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Festhalten an Vorurteilen ist keine Lösung: Gespräch mit dem britischen China-Kenner Alistair Michie

2019-07-24 11:18:00 Source: Author:
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Von Zhou Lin

 

„In den vergangenen mehr als 20 Jahren habe ich viele Orte in China bereist und kann von daher sagen, dass ich mich mit dieser alten Zivilisation ein wenig auskenne“, sagt Alistair Michie, Generalsekretär des Britisch East Asia Council (BEAC), bescheiden.

 

Seit drei Jahrzehnten bemüht sich der Brite, den wir am Rande der Konferenz für den Dialog asiatischer Zivilisationen in Beijing treffen, um die Förderung des Austausches und der Zusammenarbeit zwischen China und der Welt. Er war schon in 28 Provinzen, autonomen Gebieten und regierungsunmittelbaren Städten Chinas. Sein reicher Erfahrungsschatz hat ihn zu einem renommierten China-Experten gemacht. 2013 ehrte ihn die chinesische Regierung für sein Engagement mit dem nationalen Freundschaftspreis.

 

 

Am 15. Mai 2019 fand am Rande der Konferenz für den Dialog asiatischer Zivilisationen in Beijing ein Unterforum

 über Kultur, Tourismus und den zwischenmenschlichen Austausch statt.

 

Eine Faszination, die bis heute anhält

 

Es war 1993, als Alistair Michie zum ersten Mal nach China kam. „Ich war an meinem ersten Tag völlig überwältig von all den Eindrücken“, erinnert er sich. Kaum aus dem Flugzeug gestiegen, wurde er gleich zur Verbotenen Stadt gefahren. „Ich hatte damals noch keine Vorstellung davon, wie majestätisch der Kaiserpalast in natura ist“, sagt der Brite heute.

 

Auch war Michie tief beeindruckt von den großen Veränderungen, die China seit der Einführung der Reform- und Öffnungspolitik erlebt hatte. Auf seiner Reise besuchte er mehrere Orte im ganzen Land und stellte mit Erstaunen fest, dass die Industrialisierung in China schneller fortschritt, als in jedem anderen Land in der Geschichte der Menschheit. „In den britischen Medien hörte man davon aber nichts“, erinnert sich Michie zurück. „Ich wurde neugierig auf die chinesische Geschichte und Kultur, da ich versuchen wollte, die Gründe für Chinas rasantes Wirtschaftswachstum zu erforschen.“

 

Ins Staunen geriet Michie auch bei der Besichtigung des Großen Kanals zwischen Beijing und Hangzhou. Diese längste künstliche Wasserstraße der Welt, die auf eine Geschichte von mehr als 2500 Jahren zurückblickt, ist neben der Großen Mauer eine der eindrücklichsten Bauwerke in der chinesischen Architekturgeschichte. „Diese zwei Bauten spiegeln eindrucksvoll die Weisheit der Chinesen in alter Zeit“, sagt China-Kenner Michie.

 

Zurück in Großbritannien begann Alistair Michie nach allen verfügbaren Materialien über den Großen Kanal zu suchen. Er fand jedoch nur wenige schriftliche Aufzeichnungen zum Thema, bis ihm schließlich das Buch „Wissenschaft und Zivilisation in China“ des berühmten britischen Gelehrten Dr. Joseph Needham (1900–1995) in die Hände fiel.

 

Darin schreibt der Autor, nur wenige Menschen wüssten, dass es kein altes Land wie China gibt, das einen so großen Beitrag für das Bauingenieurwesen geleistet hat. Diese Worte haben nicht nur Michies Verständnis über China, sondern auch sein ganzes Leben verändert.

 

„China, ein so großartiges Land, wurde und wird von der Außenwelt trotz seines riesigen Territoriums, seiner reichen Kultur und langen Geschichte weder gebührend anerkannt noch verstanden“, sagt Michie. Der Brite beschloss daher schon früh, alles daran zu setzen, das Wissen über diese alte und großartige Nation in der internationalen Gemeinschaft zu vermehren.

 

Zwischen 1998 und 2001 verwendete Michie drei Jahre darauf, die Dokumentarfilmreihe „The Dragon’s Ascent“ (dt.: Der Aufstieg des Drachen) zu produzieren. In dieser achtteiligen Serie erzählen die Macher die Geschichte der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklung Chinas aus ausländischer Perspektive. Nach der Ausstrahlung durch die BBC, rief die Serie ein weltweites Echo hervor. Unzählige Ausländer gewannen durch sie einen tieferen Einblick in das Reich der Mitte.

 

„Das wirtschaftliche Zentrum der Welt verlagert sich nach Asien, insbesondere nach China. Trotzdem weiß die Welt noch immer wenig über die Entwicklung Chinas“, ärgert sich Michie. „Diese Ignoranz der westlichen Länder gegenüber China kann schnell in Angst umschlagen, was ziemlich gefährlich werden kann“, zeigt sich der Brite besorgt.

 

Angesichts dieser Situation hat Michie sich in den letzten Jahren intensiv darum bemüht, dass China-Studien in den Lehrplan britischer Oberschulen aufgenommen werden. „China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Es frustriert mich, dass britische High Schools bisher kaum Kurse zum Thema China anbieten“, sagt Michie. Er hofft, in Zukunft das Interesse der britischen Schüler für China und die chinesische Sprache zu wecken, damit diese sich an der Universität vielleicht für ein Studium mit Chinabezug entscheiden. „So hätten sie die Chance, ein umfassendes Verständnis über China zu entwickeln“, so Michies Hoffnung.

 

Heute verbringt Michie jedes Jahr fast neun Monate in China. In seiner Freizeit liest er gerne, vor allem Bücher über die chinesische Geschichte. Viele historische Persönlichkeiten Chinas faszinieren ihn, etwa der berühmte Seefahrer Zheng He, der Pharmazeut Li Shizhen, der Militärwissenschaftler Sun Tsu und Chinas ehemaliger Premierminister Zhou Enlai. Über die Jahre ist Michie zu einem wahren China-Experten geworden. Er ist nicht nur mit Klassikern wie der „Kunst des Krieges“ vertraut, sondern auch mit der Reform- und Öffnungspolitik sowie aktuellen Brennpunktthemen. Dazu zitiert er gern den Spruch von Sun Tsu: „Wenn du deine Feinde und dich selbst kennst, wirst du nicht in Schlachten gefährdet werden.“

 

Immer dabei ist zudem Michies Kamera, sie begleitet ihn auf Schritt und Tritt. Seine Leidenschaft für die Fotografie lässt sich mit seiner Liebe zu China vergleichen. „Durch die Fotos dokumentiere ich mein Leben in China“, sagt er. Seine Neugier auf die Welt hilft ihm, ständig zu lernen und Fortschritte zu machen. „China ist so groß, dass es immer etwas Neues zu lernen gibt“, sagt er.

 

Der Glanz Asiens: Im Chinesischen Nationalmuseum bewundern Besucher Exponate

 der Ausstellung „The Splendor of Asia: An Exhibition of Asian Civilizations“.

 

Chinas Beiträge für die weltweite Zivilisation

 

„Ich bin immer wieder fasziniert davon, wie die asiatische und chinesische Zivilisation mit den anderen Zivilisationen der Welt verschmelzen und so neue Vitalität entwickeln“, sagt Michie. Dieser fortschreitende Prozess lasse sich mehr als 2000 Jahre zurückverfolgen. „Es ist für mich immer wieder erstaunlich, wie China die Ideen verschiedener Zivilisationen in sich aufnimmt und neue Konzepte mit chinesischen Merkmalen entwickelt“, sagt der China-Kenner.

 

Vor mehr als 2000 Jahren gelangte der Buddhismus aus Indien nach China. Seither entwickelte er sich langsam zu einem Bestandteil der chinesischen Kultur. Auch fanden chinesische Erfindungen ihren Weg nach Europa, was die Welt grundlegend verändert hat. Dieser Austausch zwischen den verschiedenen Zivilisationen hat auch auf Großbritannien enormen Einfluss ausgeübt. Der britische Gelehrte Sir Francis Bacon (1561–1626) schrieb einmal: „Der Buchdruck, das Schwarzpulver und der Kompass – diese drei großen Erfindungen haben den Zustand der Dinge auf der ganzen Welt verändert; die erste in der Literatur, die zweite in der Kriegsführung und die dritte in der Navigation.“

 

In der Neuzeit war Großbritannien der Geburtsort des Marxismus und des Kapitalismus. Beide Konzepte haben großen Einfluss auf China ausgeübt.

 

„Die menschliche Zivilisation entwickelt sich ständig weiter. China und die anderen asiatischen Länder haben im Laufe der Geschichte immer wieder neue Entwicklungskonzepte vorgebracht“, sagt Michie. „1954 hat China beispielsweise die Fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz initiiert. Das war ein großer Beitrag für die ganze Welt.“ Für Michie bildet das Konzept der Reform und Öffnung eines der größten Geschenke Chinas an die friedliche und nachhaltige Entwicklung der Welt.

 

Die von der chinesischen Regierung vorgeschlagene Seidenstraßeninitiative, an der viele asiatische Länder sehr aktiv beteiligt sind, dürfte in den kommenden Jahrzehnten weiteres enormes Entwicklungspotenzial freisetzen und vielen Ländern der Welt eine für alle Seiten vorteilhafte Entwicklung bringen. Außerdem schlug Chinas Staatspräsident Xi Jinping im Jahr 2012 vor, eine Schicksalsgemeinschaft der Menschheit aufzubauen, ein Vorstoß, aus dem sich ein neues Modell der Außenpolitik für China und die ganze Welt entwickelt hat.

 

„Hier auf der Konferenz für den Dialog der asiatischen Zivilisationen hat Staatspräsident Xi Jinping eine Grundsatzrede gehalten. Darin hat er die Wichtigkeit des gegenseitigen Respekts, des gegenseitigen Verständnisses und des gegenseitigen Lernens zwischen allen Nationen erneut betont. Das ist ein starkes, positives Signal, das den Aufbau einer Schicksalsgemeinschaft der Menschheit durch den Dialog zwischen den verschiedenen Zivilisationen fördern wird“, ist sich Michie sicher.

 

Der Brite sagt, er bewundere Xis gründliche Interpretation des Dialoges verschiedener Zivilisationen. „Am 5. Dezember 2012 wurde ich in der Großen Halle des Volkes von Staatspräsident Xi Jinping empfangen. Dabei sagte er, dass China einen Appell an die Welt richte, internationale Beziehungen zur Förderung der Gleichberechtigung, des gegenseitigen Vertrauens, der Toleranz, des gegenseitigen Verständnisses und der Teilhabe an den Entwicklungsfrüchten aufzubauen“, erinnert sich Michie.

 

„Zurzeit sieht sich die Welt mit vielen Herausforderungen wie dem Klimawandel, atomarer Aufrüstung und einem instabilen globalen Finanzsystem konfrontiert. Nur durch Dialog und enge Zusammenarbeit aller Zivilisationen lassen sich die Probleme lösen“, ist Michie überzeugt.

 

Die Welt müsse aufmerksam zuhören, wie Xi Jinping seit seinem Amtsantritt als Generalsekretär der KP Chinas im Jahr 2012 die Toleranz und das gegenseitige Lernen der Zivilisationen interpretiert habe, sagt der Brite. „Als Europäer hoffe ich, dass es weltweit immer mehr Menschen geben wird, die Xis weise Ideen respektieren und verstehen.“

 

Lasst die Welt China besser verstehen

 

Laut Alistair Michie werden in den westlichen Medien noch immer sehr häufig falsche oder verzerrte Berichte und Kommentare über China veröffentlicht, was dazu führt, dass die Wahrnehmung der breiten Bevölkerung über China nicht umfassend und nicht objektiv ist. „Daher ist es für die chinesische Regierung wichtig, aktiv öffentliche Diplomatie zu betreiben und der Welt die eigenen Geschichten auf fundierte Weise zu erzählen“, sagt der Brite.

 

„Einmal erzählte mir ein Freund von einer zweitätigen China-Reise, auf der er Tausende von lächelnden Gesichtern gesehen hatte. Er war überrascht, dass das Leben der Chinesen nicht so miserabel war, wie er es in den westlichen Medien gelesen hatte. Ich sagte ihm, dass das, was er mit seinen eigenen Augen gesehen hatte, das wirkliche Leben der Chinesen widerspiegele“, erzählt Michie. Die westlichen Medien bevorzugten es, Stereotype über China zu bedienen, um auf den Geschmack des Publikums einzugehen. „Wenn sie hören, dass China an etwas gescheitert ist, fühlen sich die meisten Briten wahrscheinlich wohl, weil sie dann in ihren Annahmen nichts ändern müssen. Im Unterbewusstsein neigen die Menschen eben dazu, jede Form von Veränderung in der Welt abzulehnen“, so der Brite.

 

In Bezug auf die Entwicklung der öffentlichen Diplomatie Chinas in den letzten Jahren sagt Michie, China habe in dieser Hinsicht große Fortschritte in die richtige Richtung gemacht. „In den vergangenen Jahren hat China eine Reihe von internationalen Veranstaltungen abgehalten, darunter die Weltgartenausstellung 1999 in Kunming, die Olympischen Sommerspiele 2008 in Beijing, die Expo 2010 in Shanghai und die Weltgartenexpo 2019 in Beijing. Darüber hinaus hat die Volksrepublik zahlreiche Konfuzius-Institute im Ausland eröffnet“, sagt Michie. Er ist der Ansicht, dass China in dieser Hinsicht noch größere Fortschritte machen sollte. „China muss sein Modell zur Kommunikation mit der Außenwelt ändern. Dass seine Entwicklung für die ganze Welt vorteilhaft ist, muss auf eine effektive und verständliche Weise im Ausland verbreitet werden“, rät Michie für die Zukunft.

 

Alistair Michie freut sich darüber, dass sich Chinas Regierung der Wichtigkeit eines besseren Verständnisses und stärkerer Kommunikation mit der Außenwelt bewusst ist. In dem Bericht auf dem 18. Parteitag wurde erstmals vorgeschlagen, die Entwicklung der öffentlichen Diplomatie stark zu fördern. Auch erklärte Xi Jinping auf einer Pressekonferenz vor in- und ausländischen Journalisten, dass China mehr über die Welt erfahren wolle, während umgekehrt auch die Welt mehr über China wissen sollte.

 

„Ich selbst habe nur einen bescheidenen Beitrag geleistet, um das gegenseitige Verständnis zwischen China und der Welt zu verbessern“, sagt Michie. „China hat viele Geschichten, die noch nicht mit der Welt geteilt wurden. Diese gilt es nun, so schnell wie möglich gut zu erzählen.“

 

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