Im Januar 2019 jährt sich der Tag der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen China und den USA zum 40. Mal. In den vergangenen vier Jahrzehnten konnte die Stabilität dieser bilateralen Beziehungen trotz einiger Windungen und Wendungen insgesamt aufrechterhalten werden. Vor allem die wirtschaftlichen Verbindungen fungierten lange als Stabilisator und brachten beiden Seiten Nutzen.
Von Qu Bo*
Im Januar 2019 jährt sich der Tag der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen China und den USA zum 40. Mal. In den vergangenen vier Jahrzehnten konnte die Stabilität dieser bilateralen Beziehungen trotz einiger Windungen und Wendungen insgesamt aufrechterhalten werden.
Gruppenbild mit Teilnehmern am Symposium zum 40-jährigen Jubiläum der Aufnahme von diplomatischen Beziehungen
zwischen China und den USA, das von der RUC North American Alumni Association und dem Carter Center China Programm
am 15. Dezember 2018 in Atlanta veranstaltet wurde.
Im Vergleich zu den Anfangsjahren vollzog sich jedoch in verschiedenen Aspekten ein starker Wandel. Was die internationale Lage betrifft, hat sich die Konfrontation zwischen den beiden Supermächten Sowjetunion und den USA in eine Konstellation verwandelt, in der die USA bis heute Supermacht bleiben, jedoch mehrere Großmächte nebeneinander bestehen. Zudem setzt sich die Multipolarisierung der Welt weiter fort.
Dieser Trend zeichnet sich auch in wirtschaftlicher Hinsicht ab: Die Weltwirtschaft hat sich von zwei gespaltenen Blocks zu einem durch Unität geprägten globalen Markt entwickelt. Befeuert wird die wirtschaftliche Globalisierung dabei vom technischen Fortschritt, der die globalen Verknüpfungen zwischen einzelnen Ländern nur weiter intensiviert.
Auch China und die USA sind wirtschaftlich stärker zusammengewachsen. Im Jahr 2017 überstieg das bilaterale Warenhandelsvolumen beider Länder die Marke von 550 Milliarden US-Dollar. Immer häufiger finden ranghohe gegenseitige Besuche statt und verschiedene Dialogmechanismen haben dazu beigetragen, das politische Vertrauen zu stärken. Was sich in den bilateralen Beziehungen aber am meisten verändert hat, war sicherlich die Verschiebung des Kräfteverhältnisses der beiden Länder. Insbesondere nachdem China mit seinem BIP im Jahr 2010 erstmals Japan hinter sich ließ und damit zur weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft aufstieg, sehen sich die chinesisch-amerikanischen Beziehungen mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Ob es der Volksrepublik und den USA gelingt, die strategischen Absichten des Gegenübers richtig zu erkennen, statt sich zu verschätzen, wird letztlich den Schlüssel zur Aufrechterhaltung der stabilen Entwicklung der chinesisch-amerikanischen Beziehungen bilden. Für die Beilegung der derzeitigen Reibereien und Streitigkeiten sollten beide Seiten in ihren Erfahrungen bei der gemeinsamen Entwicklung ihrer bilateralen Beziehungen nach Lösungskonzepten suchen.
Zeremonie der Übergabe des 2000sten Boeing-Flugzeugs an eine chinesische Fluggesellschaft,
die am 30. November 2018 in Boeings Dilivery Center in Seattle stattfand. In diesem Rahmen wurde die Boeing 737 Max
in den Dienst der chinesischen Xiamen Airlines gestellt.
Verschiebung des Kräfteverhältnisses
Seit der Einführung der Reform- und Öffnungspolitik vor 40 Jahren haben Chinas wirtschaftliche und umfassende Stärke an Fahrt gewonnen. Im Jahr 2010 hängte die Volksrepublik Japan ab und wurde zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Chinas Produktionsmenge der Fertigungsindustrie und auch seine Elektrizitätserzeugung überstiegen die der USA. Bis Ende 2015 war die Produktionsmenge der chinesischen Fertigungsindustrie 1,5-mal so groß wie die Produktionsmenge der amerikanischen Fertigungsindustrie und entsprach damit der Gesamtproduktionsmenge der Fertigungsindustrie der USA und Japans zusammen.
Im Jahr 2017 belief sich Chinas BIP auf zwölf Billionen US-Dollar, während das der USA bei 19,3 Billionen US-Dollar lag. Im Vergleich zum Jahr 2010 war Chinas BIP damit um 98 Prozent gewachsen, während das BIP-Wachstum der USA bei nur 30 Prozent lag.
Im 20. Jahrhundert setzten sich die USA vor allem mit drei wirtschaftlichen Rivalen auseinander, nämlich Deutschland, Japan und der Sowjetunion. Selbst als diese drei Rivalen ihren Entwicklungsgipfel erreichten, machte die gesamte Produktionskapazität der Fertigungsindustrie lediglich zwei Drittel der Kapazität der amerikanischen Fertigungsindustrie aus. Kaum verwunderlich also, dass sich amerikanische Forscher und politische Beobachter des Landes erschüttert zeigten über die große Kapazität der chinesischen Fertigungsindustrie. Wie Chinas strategische Absichten vor dem Hintergrund der Verschiebung der Kräfteverhältnisse eingeschätzt und bewertet werden, bildet seither eine Schlüsselfrage für amerikanische Strategieforscher.
In der zweiten Legislaturperiode der Obama-Regierung wurde die amerikanische China-Strategie stark reguliert. Strategien Amerikas wie „Return to Asia“, „Strategic Pivot“ und „Rebalancing“ zielten darauf ab, Chinas Aufstieg zu verhindern. Die Obama-Regierung beabsichtigte, durch die Stärkung bestehender Bündnisse und größere militärische Präsenz im Asien-Pazifik-Raum eine neue „Indo-Pacific Strategy“ herauszubilden und durch die Umsetzung des Trans-Pacific Partnership Agreement (TPP) der Verschiebung des Kräfteverhältnisses zu begegnen.
Nach seinem Amtsantritt stärkte US-Präsident Donald Trump zwar die Zusammenarbeit mit China in bestimmten internationalen Fragen, darunter etwa die koreanische Atomfrage, insgesamt aber verlieh der neue US-Präsident der amerikanischen China-Politik einen zunehmend offensiveren Charakter. Die Handelsstreitigkeiten zwischen China und den USA eskalieren zunehmend und die USA erheben heute immer heftigere Vorwürfe gegenüber China.
Viele Wissenschaftler sind der Ansicht, dass sich die Grundlage der amerikanischen China-Politik gewandelt hat. Die beiden starken Parteien der USA haben einen neuen Konsens für die China-Strategie des Landes gebildet, der Eindämmung (containment), Entkoppelung (decoupling) und Einschränkung (confining) beinhaltet. Einige Experten vertreten sogar die Auffassung, dass es unvermeidlich sei, dass es in Zukunft zu Konflikten zwischen China und den USA kommt. Die bilateralen Beziehungen drohten in Richtung der Thucydides-Falle (Thucydides's trap) abzugleiten.
Ob die vorhergesagten Konflikte und Konfrontation vermieden werden können, wird schließlich in großem Maße davon abhängen, ob es beiden Seiten gelingt, ihre gegenseitigen strategischen Absichten richtig zu erkennen und falsche Einschätzungen diesbezüglich aus der Welt zu schaffen.
Chinas Absicht der friedlichen Entwicklung bleibt unverändert
Wie bereits betont, ist es von zentraler Bedeutung, dass China und die USA ihre strategischen Absichten gegenseitig richtig erkennen. Die USA sollten bei der Festlegung der Grundlage ihrer China-Politik nicht nur die Verschiebung der Machtverhältnisse im Auge behalten, sondern auch Chinas strategische Absichten richtig deuten. China hält unbeirrt daran fest, den Weg der friedlichen Entwicklung zu beschreiten und setzt sich für chinesisch-amerikanische Beziehungen ein, die durch Nichtkonflikt, Nichtkonfrontation, gegenseitigen Respekt und Win-win-Kooperation geprägt sind. China hegt keinerlei Absicht, die bestehende internationale Ordnung herauszufordern. Stattdessen fungiert das Land als deren aufrichtiger Verteidiger und Förderer. Das lässt sich in folgenden Punkten darstellen:
1) Die auf den Vereinten Nationen beruhende internationale Ordnung entspricht Chinas Interessen und Werten. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs dienen die Vereinten Nationen als Fundament der internationalen politischen Ordnung. Die von der UNO geschaffenen Grundprinzipien beziehen sich auf die gegenseitige Achtung der Souveränität und der territorialen Integrität aller Länder, gegenseitigen Nichtangriff, gegenseitige Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten, Gleichheit und gegenseitigen Nutzen sowie friedliche Koexistenz. Diese Grundprinzipien werden von der chinesischen Außenpolitik mit Entschiedenheit unterstützt und verfolgt. China ist ein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates, Mitglied der G20 und zahlreicher anderer internationaler Organisationen. Das Land strebt danach, gemeinsam mit anderen Staaten die Stabilität des internationalen Systems zu wahren.
2) Seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen China und den USA hat China seine Wirtschaft immer weiter für die Weltwirtschaft geöffnet und ist mittlerweile zu einem wichtigen Bestandteil der Weltwirtschaft gereift. Einerseits hat China seine Entwicklung der Weltwirtschaft zu verdanken, andererseits leistet die Volksrepublik auch wichtige Beiträge für diese. In den kommenden 30 Jahren wird China auch weiterhin als entschiedener Unterstützer des liberalen Handels und des Multilateralismus fungieren.
3) In historischer Hinsicht ist sich China bewusst, dass Konflikte zwischen Großmächten sowie Hegemonie- und Expansionsbestrebungen zwangsläufig in Verfall und Untergang münden. Das zeigt sich unter anderem am wichtigsten weltpolitischen Ereignis des 20. Jahrhunderts: der Auflösung der Sowjetunion. Die Gründe hierfür waren natürlich vielfältig. Aber auf der Ebene der internationalen Politik sorgten letztendlich das Wettrüsten und der Konflikt mit den USA sowie die Expansion in Übersee für den Untergang der UdSSR. China sollte aber nicht mit der Sowjetunion verwechselt werden. Die Volksrepublik befindet sich gerade in der entscheidenden Periode der umfassenden Vollendung des Aufbaus einer Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand sowie in der Übergangsphase zur Verwirklichung des zweiten Ziels seiner Ziele „Zweimal hundert Jahre“. China wird weder den Weg der Konfrontation mit den USA einschlagen, noch hegt das Land Ambitionen zur Expansion in Übersee.
Das Gegenüber richtig einschätzen
Seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen China und den USA vor 40 Jahren konnten beide Seiten, wie eingangs erwähnt, in ihrem Umgang trotz Hindernissen und Schwierigkeiten insgesamt die Stabilität aufrechterhalten. Dabei wurden gute Erfahrungen gesammelt, die sich heute zur richtigen Einschätzung der gegenseitigen strategischen Absichten heranziehen lassen:
1) Es hat sich gezeigt, dass der Verkehr zwischen den führenden Persönlichkeiten beider Länder dazu beiträgt, politisches Vertrauen aufzubauen. Seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen statten sich die Spitzenpolitiker Chinas und Amerikas immer wieder gegenseitige ranghohe Besuche ab. Dies bildet einen wichtigen Weg zum Aufbau von strategischem Vertrauen. Am Neujahrstag 1979 vollzog sich die offizielle Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der Volksrepublik und den USA. Vom 28. Januar bis zum 5. Februar 1979 statte Deng Xiaoping den USA einen neuntätigen Staatsbesuch ab. Durch diesen Besuch wurde die Stärkung der bilateralen Beziehungen erheblich vorangetrieben und auch das Weltgefüge hat sich dadurch maßgeblich verändert. Staatspräsident Xi Jinping hat sich ebenfalls mehrfach mit den US-Präsidenten Obama und Trump getroffen. Bei den Zusammenkünften wurden wichtige Fragen bezüglich der bilateralen Beziehungen erörtert. Auch beim jüngsten Treffen der Staatsoberhäupter wurden Lösungswege für die bestehenden Differenzen und Probleme zwischen beiden Ländern diskutiert. Dabei wurde eine Reihe konstruktiver Lösungsvorschläge unterbreitet, die dabei helfen sollen, die chinesisch-amerikanischen Beziehungen wieder in die richtige Bahn zu lenken.
2) Die Dialogmechanismen zwischen beiden Ländern sollten gut genutzt werden. Bereits während der Regierungszeit von George W. Bush haben die beiden Länder im Jahr 2005 versucht, ranghohe Dialogmechanismen zwischen beiden Ländern zu etablieren. So fand im August 2005 der erste bilaterale Strategiedialog statt. Zwischen 2006 und 2008 wurden insgesamt fünf Runden des Strategie- und Wirtschaftsdialogs abgehalten. Der amerikanische Vertreter Henry Paulson erklärte, diese Foren könnten zum gegenseitigen Vertrauen zwischen Amtsträgern beider Länder sowie zur Lösung bestehender Probleme beitragen.
Während der Zeit der Obama-Regierung stimmten die beiden Seiten einhellig zu, den Mechanismus der Strategie- und Wirtschaftsdialoge fest zu verankern. Zwischen 2009 und 2016 wurden insgesamt acht Dialogrunden veranstaltet. Dieser Dialogmechanismus besteht, wie der Name schon sagt, aus zwei Teilen, nämlich einem strategischen und einem wirtschaftlichen Teil.
Im April 2017 kündigten Chinas Staatspräsident Xi Jinping und US-Präsident Trump bei ihrem Zusammentreffen an, vier ranghohe Dialogmechanismen zu etablieren, nämlich Dialoge über Außenpolitik und Sicherheit, über umfassende wirtschaftliche Themen, über Gesetzesdurchführung und Internetsicherheit sowie über den gesellschaftlich-kulturellen Austausch. Durch diese Dialoge sollten Mechanismen zur Unterstützung der gegenseitigen Verständigung aufgebaut werden.
Der Blick in die Vergangenheit zeigt also, dass Dialogmechanismen eine große Rolle bei der Problemlösung, aber auch für die richtige Einschätzung der strategischen Absichten des Gegenübers spielen. In der Gegenwart sollten diese Dialogmechanismen wieder gut genutzt werden.
3) Zum Vorteil aller Beteiligten sollte zudem die chinesisch-amerikanische Wirtschaftspartnerschaft vertieft werden. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern werden schon immer als Stabilisator ihrer bilateralen Beziehung betrachtet. Angesichts der Handelsstreitigkeiten befürchten einige Experten nun allerdings, dass die wirtschaftliche Verbindung an Effektivität einbüßen könnte, ja einige Wissenschaftler meinen sogar, dass die Wirtschaftsverbindung einen neuen Konfliktherd zur Destabilisierung der Beziehungen darstellen könnte.
Allerdings erfüllt die Interdependenz der chinesisch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen noch immer eine stabilisierende Funktion. Blickt man auf die vergangenen 40 Jahre zurück, erkennt man, dass diese bilateralen Wirtschaftsbeziehungen letztlich beiden Seiten Nutzen gebracht haben. China ist der größte Handelspartner der USA und diese sind wiederum der zweitgrößte Handelspartner der Volksrepublik. Nach Chinas WTO-Beitritt haben sich die amerikanischen Exporte nach China verfünffacht. Heute bildet die Volksrepublik einen wichtigen ausländischen Markt für viele amerikanische Waren. 60 Prozent der von den USA exportierten Bohnen, 14 Prozent der Baumwolle, 17 Prozent der Automobile, 15 Prozent der integriertem Schaltungen sowie 25 Prozent der Boeing-Maschinen werden nach China verkauft. Die chinesisch-amerikanischen Beziehungen sind in ihrem Wesen also vorteilhaft für beide Seiten und bilden eine Win-win-Situation. Sie fördern die Wirtschaftsentwicklung beider Länder. Zudem erwachsen aus den immer enger werdenden wirtschaftlichen Verbindungen neue Kräfte, die die freundschaftlichen Bande beider Länder stärken.
In der heutigen Welt vollzieht sich ein im vergangenen Jahrhundert nie da gewesener Wandel. Die stabile Entwicklung der bilateralen Beziehungen zwischen China und den USA hängt in hohem Maße von einer richtigen Einschätzung der strategischen Absichten des Gegenübers ab. Chinas Entschlossenheit, unbeirrt den Weg der friedlichen Entwicklung zu beschreiten, ist felsenfest. Daran wird sich auch mit wachsender Stärke des Landes nichts ändern. China wird auch in Zukunft die internationale Ordnung unterstützen und zu ihr beitragen.
*Der Autor Qu Bo ist Direktor des Instituts für internationale Beziehungen (Institute of International Relations) an der China Foreign Affairs University.