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Von Gaotie bis AliPay: Die „Vier große Erfindungen“ des modernen China

2018-02-02 10:06:00 Source:China heute Author:Zheng Roulin
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Von Zheng Roulin*

„Made in China“ steht für mindere Qualität und Fake-Produkte? Von wegen! Kürzlich befragte die Beijing Foreign Studies University ausländische Austauschstudenten verschiedener Nationen, welche Produkte „Made in China“ sie am liebsten in ihre Heimatländer exportieren würden. Die Teilnehmer der Umfrage stammten unter anderem aus Nepal, Kambodscha, Ägypten, der Ukraine, Indien, Polen und Malaysia. Das Ergebnis: Die meisten der Befragten nannten eine der so genannten „vier großen Erfindungen des modernen China“ als ihr Lieblingsprodukt „Made in China“, nämlich Hochgeschwindigkeitszüge, mobile Zahlungsmittel, Chinas Bike-Sharing-System und Chinas Online-Shopping.

Die „vier großen Erfindungen“ sind im Reich der Mitte ein fester Begriff und jedem Chinesen geläufig, allerdings bezogen auf vier große Errungenschaften des antiken China, nämlich Kompass, Schießpulver, Papierherstellung und Buchdruck. Schon vor Jahrhunderten gelangten diese Innovationen „Made in China“ auf dem Weg der alten Seidenstraße über die arabischen Länder bis in den Westen. Die „vier großen Erfindungen“ der Neuzeit wurden zwar streng genommen nicht in China erfunden, haben hier aber einen großen Aufschwung erlebt und das Leben der Bevölkerung nachhaltig beeinflusst und gehörig umgekrempelt.

 

 

 

Unterwegs mit Rekordtempo: Chinas neues Modell des Hochgeschwindigkeitszugs CR400BF-0503 ist mit 350 Kilometern pro Stunde unterwegs.

 

Was macht den Reiz der vier Neuheiten aus?

Hochgeschwindigkeitsbahnen sind eigentlich nichts Neues. Gehen wir zurück in die frühen 1990er Jahre. Damals arbeitete ich in Frankreich als ständiger Korrespondent für die in Shanghai basierte Zeitung „Wen Hui Bao“ und verfasste einmal einen Bericht über die Rivalität zwischen dem französischen TGV, Deutschlands ICE und dem japanischen Schnellzug Shinkansen um die Vorherrschaft auf dem chinesischen Markt. China favorisierte damals die französische TGV-Technologie und ich hatte die Ehre, Zhu Rongji, damals Bürgermeister von Shanghai und später chinesischer Ministerpräsident, auf einer Fahrt auf der Strecke Paris-Lyon im TGV zu begleiten.

China führte damals Gespräche mit der französischen Firma Alstom über Technologietransfer in diesem Bereich, erhielt aber letztlich eine Absage. Daraufhin beschloss man, eigene Hochgeschwindigkeitszüge zu entwickeln. Rund ein Jahrzehnt später wurden sie in Betrieb genommen. Hätte Alstom damals die langfristige Strategie sorgfältig ins Auge gefasst, wäre Chinas Hochgeschwindigkeitsnetz, das heute bereits eine Länge von 22.000 Kilometern misst, wahrscheinlich von den Franzosen hergestellt worden. Heute beherbergt China mehr als 65 Prozent der weltweiten Hochgeschwindigkeitsbahnen. Jede von ihnen wurde in China produziert. Die Züge erreichen Rekordbetriebsgeschwindigkeiten von 300 bis 350 Kilometern pro Stunde.

Warum aber landen Chinas Hochgeschwindigkeitsbahnen so weit oben in der Beliebtheitsskala ausländischer Studenten in China? Müsste das Fortbewegungsmittel doch nicht nur für Franzosen, Deutsche und Japaner ein alter Hut sein.

Nun, der erste Grund liegt sicherlich in der Geschwindigkeit der chinesischen Gaotie. Eine Fahrt von Beijing nach Shanghai, mit einer Strecke von 1318 Kilometern kein Katzensprung, dauert im Reich der Mitte heute gerade einmal knapp fünf Stunden. Zudem loben Passagiere das Reisefeeling der Gaotie für den ruckellosen Komfort und die große Sicherheit. Ein amerikanischer Student soll einmal eine Münze senkrecht auf das Fensterbrett eines Gaotie-Zugabteils gestellt haben, der mit Hochgeschwindigkeit unterwegs war. Die Münze blieb minutenlang stehen. Ein weiteres dickes Plus ist gewiss der Preisfaktor. Ein Economy-Class-Ticket von Beijing nach Shanghai kostet gerade einmal 553 Yuan, umgerechnet schlappe 73 Euro. Ferner lassen sich die Sitze in den Abteilen um 180 Grad wenden, so dass ohne großes Rangieren alle Passagiere in Fahrtrichtung sitzen können, was in französischen Hochgeschwindigkeitszügen nur in den Waggons der Business Class und erst ab diesem Jahr möglich ist. Obwohl Frankreich bereits seit den 1980er Jahren über eigene Hochgeschwindigkeitsbahnen verfügt, wurde das Land von China in diesem Sektor mittlerweile eingeholt, ja sogar übertroffen.

Auch die in China allgegenwärtigen mobilen Zahlungssysteme sind bei ausländischen Studenten beliebt, wie ich unter anderem bei vielen meiner französischen Freunde, die in China leben, festgestellt habe. Es ist einfach unglaublich bequem, über AliPay oder WeChat per Handy zu bezahlen. Fast alle Einzelhändler akzeptieren mittlerweile das Zahlen mit dem digitalen Geldbeutel, selbst wenn es sich um Kleinstbeträge von wenigen Yuan handelt. Ein amerikanischer Journalist setzte jüngst zu einem Experiment an, bei dem er einen ganzen Tag lang in China völlig ohne Bargeld unterwegs war. Mit Hilfe der mobilen Zahlungs-Apps auf dem Smartphone konnte er Taxis nehmen, im Restaurant essen, shoppen, Rechnungen wie Wasser- und Stromgebühren bezahlen, Kinotickets kaufen und Überweisungen an Freunde tätigen.

Laut einem Bericht der „Financial Times“ liegt der Umfang der Verwendung mobiler Zahlungsmittel in China fast fünfzig Mal höher als etwa in den USA. Im vergangenen Jahr bezahlten 358 Millionen Chinesen per Handy und die Geldsumme belief sich auf gut 5,5 Billionen Yuan. Ein wichtiger Grund für die Popularität mobiler Zahlungsdienste liegt sicherlich darin, dass die Verwendung von Kreditkarten in China keine lange Tradition hat. Bisher nahm Bargeld die dominierende Stellung im chinesischen Zahlungsverkehr ein. Heute spielt China dagegen eine weltweit führende Rolle im Bereich mobiler Zahlungen. Wie sich dieser Trend langzeitig auf den Rest der Welt auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Auch Bike-Sharing-Systeme bzw. Fahrradvermietungen gibt es schon seit langem in Frankreich und anderen westlichen Ländern. Aber im Unterschied zu China müssen Leihfahrräder beispielsweise in Frankreich noch immer an festen Stationen ausgeliehen und auch dort wieder zurückgegeben werden. In China kann man Leihräder dagegen mittlerweile an jedem beliebigen Ort ausleihen und wieder abstellen. Um das Fahrrad aufzuschließen und für die Fahrt zu bezahlen, ist lediglich das Scannen eines QR-Codes nötig, vorausgesetzt natürlich man hat sich zuvor die App des Anbieters aufs Handy geladen und sich gegen eine geringe Kaution registrieren lassen.

Und wie steht es um das Online-Shopping? Auch das ist natürlich keine rein chinesische Erfindung. Jack Ma, der Gründer des chinesischen Onlinegiganten Alibaba, ist heute weltberühmt. Seiner Gruppe unterstehen nicht nur Chinas erfolgreichste Shopping-Portale Taobao und Tmall, sondern auch Webseiten wie JD und Dangdang. Auch in Europa werden viele davon mittlerweile genutzt. Heute erreicht die Zahl der Internetnutzer in China 731 Millionen, 64 Prozent davon, also rund 467 Millionen Menschen, kaufen regelmäßig online ein. Der E-Commerce-Umsatz des Landes liegt bei schwindelerregenden 26,1 Billionen Yuan (mehr als 3,4 Billionen Euro) und macht beinahe 40 Prozent des weltweiten elektronischen Einzelhandels aus.

Ein französischer Freund von mir besuchte mich einmal zuhause in China. Er zeigte großes Interesse für ein Handy-Ladegerät, das ich benutzte, und bestellte es kurzerhand mit meiner Hilfe online. Der Auftrag wurde um 10.30 Uhr entgegengenommen und schon um 15.00 Uhr am selben Tag wurde das bestellte Gerät ins Haus geliefert. Nach den chinesischen gesetzlichen Bestimmungen können alle online bestellten Produkte innerhalb von sieben Tagen nach dem Einkauf ohne die Angabe von Gründen zurückgegeben oder ausgetauscht werden. Mein französischer Freund war sichtlich begeistert von der Effizienz, dem Komfort und der schnellen Lieferzeit chinesischer Online-Shopping-Dienste. China verfügt heute über ein umfangreiches und hocheffizientes Logistiknetz. Nicht nur in der Stadt, sondern auch in den ländlichen Gebieten schwören viele Chinesen heute auf den Einkauf per Mausklick. Da das Logistiknetz immer ausgefeilter wird, reichen die Arme der Shopping-Portale mittlerweile bis in die hintersten Winkel des Landes. Der E-Commerce-Riese JD unternahm Ende des vorigen Jahres erste Versuche, bestellte Waren per Drohne in abgelegene Teile des Landes auszuliefern. Das Internet hat also, ohne zu übertreiben, die Einkaufsgewohnheiten der Chinesen in den vergangenen Jahren revolutioniert.

 

 

 

Scannen und fertig: In einem Einkaufszentrum in der Stadt Chongqing bezahlt ein Kunde per Handy mit AliPay.

 

Veränderter Lebensstil dank neuer Technik

Die vier Innovationen der Moderne spiegeln sicherlich nur einen Bruchteil der großen Veränderungen wider, die sich im Leben der chinesischen Bevölkerung derzeit vollziehen. Während meines langjährigen Aufenthaltes in Frankreich haben mich die Leichtigkeit und der Komfort des Lebens in Europa tief beeindruckt. Heute, rund vier Jahre nach meiner Rückkehr nach China, musste ich feststellen, dass die Lebensgewohnheiten, die ich in Frankreich entwickelt habe, hier bereits überholt sind.

So war ich in meiner Zeit in Frankreich beispielsweise Stammkunde der örtlichen Postfiliale. In China gehen die Menschen dagegen heute nur noch äußerst selten zur Post. Kaum verwunderlich, braucht man schließlich nur einen kurzen Anruf zu tätigen und in kürzester Zeit klopft ein Kurier an die Wohnungs- oder Bürotür. Private Paketdienste wie der Lieferdienst Shunfeng Express sind längst zu einer starken Konkurrenz für die Post geworden.

Vor kurzem wurden im Eingangsbereich meines Wohnviertels zwei Reihen Schließfächer montiert. Wenn ich heute unkompliziert ein Päckchen versenden möchte, lege ich es einfach in einem der Schließfächer ab, trage alle relevanten Informationen ein und bezahle per Handy. Schon kurze Zeit später ist die Sendung auf dem Weg zu ihrem Empfänger, ein Kinderspiel.

In Frankreich sind Uber und ähnliche Fahrdienstleister verboten, in China dagegen sind Online-Fahrdienstleister äußerst populär. Wenn ich heute in Shanghai einen Vortrag halten muss, buche ich einfach über das Portal UCAR einen Wagen, der mich beispielsweise am Flughafen zur vereinbarten Zeit abholt und zum Veranstaltungsort bringt. Bei meiner Ankunft wartet das Auto also schon auf mich. Ich habe mit mehreren Fahrern solcher Dienste über ihre Konkurrenz zu konventionellen Taxis gesprochen. Der große Vorteil der neuen Dienste: Letztere sind bei Bedarf nicht immer verfügbar, während die neuen Onlinedienste Bedürfnisse der Kunden wie Abholzeit und –ort, ja sogar Wünsche nach dem Auto-Modell, maßgeschneidert erfüllen. Auch hier erfolgt die Zahlung bequem über das Mobiltelefon. Mittlerweile haben sich auch viele Taxifahrer in China der Online-Flotte angeschlossen und ihre Fahrtenauslastung damit deutlich erhöht.

 

 

 

Zurück aufs Zweirad: Mittlerweile gibt es in vielen chinesischen Städten Bike-Sharing-Systeme. Unser Bild zeigt junge Chinesen, die in der Stadt Nanjing, Provinz Jiangsu, mit dem Sharing-Bike unterwegs sind.

 

Innovationen verändern den Alltag

Für mich stellt sich die Frage: Was hat diese großen Veränderungen der Lebensweise der chinesischen Bevölkerung in solch kurzer Zeit bewirkt? Es ist letztlich nicht schwer, diese Frage zu beantworten.

Wenn die Industrialisierung einen gewissen Punkt erreicht, treten Innovationen als treibende Kraft der industriellen Entwicklung auf den Plan und sorgen für tiefgreifende Veränderungen, die bis in den Alltag der Menschen spürbar sind.

Nehmen wir nochmals das Online-Shopping und die flankierenden Kurierdienste als Beispiel: Die gute Entwicklung des E-Commerce ist in hohem Maße an die Geschwindigkeit der Auslieferung der Waren gekoppelt. Viele Onlinehändler haben in ihren Lagerhäusern heute automatisierte Sortiersysteme installiert, in Form scheibenförmiger Roboter. Auf Anweisung eines Auftragsabwicklungssystems wird die Position der bestellten Artikel dann automatisch von diesen Maschinen ermittelt und sie werden zur Versandstelle transportiert. Eine ganze Armada von Robotern schwirrt durch solch eine Lagerhalle, eine Szenerie die anmutet wie ein Science-Fiction-Film.

Verglichen mit dem automatisierten Kai am Hafen von Qingdao erscheint diese Lagertechnik dagegen fast wie Hightech-Spielerei. Dieser neue Kai, der vor drei Jahren entwickelt wurde und im Mai dieses Jahres in Betrieb ging, hat die erforderlichen Arbeitskräfte um 85 Prozent reduziert und die Arbeitseffizienz um 30 Prozent erhöht. Zum Beispiel sind heute nur noch neun Arbeiter nötig, um einen Container zu beladen, wofür in der Vergangenheit 60 Arbeiter ranklotzen mussten.

Die Auswirkungen der industriellen Revolution sind also schon heute in allen Bereichen des Lebens der Chinesen spürbar, egal ob es um Nahrung, Kleidung, Wohnen oder die Nutzung von Transportmitteln geht. Einige von ihnen haben den Alltag wahrhaftig revolutioniert. So nimmt China beispielsweise heute eine führende Stellung im Bereich der unbemannten Drohnen ein. Hier verfügt das Land über mehr als 400 Hersteller. 70 Prozent der Drohnen zur zivilen und militärischen Nutzung auf dem Weltmarkt stammen heute aus China.

Im Januar 2016 enthüllte China die weltweit erste automatisierte Passagier-Drohne, ein erster wichtiger Schritt hin zum Bau eines „Luftbusses“, von dessen Einsatz Wissenschaftler für die nahe Zukunft träumen. Darüber hinaus hat China auch ein unbemanntes Solar-Luftfahrzeug entwickelt, das monatelang, ja sogar jahrelang in der Luft bleiben kann. Seine Auswirkungen auf unsere Welt dürften den Rahmen unserer Vorstellungen sprengen. Wie heißt es doch so schön in einem weit verbreiteten chinesischen Sprichwort: Was wir zu träumen vermögen, können wir auch erreichen!

 

 

 

Mit Innovation an die Weltspitze: Am 18. Mai 2017 führte China erfolgreiche Proben zur Gewinnung von brennbarem Eis im Shenhu-Gebiet des Südchinesischen Meeres durch.

 

China hat mittlerweile eine Reihe von Durchbrüchen im Bereich der technologischen Innovation erzielt, in Bereichen wie der Entwicklung von brennbarem Eis, Quantencomputern, Autonomous Rail Transit (ART) und Dolmetsch- und Übersetzungsmaschinen. Manche Dolmetsch- und Übersetzungsprogramme beispielsweise wie die Software des chinesischen Unternehmens iFlytek werden schon heute für kommerzielle Anwendungen eingesetzt, andere stehen kurz vor der Anwendung.

Und der von chinesischen Unternehmen entwickelte ART-Zug kann auf herkömmlichen Straßen eingesetzt werden, ohne auf Schienen angewiesen zu sein. Bei kürzerer Bauzeit und geringeren Kosten weisen die ART-Züge genauso große Transportkapazitäten auf wie herkömmliche Gleiszüge. Laut Plan sollen erste ART-Züge bereits im Jahr 2018 auf Chinas Straßen kommen. Dann nämlich sollen die neuen Züge zunächst auf einer Pilotstrecke in der Stadt Zhuzhou, in der der ART-Entwickler CRRC Zhuzhou Institute angesiedelt ist, in Betrieb gehen, und die Verkehrslage in der Stadt merklich entspannen.

Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass China täglich neue Veränderungen erfährt. Das Land schreitet im Zuge seiner Industrialisierung von einem Wendepunkt zum nächsten. Wir dürfen also gespannt sein, was die Zukunft noch bringt im Reich der Mitte und darüber hinaus.

*Zheng Roulin arbeitete lange als Korrespondent der chinesischen Zeitung „Wen Hui Bao“ in Paris und ist zudem Autor des Buches „Les Chinois Sont des Hommes Comme les Autres“, erschienen im französischen Verlag Denoel.

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