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17. Chinese Bridge-Wettbewerb – Chinesisch lernen als großes Entertainment

2018-08-10 14:22:00 Source:China heute Author:
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Von Verena Menzel

 

„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“ Dieser Ausspruch stammt aus der Feder des berühmten österreichisch-britischen Sprachphilosophen Ludwig Wittgenstein (1889-1951).

Eine neue Sprache zu lernen, bedeutet nicht nur, sich sprachliche Regeln und einen neuen Wortschatz anzueignen, sondern seinen Geist auf eine spannende Reise ins Ungewisse zu schicken, in eine fremde Kultur einzutauchen und mit neuen Menschen und ihren Gewohnheiten in Kontakt zu kommen.



Die fünf Finalisten (v. l. n. r.): Anthony Ekwensi (Nigeria), Theodore Stapleton (Australien),

Vivi (Indonesien), John Klumpp (USA) und Ruslan Ustinov (Russland).


Auf genau solch eine Abenteuerreise haben sich von Juli bis August die Teilnehmer des 17. Chinese Bridge-Wettbewerbs (Chinese Proficiency Competition for Foreign College Students) in der Metropole Changsha, Provinz Hunan, begeben.

In acht Auswahlrunden maßen sich die insgesamt 152 Teilnehmer aus 118 Ländern in ihren Chinesisch-Kenntnissen und kämpften um den Einzug ins große Finale am 4. August.

 

Ganz großes Entertainment


Wer bei einem solchen Sprachwettbewerb aber an sterile Klassenräume, kopierwarme Testbögen und dröge Klausuratmosphäre denkt, liegt falsch!

Bereits seit einigen Jahren arbeitet Chinas Sprach- und Kulturbüro Hanban (Office of Chinese Language Council International), die Dachorganisation der Konfuzius-Institute weltweit, bei der Ausrichtung des Sprachwettbewerbs eng mit Hunan TV zusammen, eine feste Größe in Chinas TV-Entertainmentlandschaft. Der Sender produziert unter anderem angesagte Formate wie „I am a Singer“ oder jüngst die innovative Live-Musikvideo-Sendung „PHANTACITY“.




Moderatoren-Gespann Wang Han (l.) und Ouyang Xiadan.

Beide sind bekannte Größen in Chinas TV-Landschaft.

 

Seit Hunan TV mit im Boot sitzt, zeigt sich: Chinesisch lernen kann richtig hip sein! Denn die Organisatoren inszenieren den Sprachwettbewerb als bunte Castingshow für die TV-Bühne. Und auf diese Bühne haben es als Vertreter ihres jeweiligen Kontinents letztlich die fünf Finalisten Vivi (关慧敏) aus Indonesien (für Asien), Anthony Ekwensi (丁家明) aus Nigeria (Afrika), Ruslan Ustinov (鲁斯兰) aus Russland (Europa), John Klumpp  (柯鲁瀚) aus den USA (Amerika) und Theodore Stapleton (司腾) aus Australien (Ozeanien) geschafft. Aus ihren Reihen wird in einem pompös durchchoreographierten Fernsehfinale der endgültige Chinesisch-Champion gekürt.


Die Studenten teilen sich die Bühnenbretter dabei mit großen Namen des chinesischen Showbiz. So führen mit Moderator Wang Han und CCTV-Nachrichtensprecherin Ouyang Xiadan zwei der derzeit angesagtesten TV-Hosts des Reichs der Mitte durch die Sendung.

Zwischen den drei Wettbewerbsrunden, in denen die fünf Finalisten neben ihrem Wissen rund um Sprache und Kultur auch ihre Performance- und Selbstvermarktungskünste unter Beweis stellen müssen, wurden zudem Auftritte des beliebten Sängers Tengri aus der Inneren Mongolei und ein Duett des kasachischen Mädchenschwarms Dimash Kudaibergen mit dem chinesischen Popsternchen Tia Ray ins Programm eingeflochten. Die Organisatoren zelebrieren den Sprachcontest damit als glamouröses Entertainment im ganz großen Stil.




Beweisen Schauspieltalent: Die Finalisten Theodore Stapleton (l.) und Anthony Ekwensi

spielen eine Begegnung zwischen dem italienischen Missionar Matteo Ricci

und dem chinesischen Gelehrten Xu Guangqi zu Zeiten der Ming-Dynastie nach.

 


Dem Stellenwert der chinesischen Sprache wird dieses TV-Spektakel allemal gerecht. Immerhin ist Mandarin mit Abstand die meistgesprochene Sprache der Welt. Dass die Zahl der Lerner in den letzten Jahren weiter gestiegen ist, ist auch dem Engagement von Hanban zu verdanken. Bis Ende 2017 war die chinesische Kulturorganisation mit insgesamt 525 Konfuzius-Instituten und 1113 Konfuzius-Klassenzimmern in 146 Ländern und Regionen rund um den Globus vertreten.

Trotzdem hat Chinesisch als schriftzeichenbasierte Tonsprache noch immer den Ruf weg, eine der schwierigsten Fremdsprachen der Welt zu sein, was manchen Lerner abschreckt. Tatsächlich muss man rund 3000 chinesische Zeichen beherrschen, um einen chinesischen Nachrichtentext lesen zu können.


Aber ist Chinesisch wirklich so schwierig?


Das wollten wir von Finalteilnehmer Ruslan Ustinov wissen. „Schon!“, sagt der 19-Jährige, der beim diesjährigen Wettbewerb für Europa ins Rennen geht. Besonders die Aussprache sei eine Herausforderung, so der junge Russe, dessen Heimatstadt wenige Autostunden von der chinesischen Grenze entfernt liegt. Ustinov kam bereits mit sechs Jahren erstmals mit der chinesischen Sprache in Kontakt, seit der fünften Klasse bekam er regelmäßig Chinesisch-Unterricht. „Ich habe eine Zeitlang als Reiseführer für chinesische Touristen gejobbt. Aber auf meiner ersten Tour hat mich wohl keiner so wirklich verstanden“, erzählt er und lacht.


Anthony Ekwensi aus Nigeria lernt erst seit zwei Jahren Chinesisch. Für ihn stellen die chinesischen Schriftzeichen die größte Schwierigkeit dar. Dabei waren es – neben seiner Liebe für chinesische Kungfu-Filme – gerade die Hanzi, die den 21-Jährigen anfangs neugierig machten auf die chinesische Sprache. „Ich habe mich damals gefragt, wie die Chinesen diese Zeichen wohl lesen können.“ Mittlerweile hat Ekwensi dieses Mysterium für sich ergründet, doch noch immer sei viel Übungsaufwand nötig, um Fortschritte zu machen. „Mein Geheimnis ist schlicht, jeden Tag zu üben“, verrät er.



Sehr zufrieden mit den Leistungen der Kandidaten:

Die Jury-Mitglieder (v.l.n.r.) Zhang Nanwei (Fudan-Universität Shanghai),

Hai Xia (CCTV) und Herbert Mushangwe (Konfuzius-Institut Simbabwe).

 

John Klumpp, 22, aus den Vereinigten Staaten lernt ebenfalls erst seit Ende 2015 Putonghua, wie die chinesische Hochsprache noch genannt wird. Für ihn bilden das Hörverständnis und der kulturelle Kontext die größten Hürden. Er sagt: „Zum einen gibt es in China verschiedenste dialektale Einschläge, zum anderen werden in unterschiedlichen Situationen und bei unterschiedlichen Anlässen oft unterschiedliche Ausdrücke verwendet.“ Das sei für ausländische Lerner schon manchmal ziemlich verwirrend.



Heizt dem Saalpublikum als Chili ein: Finalistin Vivi aus Indonesien

bot eine fulminante Gesangs- und Tanzperformance.

 

Die Final-Jury jedenfalls, die sich aus der CCTV-Moderatorin Hai Xia (海霞), dem Leiter des Instituts für Chinastudien der Fudan-Universität in Shanghai Zhang Weiwei (张维为) und Herbert Mushangwe (李开明), dem ausländischen Direktor des Konfuzius-Institut Simbabwe, zusammensetzt, zeigt sich hochzufrieden mit dem, was die Studenten am 4. August auf der Bühne abliefern. Als eines der Showhighlights haftet die kecke Gesangs- und Tanzperformance der Indonesierin Vivi als Vertreterin Asiens im Gedächtnis. Im Chili-Schotenkostüm heizt sie dem Saalpublikum mit liebenswürdigen chinesischen Textzeilen umrahmt von einem bunten Heer aus Tänzern und Akrobaten ein und erntet dafür schallenden Beifall.

 

Am Schluss sind alle Gewinner



Kopf-an-Kopf-Rennen: In der Finalrunde buhlen der Australier Theodore Stapleton (22)

und der Russe Ruslan Ustinov (19) beim Studio-Voting um die Gunst des Saalpublikums.

 

 Letztlich setzt sich in der Finalrunde aber der 19-jährige Ustinov mit seinem jugendlichen Charme und seinem akzentfreien Hochchinesisch durch, nur knapp gefolgt vom 22-jährigen Australier Theodore Stapleton aus Perth, der mit halblanger Lockenpracht und akkurat gestutztem Schnäuzer im Hipsterlook den Vizetitel absahnt. Doch am Schluss sind im Konfettiregen irgendwie alle Gewinner.  


Bei so viel Lernaufwand stellt sich unweigerlich die Frage: Warum tut man sich das Sprachstudium überhaupt an? Hat sich der große Lernaufwand aus Sicht der Teilnehmer denn rückblickend gelohnt?


Auf alle Fälle, findet Nigerianer Ekwensi. „Chinesisch hat mein Leben umgekrempelt“, sagt der Kungfu-Fan, den der Contest erstmals ins Reich der Mitte führte. Ihm eröffne die Sprache vor allem berufliche Perspektiven. Doch auch zur Persönlichkeitsentwicklung trage die Auseinandersetzung mit der chinesischen Sprache bei, erklärt uns US-Amerikaner Klumpp. Er habe insbesondere durch den Chinese-Bridge-Wettbewerb nicht nur Menschen aus aller Welt kennen gelernt, sondern sei auch selbstbewusster geworden und habe seine Bühnenangst überwunden.


Vize-Champ Stapleton sagt, ihn habe das Chinesische mit der fernöstlichen Philosophie in Kontakt gebracht. „Insbesondere in meinem ersten Studienjahr habe ich viele Bücher über Zen-Buddhismus gelesen. Im letzten Jahr habe ich sogar einen Monat in einem chinesischem Tempel verbracht.“



Siegerlächeln: Am Ende sichert sich der 19-jährige Ruslan Ustinov den Titel.

 

Für all diejenigen, die es irgendwann auch einmal zu passablen Chinesischkenntnissen bringen wollen, haben wir den Finalisten noch ihre ganz persönlichen Geheimtipps entlockt.


Finalsieger Ustinov sagt: „Mein Tipp ist, von Anfang an mit Chinesen zu sprechen. Letztlich will man in einer Sprache ja nicht nur Dinge schreiben, sondern sich vor allem mit den Menschen unterhalten.“ Amerikaner Klumpp rät: „Gebt von Anfang an Acht auf eure Aussprache und die Töne!“ Und Anthony Ekwensis Credo lautet: Üben, üben, üben.

 

Mit seinem Eingangspostulat sollte Wittgenstein also Recht behalten. Denn der Horizont der Teilnehmer hat sich durch das Chinesischstudium tatsächlich erweitert. „Chinesisch hat mich mit einer ganz anderen Denkweise in Kontakt gebracht. Manchmal betrachte ich die Dinge heute aus einer anderen Perspektive“, sagt Finalsieger Ruslan Ustinov. Theodore Stapleton fügt hinzu: „Der einzige Weg, um herauszufinden, was man von der eigenen Kultur mitbekommen hat, ist letztlich, in eine andere Kultur einzutauchen. Was das Chinesische betrifft, stehe ich sicher noch am Anfang und verstehe noch längst nicht alles, aber ich bin auf einem guten Weg.“ Der Brückenschlag ist also geglückt, doch damit hat die eigentliche Reise ja erst begonnen.

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