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Anschluss finden – Wie der Chongqinger Kreis Fengdu die Armut abstreift

2019-07-04 09:33:00 Source:China heute Author:
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Von Verena Menzel

 

Stellen Sie sich vor, Sie wollen erstmals mit einem Team in einem internationalen Laufwettbewerb antreten. Wen schicken Sie ins Rennen? Und wie bereiten Sie Ihre Athleten auf den Wettbewerb vor?


Nun, zunächst einmal werden Sie sich für Sportler entscheiden, die bereits einige gute körperliche Grundvoraussetzungen mitbringen und vielleicht sogar schon etwas internationale Wettbewerbserfahrung gesammelt haben. Außerdem werden Sie wohl ein gut ausgestattetes Trainingslager einrichten, in dem Sie ihre Auswahltalente intensiv auf das Kräftemessen mit der internationalen Konkurrenz vorbereiten.



Wolkenmeer am „Drachenfluss“: Auch an den Ufern des Longhe, einem Zufluss des Changjiang, liegen einige arme Dörfer.


Was Sie dagegen kaum tun werden, ist, auf ungeschulte Amateure aus entlegenen Gebieten mit eher schwacher körperlicher Konstitution zurückzugreifen und diese von Grund auf neu auszubilden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Wettkampfvorbereitung in der Regel unter einem gewissen Zeitdruck steht.


Mit dieser Strategie werden Sie dann wahrscheinlich ein paar gut aufgestellte Läufer ins Rennen schicken können, die vielleicht schon in den ersten Läufen mit der internationalen Elite mithalten können, auch wenn Sie sicherlich nicht gleich auf dem Siegertreppchen landen.


Einen großen Haken hat die Sache allerdings: Der ohnehin bestehende Abstand zwischen Ihren untrainierten Amateurläufern aus abgelegenen Landesteilen, die nicht in den Genuss eines aufwendigen Trainings und vorzüglicher sportlicher Infrastruktur gekommen sind, wird sich durch Ihr Vorgehen unweigerlich noch vergrößern. Es wird von daher dringend nötig sein, nach und nach für alle potentiellen Athleten im Land bessere Bedingungen zu schaffen und den Breitensport intensiv zu fördern. Nur so werden sie langfristig gute sportliche Leistungen vorweisen können und Chancengleichheit schaffen.

 

Was hat das mit Armutsüberwindung zu tun?


Vielleicht fragen Sie sich jetzt, was das alles mit China und dem Thema Armutsüberwindung zu tun hat? Nun, bei genauerem Hinsehen eine ganze Menge!


Denn China hat sich in den vergangenen vier Jahrzehnten seit Einführung der Reform- und Öffnungspolitik – vereinfacht gesprochen – genau für eine solche Strategie entschieden.


Statt das riesige Land langsam und gleichmäßig zu entwickeln, setzte die chinesische Führung seit Ende der 1970er Jahre darauf, zunächst nur einige ausgewählte Regionen mit guten Ausgangsbedingungen im Eiltempo für den internationalen Wettbewerb fit zu machen und sie zu frühem Wohlstand zu führen, nämlich Chinas geographisch und historisch begünstigte Küstengebiete im Osten und Südosten des Landes, die über eine günstige Lage, eine gewisse Infrastruktur und Erfahrungen im wirtschaftlichen und kulturellen Austausch mit dem Ausland verfügten.


Durch die Etablierung spezieller Sonderwirtschaftszonen und Hafenstädte mit Sonderstatus schuf die Regierung gut ausgestattete „Entwicklungstrainingslager“, um den Küstenregionen den Anschluss an die Weltwirtschaft zu ermöglichen.


Heute, im Jahr 2019, blickt die Welt mit Respekt auf das Wirtschaftswunder, das China dank dieser Entwicklungsstrategie gelungen ist. Auch hat es das Land in den letzten vierzig Jahren auf diese Weise geschafft, über 700 Millionen Menschen erfolgreich aus der Armut zu befreien.

 

Die Entwicklungsstrategie hat ihren Preis


Doch diese Entwicklungsstrategie hatte für das Land ihren Preis. Denn während der Osten voraussprintete und sich mittlerweile anschickt, im Rennen um die digitale Revolution vorne mitzumischen, ging die Entwicklung in vielen ländlichen Regionen nur schleppend voran. Zwar wurde und wird auch hier zunehmend in den Aufbau von Infrastruktur und Wirtschaftsentwicklung investiert, doch Fakt ist, dass sich durch die gewählte Politik die Entwicklungsschere zwischen Ost und West erst einmal weiter geöffnet hat. Viele ländliche Regionen, insbesondere in Zentral- und Westchina, aber auch in einigen Teilen Nordchinas wurden von den Küstenregionen auf der wirtschaftlichen Laufbahn bereits mehrfach überrundet.


Hinzu kommt, dass das Entwicklungsungleichgewicht dafür gesorgt hat, dass Millionen von Menschen als Wanderarbeiter vom Land in die entwickelten Städte gezogen sind, wo durch den Wirtschaftsboom ein riesiger Bedarf an Arbeitskräften entstanden ist. So entstanden ausgehöhlte Dörfer und ländliche Gemeinden, in denen oft nur Alte, Frauen und Kinder zurückblieben.


Chinas Regierung steuert schon seit einigen Jahren aktiv durch gezielte Entwicklungsprogramme gegen, um den abgehängten Regionen den Anschluss zu ermöglichen. Dazu zählen die Programme zur groß angelegten Erschließung der westlichen Regionen (seit 1999), zur Wiederbelebung Nordostchinas (2004), zum Aufstieg Zentralchinas (2005) und zum Aufbau neuer sozialistischer Dörfer (2006). Spätestens bis Ende kommenden Jahres, so das Ziel, sollen alle Chinesen mithilfe dieser Anstrengungen die Armut überwunden haben.


Zwar hat die beschriebene unausgewogene Entwicklungsstrategie das bestehende Wohlstandgefälle zwischen Ost und West in Teilen überhaupt erst entstehen lassen, doch paradoxer Weise bieten gerade die genannten Entwicklungsunterschiede heute gleichzeitig auch den nötigen Schlüssel zur Lösung des entstandenen Widerspruchs und ermöglichen es China, aus eigener Kraft die Armut im Land zu überwinden. Wie muss man sich das vorstellen? Wir haben uns auf eine Reise in Chinas westliches Landesinnere begeben, um uns vor Ort ein Bild von den aktuellen Entwicklungen zu machen.

 

Die idyllische Kulisse trügt



Das idyllische Dörfchen Lüchunba soll zum Ausflugsziel für stressgeplagte Großstädter werden.


Wir reisen ins Umland der westchinesischen Megametropole Chongqing in der Provinz Sichuan, ein Ballungsraum, der im Westen als größtes Stadtgebiet der Welt Berühmtheit erlangt hat. Unser Ziel ist allerdings nicht die Millionenstadt selbst, sondern der Kreis Fengdu, eine in vielen Teilen ländlich geprägte Region, die rund zwei Autostunden vom internationalen Flughafen Chongqing entfernt liegt.


Der Kreis Fengdu mit seinen rund 830.000 Einwohnern liegt im Staubecken des berühmten Dreischluchtendamms am „langen Fluss“ (Changjiang), der sich hier durch die Berglandschaft mit ihrer üppig wuchernden Vegetation schlängelt. Die Natur ist vielerorts unberührt, die Luft feucht und das Terrain wasserreich, von den Roterde-Hängen plätschern hier und da Wasserfälle.


Doch die idyllische Kulisse trügt: Denn der Kreis Fengdu ist genau eine dieser Regionen, die heute den Anschluss sucht. Im Jahr 2002 wurde Fengdu zum Schwerpunktkreis im Bereich der Armutsüberwindung erklärt. Seither hat sich zwar vieles bewegt und 2017 konnte der Kreis das Label des Armutskreises nach 15 Jahren harter Arbeit erfolgreich abstreifen, doch es sind längst noch nicht alle Probleme gelöst. Das Wohlstandsgefälle zwischen Stadt und Land ist auch hier noch immer groß.


Auch Fengdu hat mit dem Problem ausgehöhlter Dörfer zu kämpfen, die teils schwierigen geographischen Voraussetzung erschweren die Entwicklung einer modernen, wettbewerbsfähigen Landwirtschaft und auch in Sachen Bildung hinken die meisten der insgesamt 30 Gemeinden und Dörfer noch immer weit hinterher.


Bei der Lösung der bestehenden Probleme und der Konsolidierung bereits erzielter Erfolge im Bereich der Armutsüberwindung setzt die Lokalregierung auf innovative Maßnahmen, die speziell auf die Schwierigkeiten der Region zugeschnitten und doch exemplarisch für die Anstrengungen im Kampf gegen die Armut auch in anderen Teilen Chinas sind.

        

Wiederbelebung eines sterbenden Dorfes


Von der Kreisstadt aus steuern wir als erstes das Dorf Lüchunba („Grüner Frühlingsdamm“) an, das rund 30 Kilometer vor den Toren der Kreisstadt liegt. Man muss den durch Schwemmschlamm Ocker gefärbten „Drachenfluss“ (Longhe), einen Zufluss des Changjiang, überqueren, um in den kleinen Ort zu gelangen.



Die Arbeiten zur Verschönerung des Ortskerns und der Restaurierung der alten Holzhäuser sind in vollem Gange.


Die Dorfgruppe 1, die nicht weit oberhalb des Flussufers liegt, zählt insgesamt 18 Haushalte. Doch nur noch zehn der ansässigen Familien leben tatsächlich hier. Fast die Hälfte der Einheimischen ist in die Stadt abgewandert, weil es im Dorf an Arbeit und Einkommensquellen fehlte.


„Die Anbaufläche hier ist gering und liefert zudem nur wenige Erträge“, erklärt Zhu Xiaodong, Vizevorsteher der Gemeinde Sanjian, zu der das Dorf zählt.


Die historischen Holzbauten aus den 1950er und 1960er Jahren, archetektonische Relikte mit Seltenheitswert, drohten zu verfallen. Doch die verbliebenen Einheimischen, meist Alte und Arbeitsunfähige, waren mit der Instandhaltung der Häuser überfordert. Der kleine Ort schien vor dem Aus zu stehen.


Die Wende soll nun eine Idee bringen, die sich die Zugkraft der entwickelten Kreisstadt und der nahegelegenen Millionenmetropole Chongqing zu Nutze machen will. Entwickelt hat das Lösungskonzept Yang Ming, der erste Parteisekretär des Dorfes. Er erkannte den touristischen Wert des malerischen historischen Örtchens. Allerdings, so sah er ein, musste dieser erst einmal freigelegt werden, bevor er den Einheimischen tatsächlich zugutekommen konnte.



Yang Ming (r.), der erste Parteisekretär des Dorfes, entwickelte im vergangenen Jahr die Idee, das Dorf durch Tourismus vor dem Verfall zu bewahren.


Yang und seine Mitarbeiter entwickelten gemeinsam mit den Dorfbewohnern ein Konzept, das Denkmal- und Umweltschutz und die wirtschaftliche Wiederbelebung des Dorfes unter einen Hut bringt.


Dabei wird durch staatliche Fördermittel für den Aufbau neuer sozialistischer Dörfer in einem ersten Schritt zunächst die öffentliche Dorfumgebung aufgewertet. Es wurden Blumenbeete angelegt und Wege gepflastert, Bambusbrücken über den Bach im Ortskern gebaut, ein Parkplatz und eine moderne öffentliche Toilettenanlage angelegt, ein Schatten spendender Pavillon mit überwuchertem Wandelgang und Blick auf das pittoreske Flusstal lädt Besucher schon heute zum Verweilen ein. Am Berghang entsteht zudem gerade eine kleine Dorfherberge.


Das Geld ist gut investiert, denn durch die Renovierungsarbeiten wird nicht nur das Lebensumfeld der verbliebenen Einheimischen komfortabler, sondern auch der touristische Wert des Ortes herausgeschält.


Bei der Restaurierung der Privathäuser soll ein privater Anbieter die Finanzierungslücke schließen. Ein Tourismusunternehmen aus der Kreisstadt bietet den Einheimischen Unterstützung bei Renovierung und Restaurierung der traditionellen Holzhäuser an.


„Wer zum Beispiel in der Stadt lebt, kann die Restaurierung und Renovierung seines Hauses sowie die spätere Vermietung bzw. touristische Bewirtschaftung für einen festgelegten Zeitraum an diese Firma übertragen und erhält dann eine Beteiligung an allen Einnahmen“, erklärt Zhu.


Noch sind die Arbeiten in vollem Gange und die touristische Erschließung steht erst noch bevor, doch die Verantwortlichen zeigen sich zuversichtlich, bildet der kleine Ort doch eine grüne Perle direkt vor den Toren der Kreisstadt und auch in Reichweite Chongqings, die stressgeplagten Großstädtern Erholung in der Abgeschiedenheit des Flusstales verspricht.


Ein Teil des städtischen Geldes, dessen Erwirtschaftung die rasante Entwicklung der Städte ermöglicht hat, dürfte hier damit schon bald in den ländlichen Raum fließen und die dortige Entwicklung ankurbeln - sei es in Form der genannten Unternehmensinvestitionen oder durch die Ausgaben der künftigen Besucher. Zimmervermietung, Spezialitätenrestaurants und der Verkauf lokaler Produkte und Handwerksgüter versprechen den Landwirten neue lukrative Einnahmequellen direkt vor der eigenen Haustür.

 

Rückkehr mit Gründergeist im Gepäck


Doch es sind nicht nur Geldmittel, die heute aus Chinas städtischen Regionen in den ländlichen Raum fließen, sondern auch ein Stück städtischer Mentalität. Das zeigt sich am Beispiel des jungen Gründers Zhang Yuan, der aus dem kleinen Dorf Tianshui der Fengduer Gemeinde Xingyi stammt.



Bevor Zhang Yuan zum „E-Commerce-Makler“ in seiner Heimat wurde, hatte er sich in Beijing als Servicekraft, Koch und Verkäufer im Telemarketing versucht.


Wie viele seiner Generation mit ländlichem Hintergrund zog es den jungen Mann Jahrgang 1986 nach dem Schulabschluss erst einmal in die Stadt, um Geld zu verdienen. 2003, mit 17 Jahren, folgte er einer Cousine nach Beijing. Er arbeitete als Bedienung im Restaurant, ließ sich zum Koch anlernen, startete sogar einen ersten Anlauf als Selbstständiger im Bereich Telemarketing, der jedoch nicht glückte.


2010 fasste Zhang den Entschluss, in die Heimat zurückzukehren, um in der Nähe seiner Familie zu sein und eine eigene Familie zu gründen. Mit zurück brachte er sieben Jahre Lebenserfahrung in Chinas pulsierender Hauptstadt und ein Stück Gründergeist, wie er in den modernen Metropolen im Reich der Mitte heute allgegenwärtig ist.


„Außerhalb als Wanderarbeiter sein Geld zu verdienen, ist nichts, was man ewig machen kann“, sagt er. „Ich wollte beruflich etwas Eigenes auf die Beine stellen, selbst einen Wert erschaffen. Für mich stand also fest, dass ich nach der Rückkehr unbedingt ein eigenes Geschäft aufziehen wollte.“


Nach weiteren Gehversuchen in der Selbstständigkeit, als Catering-Anbieter für Hochzeiten und als Landwirt, nahm der 33-Jährige im vergangen Jahr schließlich an einer staatlich geförderten Fortbildung zum Onlinehändler für den Vertrieb von Agrarprodukten aus der Region teil.


Heute ist Zhang einer von insgesamt 100 sogenannten „E-Commerce-Maklern“ der Gemeinde Xingyi. Dieses von der Regierung geförderte Projekt soll der Gemeinde den Anschluss an einen in den Städten boomenden Wirtschaftsbereich ermöglichen: den Onlinehandel.


Während in chinesischen Städten der E-Commerce floriert und aus dem Alltag der Menschen kaum mehr wegzudenken ist, hatten viele ländliche Regionen in diesem Bereich lange das Nachsehen. Das lag vor allem an den schwierigen Lieferbedingungen in abgelegene Dörfer, wie uns Huang Hong, stellvertretender Direktor des Handelsausschusses des Kreises Fengdu, erklärt.

„In der Vergangenheit gab es für Paketzustellungen oft lange Lieferzeiten. Teils wurden Gemeinden von den privaten Paketlieferdiensten nur alle zwei Wochen angesteuert, in abgelegene Dörfer wurde erst gar nicht ausgeliefert“, sagt er.


Das hat sich geändert, seit im Jahr 2017 in der Kreisstadt ein eigenes Verteilzentrum für Paketlieferungen gegründet wurde. Hier laden die großen landesweiten Zulieferdienste heute ihre Sendungen ab. Dann kommen die „E-Commerce-Makler“ ins Spiel. Diese übernehmen nämlich nicht nur den Onlineverkauf der örtlichen Agrarprodukte über verschiedene Internetplattformen, sondern helfen auch dabei, die letzten Kilometer zwischen Erzeuger und Verteilzentrum zu überbrücken.


Zhang Yuan und seine Mitstreiter holen ankommende Lieferungen jeden Tag im Paketzentrum ab und fahren sie in das Dorf, für das sie zuständig sind. Umgekehrt nehmen sie dort bestellte Agrarprodukte direkt bei den erzeugenden Landwirten in Empfang, verpacken sie und fahren sie ins städtische Verteilzentrum. Damit fungieren sie als entscheidendes Bindeglied, das die Lücke zwischen Onlinekäufern im ganzen Land und den einfachen Landwirten der Region füllt, die so mithilfe des Internets neue Absatzmöglichkeiten gefunden haben.


„Heute sind die Sendungen spätestens 24 Stunden nach Bestellung hier bei uns im Verteilzentrum und können landesweit verschickt werden“, erzählt Huang Hong stolz. Für Zhang Yue, mittlerweile glücklicher Familienvater von zwei Söhnen, ist mit dem Onlinegeschäft der Traum der Selbstständigkeit in Erfüllung gegangen: „Ich verdiene über den Onlineshop heute in etwa das Gleiche wie zuvor, als ich in der Stadt gearbeitet habe, mit dem Unterschied, dass ich jetzt zuhause bei meiner Familie sein kann“, sagt er.

 

Eine Schule für Eltern


Auch Bildung formt einen wichtigen Schlüssel zur Schaffung von Wohlstand und Chancengleichheit. Auch in diesem Bereich hat sich in den letzten Jahren in Fengdu Einiges bewegt. Um den Bildungsrückstand zu städtischen Regionen zu verringern, zeigt sich der Kreis aufgeschlossen für innovative Konzepte.



Elternschule: Tai Jiaxiong spricht zum Thema „Kinder zum Teamgeist erziehen“.


Eines davon wurde in der Gemeinde Huwei, genauer gesagt im Dorf Daxi entwickelt. Auch dieser Ort kämpft darum, den Anschluss zu finden. „Die Schulen hier sind im Vergleich zu anderen Regionen noch immer weniger gut aufgestellt, egal ob in Bezug auf die Ausstattung oder die Qualität des Unterrichts“, schildert Hu Xiaofei, stellvertretender Direktor der Abteilung für moralische Bildung der Xianbinjiang Middle School, die Lage. Hinzu kommt, dass viele Kinder im Ort von den Großeltern betreut werden, da beide Elternteile außerhalb als Wanderarbeiter ihr Geld verdienen. „Von den insgesamt 65 Kindern hier im Dorf, wachsen 22 in der Obhut der Großeltern auf. Das Alter dieser Kinder bewegt sich zwischen 3 und 17 Jahren“, sagt Hu.


In einem Land wie China, das in den letzten vier Jahrzehnten gleich mehrere Entwicklungssprünge vollzogen hat, ist auch die Kluft zwischen den Generationen groß, was sich in den Erziehungsmethoden der älteren Generation, insbesondre auf dem Land, spiegele, wie uns Tai Jiaxiong, stellvertretender Direktor der Gewerkschaft der örtlichen Xianbinjiang Middle School, erklärt. Er ist im Rahmen der Arbeit zur Armutsüberwindung durch Bildung aus der Stadt in das Dorf gekommen.


„Als ich hier ankam, habe ich schnell festgestellt, dass die Leute wenig über moderne Erziehungsmethoden wussten. Sie habe entweder geschimpft oder ihre Kinder geschlagen und sie manchmal auch eingesperrt. Das hinterlässt natürlich seine Spuren an Kinderseelen“, sagt Tai, der 25 Jahre Berufserfahrung im Bereich Pädagogik und Werteerziehung mitbringt.     


„Armutsüberwindung durch Bildung muss meiner Meinung nach schon bei den Eltern ansetzen, die dann ihr Wissen an die Kinder weitergeben und diese anleiten können“, sagt er. Aus diesem Gedanken heraus entstand die Idee, ein Bildungsangebot der anderen Art auf die Beine zu stellen, bei dem nicht Kinder, sondern deren Erziehungsberechtigte die Schulbank drücken. Seit dem vergangenen Jahr gibt es diese „Elternschule“ nun im Ort. Einmal pro Monat werden hier kostenlose Kurse zu Erziehungsfragen angeboten. Auf dem Lehrplan stehen Themen wie die Förderung von Teamgeist, Ehrlichkeit, Selbstständigkeit und Verantwortungsgefühl, die Entwicklung eines gesunden Selbstvertrauens, Hilfe beim Setzen eigener Lebensziele und dem Umgang mit Rückschlägen, Spaß am Lernen und ein gesunder Lebenswandel.



Die 35-jährige He Lianhua (r.) hat ihren jüngsten Spross (5) zum Unterricht mitgebracht. Sie hat noch einen zweiten Sohn im Alter von 15 Jahren.


Eine der Teilnehmerinnen ist die 35-jährige He Lianhua. Sie hat zwei Söhne im Alter von 5 und 15 Jahren. Der älteste Spross ist überwiegend bei den Großeltern aufgewachsen, während He rund acht Jahre lang im fernen Guangdong in einer Fabrik am Fließband schuftete. Ihr Mann war als Fernfahrer ebenfalls kaum zu Hause.


„Mein Ältester ist mir über die Jahre fremd geworden“, sagt sie heute. Er rebellierte und war kaum zugänglich, sie fühlte sich mit der Erziehung in einer Sackgasse. „Ich bin sehr dankbar, dass es nun die Elternschule gibt. Sie lässt mich meine Erziehungsmethoden überdenken und ich habe mich durch den Kurs selbst besser kennengelernt. Ich bin nun weniger egozentrisch und suche bei Problemen die Schuld nicht mehr nur allein bei meinem Sohn“, sagt sie.  

 

Die Jahre in der Stadt haben He den Blick über den Tellerrand ermöglicht. Sie zeigt sich wissbegierig und hofft für ihren Nachwuchs auf eine bessere Zukunft. „Was wir hier auf dem Land brauchen, ist eine Chance, aufzuschließen und mit Menschen aus anderen Gesellschaftskreisen in Kontakt zu kommen, uns auszutauschen“, sagt die junge Mutter. Die Elternschule biete dafür eine gute Plattform.


Nun soll das innovative Konzept, für das Tai Jiaxiong spezielle Lehrmaterialien entwickelt hat, auch in anderen Armutsgebieten Schule machen. Erste Nachahmerprojekte im Kreis gibt es bereits.

 

Noch viel zu tun


Das Beispiel Fengdu zeigt: Egal, ob in Bezug auf Kapital, Mentalität oder Bildung, langsam finden wichtige Entwicklungsfaktoren ihren Weg in Chinas Armutsgebiete. Dennoch zeigt sich auch: es gibt noch viel zu tun, soll den unterentwickelten Gebieten und ihren Menschen der Anschluss an die wohlhabenden Küstengebiete gelingen.


Sicher ist, langfristig wird sich China sich nur dann gut entwickeln können, wenn alle gemeinsam nach vorne laufen, die Schnelleren die Langsameren an die Hand nehmen, keiner unverschuldet auf der Strecke bleibt und echte Chancengleichheit garantiert wird. Dafür muss sichergestellt werden, dass die durchaus vorhandenen Gelder und Mittel zielgerichtet eingesetzt werden und auch wirklich da ankommen, wo sie gebraucht werden und nicht unterwegs versickern.


Wenn dies gelingt, stehen die Chancen gut, dass China das sprichwörtliche Kunststück gelingt, sich „am eigenen Schopfe aus dem Sumpfe“ zu ziehen und die Armut im Land aus eigener Kraft erfolgreich zu überwinden.

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