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Stärkung der ethnischen Einheit: Eine alte Geschäftsstraße schreibt eine neue Erfolgstory

2020-10-30 10:31:00 Source:China heute Author:
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Lou Jianbo (links) and Muhtar Abudurousuli sprechen über Geschäftspläne im Restaurant „Eine Familie“. (Foto: Zhou Peng) 

 

Von Ma Li

 

Lou Jianbo, ein Han-Chinese, betreibt in der Stadt Aksu im Autonomen Gebiet Xinjiang der Uiguren eigentlich eine Druckerei. Doch jeden Montagvormittag trifft er sich mit seinem uigurischen Geschäftspartner Muhtar Abudurusuli, dem Besitzer einer TCM-Klinik, in dem Restaurant „Eine Familie“, das die beiden gemeinsam in der Wangsan-Straße betreiben. Regelmäßig schauen die beiden dort gemeinsam, ob beim Betrieb alles so läuft, wie vorgesehen. 

 

Das Einzigartige an diesem Restaurant ist, dass es insgesamt 88 Gesellschafter hat. 40 davon sind Angehörige der Han-Nationalität, und die übrigen Uiguren. Alle Gesellschafter sind untereinander eine Eins-zu-eins-Partnerschaft eingegangen, genauso wie Lou Jianbo und Muhtar Abudurusuli. Dass aus den beiden Fremden enge Geschäftspartner wurden und sie nun gemeinsam ein Restaurant betreiben, ist einer Aktion des örtlichen Straßenkomitees Hongqiao zu verdanken, die im Jahr 2016 startete. Ziel ist es, enge Eins-zu-eins-Geschäftspartnerschaften zwischen Uiguren und Han-Chinesen anzustoßen.

 

Freundschaft geht durch den Magen

 

Im Dezember 2016 entsendeten das Straßenkomitee Hongqiao und das Amt für zivile Angelegenheiten der Stadt Aksu gemeinsam ein Arbeitsteam ins Wohnviertel Hongqiao, um die Aktion zur Schließung dieser Eins-zu-eins-Partnerschaften zu starten. 54 Geschäftsleute aus der Wangsan- und der Xinglong-Straße gingen schließlich eine solche Partnerschaft ein. Die beiden Straßen sind jeweils bekannte Fußgängerzonen der Stadt, nur mit dem Unterschied, dass 99 Prozent der Geschäftsleute der Wangsan-Straße der uigurischen Nationalität oder anderen ethnischen Gruppen angehören, während 99 Prozent der Geschäftsleute der Xinglong-Straße Han-Chinesen sind. 



Das Restaurant „Eine Familie“ in der Außenansicht (Foto: Ma Li)

 

Früher herrschte in der Xinglong-Straße geschäftiges Treiben, während die Wangsan-Straße ruhig und beschaulich wirkte. Durch das neue Partnerschaftskonzept haben sich Austausch und Zusammenarbeit zwischen den Geschäftsleuten beider Zeilen nun intensiviert, gegenseitige Besuche nehmen zu und die gemeinsame Entwicklung wird gefördert. Das Restaurant „Eine Familie“ ist nur eines von vielen von Han-Chinesen und Uiguren gemeinsam gegründeten Unternehmen. Auch das Warenhaus „Eine Familie“ und der Gemüseladen „Herzensverbundenheit“ sind Sinnbilder des großen Wandels, der hier eingeläutet wurde. 

 

Lou Jianbo sagt, um die Geschäftspartnerschaft zum Erfolg zu führen, reiche einfacher oberflächlicher Austausch nicht aus, sondern es seien häufige gegenseitige Besuche erforderlich. Letztlich, so glaubt der Han-Chinese, brächten vor allem gemeinsame kulinarische Genüsse die Menschen einander näher. Auch oder gerade in China geht Freundschaft also durch den Magen. 

 

Lou Jianbo und Muhtar Abudurusuli wollen durch ihr Restaurant eine Stätte zur Verstärkung der Freundschaft zwischen Han-Chinesen und Uiguren schaffen. Das Startkapital zur Gründung des gastronomischen Betriebs sollte ein Crowdfunding bringen. „Das war damals schon eine etwas kühne Idee. Wir waren ja keineswegs sicher, ob die Leute mitziehen würden“, erinnert sich Muhtar Abudurusuli zurück. Die Idee der beiden war es, uigurische und han-chinesische Geschäftsleute für den kulinarischen Coup zu gewinnen. „Es geht uns nicht nur ums Geschäft, sondern auch darum, die Freundschaft zwischen beiden Nationalitäten zu stärken“, so der Uigure. Am Anfang hätten sich aber gerade einmal drei Unterstützer gefunden. 

 

Doch als das eingangs erwähnte Arbeitsteam von dem Vorhaben erfuhr, sicherte es den beiden Geschäftsmännern prompt seine Unterstützung zu. „Das hat uns Zuversicht gegeben. Mittlerweile hat sich unser Vorhaben in unserer Verwandtschaft und im Freundeskreis herumgesprochen. Wir haben den Leuten unser kooperatives Betriebsmodell erklärt und auf die große Bedeutung von ethnischer Solidarität und Armenhilfe hingewiesen“, erklärt der uigurische Geschäftsmann. Mittlerweile konnten die beiden Männer 80 Unterstützer für ihr Projekt gewinnen. Letztendlich erreichte die Teilnehmerzahl 88. Im Januar 2018 öffnete das Restaurant dann seine Pforten.

 

Die sagenumwobene Geschäftsstraße Wangsan

 

Die nach einem gleichnamigen Kaufmann benannte Wangsan-Straße ist in Aksu weit und breit bekannt. Das rührt von einer besonderen Geschichte aus der Vergangenheit her.

 

Während der Herrschaft unter der Regierungsdevise Guangxu (1875-1908) in der ausgehenden Qing-Dynastie reiste ein Geschäftsmann namens Wang Fucai aus Tianjin mit einer Karawane nach Xinjiang, um in Aksu Materialien für TCM-Arzneien zu erwerben. Er fiel dabei von seinem Pferd und brach sich das rechte Bein. Für die Genesung hielt er sich mehr als ein Jahr in einer uigurischen Familie auf. 

 

Während dieser Zeit schloss er eine Blutsbrüderschaft mit dem uigurischen Hausherrn und dieser vertraute ihm sogar einen Zwillingssohn als Pflegesohn an. Diesem uigurischen Kind wurde ein chinesischer Name gegeben - Wang San („das dritte Kind“). 

 

Der Knabe folgte seinem Adoptivvater nach Tianjin und erwarb dort Grundwissen der TCM und der Kaufmannskunst. Als der Junge 14 Jahr alt war, führte ihn der Geschäftsmann Wang Fucai zurück nach Aksu, um nach dessen leiblichen Eltern zu suchen. Doch die Suche war ergebnislos. Dennoch blieb Wang San in seinem Geburtsort. Der Geschäftsmann aus Tianjin erwarb weitläufiges Land, genau an der Stelle, wo einst das Grundstück der Familie seines ehemaligen uigurischen Blutsbruders lag, und gründete auf diesen Böden einen großen Basar, aus dem die heutige Geschäftsstraße Wang San hervorgegangen ist.  

 

Mittlerweile sind viele Jahre ins Land gegangen. Maihemaiti Tohti, Enkelsohn von Wang San, ist bereits ein Mann mittleren Alters und arbeitet bei einem lokalen Radio- und Fernsehsender. In seiner Kindheit hat ihm sein Vater immer wieder die Familiengeschichte erzählt, was ihm die traditionelle Freundschaft zwischen Uiguren und Han-Chinesen tief ins Gedächtnis geprägt hat. Diese fortzusetzen, ist ihm bis heute ein Herzensanliegen.

 

„Zur Wahrung der traditionellen Freundschaft hat mein Großvater für meinen Vater einen han-chinesischen Namen ausgesucht, nämlich Wang Shiying. Und auch mein Vater hat mir einen han-chinesischen Namen gegeben - Wang Weihan. Wir sollten die gute Tradition der Freundschaft von Generation zu Generation weitergeben und die schöne und harmonische Beziehung zwischen Uiguren und Han-Chinesen aufrechterhalten“, sagt er. Auch er und sein Geschäftspartner Zhao Qing sind Gesellschafter des Restaurants „Eine Familie“. Im Alltag haben sich die beiden Familien eng angefreundet und auch die Kinder verbindet eine gute Freundschaft.  

  

Die Geschichte von Wang San setzt sich fort

 

Von Kindesbeinen an ist Muhtar Abudurusuli mit der Geschichte von Wang San vertraut. Heute ist er einer der Hauptgesellschafter des Restaurants in der Wangsan-Straße und möchte weiterhin etwas für die ethnische Einheit tun. 



Die enge Freundschaft von Geschäftsleuten unterschiedlicher ethnischer Gruppen trägt nicht nur zur örtlichen Wirtschaftsentwicklung bei, sondern bildet auch ein Highlight der ethnischen Solidarität in Aksus traditionsträchtigen Geschäftsstraßen. (Foto: Zhou Peng)

 

Im Jahr 1984 erhielt der Uigure als Jugendlicher die Zulassung zum Studium der TCM an der Nanjinger Hochschule für Traditionelle Chinesische Medizin.  Nach seinem Abschluss bemühte er sich, sein Studium im Landesinneren fortzusetzen, und kehrte 1992 nach Aksu zurück. Seither praktiziert er in seiner Heimatstadt als TCM-Arzt. Wang San, sagt er, habe damals mit seinen TCM-Kenntnissen viele uigurische Patienten geheilt. Das habe ihn dazu inspiriert, durch sein eigenes TCM-Studium in Wang Sans Fußstapfen zu treten.

 

Doch bekanntlich ist aller Anfang schwer. In der Anfangszeit trauten ihm die Einheimischen nicht. Doch seine Behandlungserfolge sprachen für sich, nach und nach gewann er so das Vertrauen der Menschen. Heute behandelt der uigurische TCM-Arzt pro Jahr mehr als 10.000 Patienten. „Seit ich die Ein-zu-eins-Partnerschaft mit Lou Jianbo geschlossen habe, vermittelt auch er mir Patienten zur Behandlung, meist Han-Chinesen“, sagt der Uigure. „Heute stammen meine Patienten aus ganz Xinjiang.“ 

 

2018 ging Maihemaiti Tohti nach Tianjin, um in der Gemeinde Yangliuqing nach den Verwandten seines Großvaters unter den Han-Chinesen zu suchen. Doch da die Zeit des Ereignisses zu weit zurückliegt, endete auch diese Suche ohne Erfolg. „Aber viele Tianjiner sagten mir: auch wenn ich meine leiblichen Verwandten nicht finden sollte, seien letztlich doch alle Tianjiner wie eine Familie für mich“, erzählt er. Noch immer sei er beim Gedanken an diese Worte tief gerührt.

 

Mit dem Restaurant „Eine Familie“ geht es derweil stetig bergauf. Das hat die beiden Geschäftspartner auf die Idee gebracht, auch eine Filiale in Tianjin zu eröffnen. Das hat natürlich auch symbolischen Charakter, denn so wollen die beiden Männer die Geschichte der ethnischen Einheit von Aksu auch nach Tianjin bringen und sie dort von Generation zu Generation weitertragen. 

 

In den vergangenen zwei Jahren wurde die Schließung solcher Eins-zu-eins-Partnerschaften in Aksu ständig vorangetrieben. Sie beschränken sich heute längst nicht mehr nur auf die Straßen Wangsan und Xinglong, sondern erfassen auch andere Orte der Stadt. Vielerorts wurden Vereine der ethnischen Solidarität gegründet. Hier in Aksu streben Uiguren und Han-Chinesen also Seite an Seite nach einer besseren Zukunft. Fast 200 solcher Eins-zu-eins-Partnerschaften gibt es mittlerweile. Die Angehörigen beider Nationalitäten wollen mit ihren Taten die alte Geschichte von Wang San im China von heute fortschreiben. 

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