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Chinesische Teigtaschen mit italienischer Käsefüllung? – Ein italienischer Spitzenkoch schlägt kulinarische Kulturbrücken

2021-08-17 11:05:00 Source: Author:
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Von Zhou Lin

 

Kochen ist Antonino Scordos große Leidenschaft. Der 38-Jährige stammt aus Italien. Doch es hat den Gourmet nach China verschlagen, genauer gesagt nach Nanjing, in die Hauptstadt der ostchinesischen Provinz Jiangsu. Hier arbeitet er als Küchenchef im renommierten Restaurant Pacific Grill des Jinling-Hotels, eine bekannte Adresse vor Ort. „Für mich bedeutet Kochen nicht einfach nur, Gerichte zuzubereiten. Viel wichtiger ist, dass ich meine Emotionen und auch mein Verständnis der Welt durch meine Kochkünste zum Ausdruck bringen kann“, sagt der Italiener, der von seinen Freunden liebevoll „Nino“ genannt wird. Die Chinesen erlebt er als freundliche und warmherzige Menschen. Ihre Gastfreundlichkeit gebe ihm ein Gefühl von Heimat in der Ferne, sagt er.

 

Gefühlt wie zu Hause

 

Nino wurde in Sorrento geboren, einem Küstenstädtchen in Süditalien, rund 27 Kilometer von Neapel entfernt. Wegen seiner traumhaften Landschaft wird der Ort auch als „Perle des Golfs von Neapel“ bezeichnet. Der weltberühmte Tenor Luciano Pavarotti setzte dem Ort und seiner zauberhaften Landschaft in seinem Klassiker „Torna a Surriento” ein musikalisches Denkmal. Die kunterbunten Häuschen auf den Klippen, das azurblaue, reine Meereswasser und die überall verstreuten Zitronengärtchen sind die Markenzeichen des Ortes und machen Sorrento zu einem beliebten Ziel für Reisende aus aller Welt.

 

„Schon als Kind habe ich begriffen, dass Essen nicht nur Grundbedürfnisse befriedigt, sondern auch eine emotionale Komponente hat. Gutes Essen ist ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Lebens“, sagt Nino. Schon von Kindesbeinen an träumte der Italiener davon, ins Ausland zu reisen und dem Sinn des Lebens auf den Grund zu gehen. Heute freut er sich, wenn sich Gäste aus aller Welt seine Gerichte auf der Zunge zergehen lassen. „Wenn sich jeder in unserem Restaurant ganz wie zu Hause fühlt, habe ich mein Ziel erreicht“, sagt er.

 

Nino kam erstmals 2011 nach China. Während seines Aufenthaltes entdeckte er viele Gemeinsamkeiten zwischen der chinesischen und der italienischen Kultur. „Ich wollte die Essenz beider kulinarischer Kulturen miteinander verschmelzen“, sagt er. Mit Glück fand er eine Anstellung im renommierten Jinling-Hotel, was ihm eine ideale Plattform bot, um seinen Traum zu verwirklichen.

 

„Nino ist ein vollwertiges Mitglied unseres Teams. Uns alle verbindet ein starkes Gemeinschaftsgefühl“, sagt Ge Dalin, gastronomischer Direktor des Hotels. In seinen Augen ist Nino ein echter Kochkünstler, der vor kreativer Energie sprüht. „Er hat wirklich ein Händchen dafür, die Essenzen der chinesischen und der westlichen Küche miteinander zu verbinden und leckere neue Gerichte zu kreieren“, sagt er.

 

Chinesische Küche für italienische Gaumen

 

Nino hat viele Freunde, die in Michelin-Restaurants arbeiten. „Auch sie sollten sich mit dem Charme der chinesischen Küche vertraut machen“, rät er. Auf seine Einladung kam in der Vergangenheit schon Starkoch Giuseppe Aversa nach China. Im Mai und November 2018 besuchte er zweimal das Jinling-Hotel. Dabei stellte der Spitzenkoch nicht nur den chinesischen Köchen exotische Gerichte aus seiner Heimat Italien vor, sondern probierte auch Delikatessen aus Nanjing. Er zeigte sich überaus fasziniert vom einzigartigen Geschmack der im Jinling-Hotel angebotenen Gerichte.

 

Im März 2019 lud Aversa dann zehn Köche des Jinling-Hotels zu einer zehntätigen gastronomischen Tour nach Italien ein. Traditionelle chinesische Huaiyang-Küche, eine der vier bekanntesten Küchen Chinas, die auf italienische Feinschmeckergaumen trifft – funktioniert das? Es war ein gewagtes kulinarisches Experiment, doch es sollte gelingen.

 

Denn Chinas Köche zeigten sich kreativ. Um den Essgewohnheiten der Westler gerecht zu werden und gleichzeitig die Essenz der Huaiyang-Küche voll zur Geltung zu bringen, nutzten die Kochkünstler lokale Zutaten aus Italien und kombinierten authentische chinesische Zubereitungsarten mit westlichen Würz- und Servierweisen. Bekannte Gerichte der Huaiyang-Küche wie geräucherter Mandarinenfisch (Yanxun Guiyu), würziges Rindfleisch (Wuxiang Niurou), Dongpo-Schweinefleisch (Dongpo Rou) sowie gefüllte Dampfbrötchen (Baozi) und Teigtaschen (Jiaozi) gewannen durch die gekonnte Kochlöffeldiplomatie neue Fans in Italien.

 

„Neue Kreationen wie Dongpo-Schweinefleisch garniert mit Hummer und Teigtaschen mit Käsefüllung haben offensichtlich den Geschmack der Italiener getroffen“, sagt Ge Dalin. Die Wahl der richtigen Zutaten mache das Erfolgsrezept aus, sagt er. „Wie wir wissen haben Italiener eine Vorliebe für Meeresfrüchte und schwarzes Schweinefleisch. Da schwarze Schweine in Italien frei gezüchtet werden, ist ihr Fleisch reich an Ballaststoffen und sehr schmackhaft. Es ist von daher eine perfekte Zutat für die Zubereitung des chinesischen Schweinefleischklassikers Dongpo Rou“, so Ge. Durch die zusätzliche Kombination mit frischem Hummerfleisch bekomme das jahrtausendealte Gericht eine ganz besondere, neue Note.

 

Wan-Tan-Teigtaschen nach kantonesischer Art mit Käsefüllung ist ein weiteres Gericht, das von Nino entwickelt wurde. Die Zugabe von italienischem Speck und zartschmelzendem Käse machte das Gericht für die Einheimischen unwiderstehlich. Darüber hinaus fanden auch die mit Gemüse gefüllten chinesischen Dampfbrötchen eine neue Fangemeinde in Italien. Diese war so groß, dass die chinesischen Köche sogar Nachtschichten einlegen mussten, um die Nachfrage für den kommenden Tag zu decken. Teils wurden von einzelnen Köchen täglich 300 solcher Gemüse-Baozi zubereitet.




Das vom Jinling-Hotel veranstaltete Bankett in Sorrents berühmten Michelin-Restaurant „II Bucco“

 wurde zu einem vollen Erfolg und schlug eine kulinarische Brücke nach China. 


In Sorrents berühmten Michelin-Restaurant „II Bucco“ war das vom Jinling-Hotel veranstaltete Bankett schließlich bis auf den letzten Platz ausgebucht. Auch zahlreiche Köche waren eingeladen, die leckeren Gerichte der Huaiyang-Küche zu probieren. Daneben fanden sich rund 50 lokale Prominente und Würdenträger unter den Besuchern. Das Event wurde zu einem vollen Erfolg und schlug eine kulinarische Brücke nach China.

 

„In Italien haben wir außerdem die Sao Paulo Tourism School besucht, die auf eine Geschichte von mehr als einhundert Jahren zurückblickt. Dort haben wir uns mit Dozenten und Studierenden eingehend über die Esskulturen beider Länder ausgetauscht“, sagt Nino. „Die italienischen Studenten hatten sich schon lange nach einer Gelegenheit gesehnt, authentische chinesische Küche zu probieren. Es war außerdem das erste Mal, dass sie mit chinesischen Köchen ins Gespräch kamen“, sagt Nino. Dabei stellten sie viele Fragen in Bezug auf die Zubereitungsarten und die Verwendung von Zutaten und Gewürzen. „Besonders von den geschickten Tricks und Kniffen bei der Zubereitung chinesischer Dampfbrötchen waren die Teilnehmer äußerst angetan“, so Nino.

 

Aufbau einer Städtepartnerschaft

 

Liebe geht bekanntlich durch den Magen, gleiches gilt auch für Völkerfreundschaft. Durch die chinesischen Leckerbissen ist den Einheimischen auch die Stadt Nanjing etwas näher gerückt. Um die alte chinesische Kulturstadt den Landsleuten näherzubringen, schlug der Bürgermeister Sorrentos, Giuseppe Cuomo, beim Empfang der chinesischen Köche kurzerhand vor, den bilateralen Austausch in den Bereichen Kultur und Geschichte zwischen den beiden Städten zu vertiefen.

 

„Essen kann als eine kulturelle Brücke dienen, die den Magen und das Herz der Menschen verbindet“, sagt Nino. „Ich bin immer neugierig und begeistert von der Kochkunst verschiedener Länder. Und gleiches gilt auch für meine chinesischen und italienischen Kollegen.“ Seiner Ansicht nach ist „Zwillinge“ das perfekte Wort, um die Beziehungen zwischen Sorrento und Nanjing zu beschreiben. „Ich hoffe, dass unsere beiden Städte in Zukunft in langfristigen Dialog treten“, sagt er.

 

Nach achtmonatigen Verhandlungen unterzeichneten Sorrento und der Bezirk Gulou der Stadt Nanjing am 28. November 2019 schließlich eine offizielle Vereinbarung zum Aufbau einer Städtepartnerschaft. Beide Seiten verständigten sich darauf, in den Bereichen Kultur, Bildung und Tourismus enger zusammenzuarbeiten. Damit ging ein weiterer Traum von Nino in Erfüllung.

 

Dr. Andrea Baldini, außerordentlicher Professor an der School of Arts der Nanjing University, ist ein guter Freund des Italieners. Er und Nino bemühen sich gemeinsam darum, den kulturellen und künstlerischen Austausch zwischen der Nanjing University und den relevanten Institutionen in Sorrent zu fördern. „Italien besitzt eine reiche Esskultur. Sie ist gewissermaßen ein Fenster zur italienischen Kultur und Tradition insgesamt. Der Schlüssel zu erfolgreicher interkultureller Kommunikation liegt im Ausdruck eigener Gedanken und dem Teilen dieser Gedanken mit dem Gegenüber“, sagt Baldini. Und was könnte die eigene Weltanschauung schon besser zum Ausdruck bringen, als landestypische Delikatessen?

 

Der Italiener Nino jedenfalls hat seinen Platz gefunden zwischen den Kulturen. „China hat mir die Möglichkeit gegeben, meinen Traum zu verwirklichen. Ich liebe dieses Land“, sagt er. „Ich hoffe, dass wir Ausländer gemeinsam mit den Chinesen eine bessere Zukunft schaffen können“, sagt er zum Abschluss. 

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