die älteste bekannte vollständige Hieroglyphenschrift der Welt, ein „lebendes Fossil“ des Beginns des menschlichen Schreibens also.  

  

Der Name „Dongba“ bedeutet in der Naxi-Sprache „weiser Mensch“ oder ganz einfach „Weiser“. Die Dongba-Schrift entstand einst aus den gleichnamigen klassischen religiösen und enzyklopädischen Schriften. Sie wurde damals nur von weisen Gelehrten beherrscht. Die Dongba-Schriften umfassten Lieder, Tänze, Volksliteratur, Geschichten und Malereien. Die erhaltenen Schriftstücke bilden ein umfassendes und tiefgründiges kulturelles System, das voller Mystik steckt und seit Generationen von den Dongba-Familien fortgeschrieben und weitergegeben wird. 

  

Verfasst wurden die Schriften auf Papierrollen, gefertigt aus seltenen Wildpflanzen wie der Wikstroemia und verarbeitet nach traditionellen Handwerkstechniken. Das dicke Dongba-Papier ist die einzige Papierart unter den handgefertigten Papieren Chinas, die sich beidseitig beschreiben lässt. Und weil die Wikstroemia Eigenschaften der mikrotoxischen chinesischen Kräutermedizin besitzt, ist das Papier resistent gegen Insekten wie Motten und daher lange haltbar. Kein Wunder, dass es bei den Naxi das Sprichwort gibt, dass „Papier 1000 Jahre überdauert“. 

  

In den frühen 1920er Jahren kam ein Österreicher amerikanischer Abstammung namens Joseph Rock nach China und erforschte die Dongba-Kultur über mehr als zwei Jahrzehnte. Als Ergebnis seiner Forschungen veröffentlichte er das Wörterbuch „A Na-khi-English Encyclopedic Dictionary und leistete damit einen großen Beitrag zur Erhaltung der alten Kultur. Rock sammelte rund 8000 Manuskripte klassischer Schriften und nahm sie mit in seine Heimat, als er das Land verließ. Später wurden diese Manuskripte in großen Bibliotheken in Europa und Amerika verwahrt. Kurz vor seinem Tod erkannte Rock in seinen letzten Wochen in einem Krankenhaus in Hawaii, dass er wohl nicht mehr nach China zurückzukehren können würde. Er schrieb daraufhin einen Brief an einen Freund, in dem er erklärte, dass er, wenn es nur ginge, nach Lijiang zurückkehren wolle, um dort sein unvollendetes Werk zu vollenden. „Ich möchte lieber in diesen schönen Bergen sterben als ganz allein in einem trostlosen Krankenhausbett“, schrieb er. Für den Weltentdecker Joseph Rock gab es nichts Vergleichbares zur Schönheit Lijiangs. 

  

Ein typisches Merkmal der traditionellen Tracht der Naxi-Frauen ist ein Schafsfellschal verziert mit sieben bestickten Stoffkreisen, der sofort ins Auge sticht. Er findet seine Ursprünge in der Geschichte „Neun Brüder, die den Himmel öffneten, und sieben Schwestern, die das Land öffneten“, die in der Entstehungsgeschichte der Dongba-Schriften aufgezeichnet ist. Es heißt, dass die Vorfahren der Naxi eine ungerade Zahl von Totems verehrten, die ihr Streben nach Kinderreichtum und Glück symbolisierten. Gleichzeitig repräsentieren die Dekorationen auch das Sternbild des Großen Wagens, das die Einheimischen gemeinhin als „den Mond und die Sterne tragend“ bezeichnen. Die sieben Stoffkreise gelten als Sinnbild des Fleißes der Naxi-Frauen, die traditionell früh am Morgen das Haus verlassen und meist erst spät in den Abendstunden im Schein des Mondes und der Sterne zurückkehren.  

  

Generell fällt auf, dass die Naxi-Frauen im Alltag und bei der Arbeit viel mehr Aufgaben schultern als die Männer. Die Menschen, die man auf der Straße und auf den Feldern arbeiten sieht, sind überwiegend Frauen, und sie kümmern sich zusätzlich auch um den Haushalt. Die Naxi-Männer hingegen verbringen die meiste häusliche Zeit mit Musizieren und Schachspielen, oder sie lesen und malen. Dabei rauchen sie, trinken Schnaps und Tee. 

 

 

Der Dongba-Clan hat Kopien alter Dongba-Schriften und die örtliche Kultur der Wahrsagerei bewahrt.

  

Eine Steinstadt in den Bergen 

  

Obwohl die meisten Naxi in der Ebene wohnen, leben einige der älteren Menschen noch immer tief in den Bergen. Die Steinstadt Baoshan im Autonomen Kreis Yulong der Naxi-Nationalität, der ebenfalls zur Stadt Lijiang gehört, ist ein Naxi-Dorf. Heute ist es ein wichtiges Stück nationalen Kulturerbes, das unter besonderem Schutz steht. 

  

Diese Steinstadt wurde auf einem einzigartigen, pilzförmigen Felsen erbaut. Sie ist auf drei Seiten von Bergen umgeben, auf der vierten Seite im Tal liegt ein Fluss. Der riesige Felsen unter der Steinstadt ist geneigt, im Westen ist er hoch und gen Osten läuft er nach unten aus. Er erstreckt sich direkt bis zum Jinsha-Fluss. Auch die Häuser auf dem Felsen sind leicht geneigt und nach unten verteilt. Die Einheimischen leben hier noch immer ähnlich wie vor 900 Jahren. 

  

108 Familien haben hier ihr Zuhause auf Stein gebaut, mit ordentlich angelegten Häusern, Gassen und Treppen – halb natürlich und halb künstlich – die auf und ab führen. Die Wohnhäuser der Steinstadt sind der geologischen Form der natürlichen Felsen harmonisch nachempfunden. Die Einheimischen haben die Felsen leicht bearbeitet und daraus Tische und Steinhocker geformt für die öffentlichen Bereiche. Die Häuser sind aus Steinen gebaut, die speziell für Küche und Ofen gemeißelt sind. Außen findet sich zudem eine Quelle, die direkt den Wassertank der Öfen speist, während das Abwasser durch spezielle Gräben, die unter dem Wassertank in den Fels gehauen sind, aus den Häusern abfließen kann. Selbst die Betten sind aus Felsbrocken gehauen. In ihrer Mitte ist eine kleine Feuerstelle ausgespart, für das Aufkochen von Trinkwasser. Alle Alltagsgüter für das Leben in der Stadt, einschließlich schwerer Baumaterialien, werden ins Dorf geschleppt, auf dem Rücken von Eseln oder Pferden oder von den Dorfbewohnern selbst, die in hervorragender körperlicher Verfassung sind. 

  

Zwei Haupttore führen in das Dorf, eines im hinteren und eines im vorderen Bereich des Ortes. Daneben klaffen Klippen, auf einer Seite steht eine schützende Mauer. Der Strom von Menschen und Lasttieren, die das Dorf betreten oder verlassen, ist in den frühen Morgenstunden am belebtesten. Frauen rupfen morgens frisches Gras für ihre Schweine und tragen duftendes Holz auf ihren Schultern. Der Hintereingang des Dorfes führt direkt hinunter zum Jinsha-Fluss, der an beiden Ufern von Terrassenfeldern eingerahmt wird. Die fernen Berge sind mit einem grünen Teppich bedeckt, der allmählich in das Blau der Felsen übergeht. Soweit das Auge reicht, sind alle nutzbaren Hänge zu Terrassenfeldern umgewandelt. Versteckt darin liegt ein besonderes Bewässerungssystem mit Ein- und Durchlässen, ebenfalls eine einzigartige Eigenkreation der Naxi. Dieses raffinierte Bewässerungssystem hat sich seit fast 1000 Jahren bewährt und zeugt von der Weisheit der Naxi. Während der goldenen Herbstsaison rahmen die reifen Reisfelder die Steinstadt ein. Der Wind weht durch die reifen Ähren und die Rauchlinien der dampfenden Herde im Ort. Die Szenerie verwebt sich zu einem magischen Bild. 

  

Die meisten jungen Menschen allerdings verlassen das Dorf, um in fernen Städten Arbeit zu finden. Zurück bleiben vor allem Ältere und ein paar Dutzend Menschen mittleren Alters, die entweder lokale Herbergen betreiben oder sich um die Senioren kümmern. Wer einmal ausgezogen ist, so sagt man mir, kehrt im Allgemeinen nur zum alljährlichen Frühlingsfest oder dem örtlichen Schweineschlachtfest ins Dorf zurück. 

  

Im Ort gibt es eine öffentliche Grundschule. Alle Ausgaben werden von der Regierung übernommen. Auch eine kleine Krankenstation ist vorhanden, die für die Behandlung kleinerer Malaisen ausgestattet ist. In der Region rund um Baoshan sind viele kleine Dörfer verstreut, umgeben von terrassierten Berghängen. Diese Dörfchen sind das Erbe der alten Dorfsiedlungen der Naxi in Lijiang aus Zeiten, als diese noch nomadisch lebten und es insbesondere die Menschen schwer hatten, die unabhängig in den Bergen lebten. 

  

Am letzten Tag meiner Reise legen sich die Strahlen der frühen Morgensonne wie ein Teppich aus Gold über das Yulong-Schneegebirge im Autonomen Kreis Yulong der Naxi-Nationalität. Einige Sonnenspritzer blinzeln durch die Wolkenzipfel und setzen die schneebedeckten Bergspitzen eindrucksvoll in Szene – eine herrliche Aussicht. Das Yulong-Schneegebirge hat als treuer Beschützer der Naxi-Dörfer die Jahrtausende unbeeindruckt überdauert und wird dies auch in Zukunft tun, bei meinem nächsten Besuch. 

 

 

Stadt aus Stein: Einer der Eingänge des Dorfes Baoshan

 

*Zhao Yanqing ist Reisejournalistin.

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