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Die Chance zur Verständigung wahrnehmen – Der Dialog der asiatischen Zivilisationen in Beijing aus europäischer Perspektive

2019-05-20 09:27:00 Source:China heute Author:
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Von Verena Menzel

 

Es war ein internationales Großevent der Superlative, das am 15. Mai in Beijing eröffnet wurde – der Dialog der asiatischen Zivilisationen (Conference on Dialogue of Asian Civilizations, kurz CDAC). Staats- bzw. Regierungschefs von Kambodscha, Griechenland, Singapur, Sri Lanka und Armenien sowie weitere Spitzenpolitiker und Vertreter internationaler Organisationen wie der UNESCO sowie einflussreiche Experten und Wissenschaftler aus Universitäten, Denkfabriken, Medien- und Jugendorganisationen, Literatur, Kunst, Medien sowie Film und Fernsehen aus aller Welt nahmen an der Veranstaltung teil. Bei mehr als 110 Einzelveranstaltungen tauschten sich die Teilnehmer der Konferenz über verschiedenste Themen in Bezug auf Entwicklung und Zusammenarbeit der Zivilisationen Asiens aus.



Dr. George Tzogopoulos


Auch zahlreiche Vertreter aus Europa zeigten bei der Dialogplattform mit Asienfokus Präsenz, darunter auch Dr. George Tzogopoulos, Direktor der EU-China-Programme des „Centre internationale de formation européenne“. Die Message, die China durch die Organisation der Konferenz aussende, sei letztlich eine internationale, die über die Region Asien hinausreiche, sagte der Grieche. Das sei auch der Grund, weshalb er eigens für die Großveranstaltung nach Beijing gereist sei.


Besonders die Menschen im Westen hätten sich lange mit der Theorie des sogenannten „Kampf der Kulturen“ (clash of civilizations) beschäftigt. „Dass diese Theorie überholt ist, war eine der Kernaussagen der Eröffnungsrede von Chinas Staatspräsident Xi Jinping. China trägt mit dieser Veranstaltung zu mehr Zusammenarbeit zwischen den Zivilisationen bei, und zwar nicht nur zwischen den Zivilisationen Asiens, sondern auch in anderen Teilen der Welt, einschließlich des Westens“, so der China-Kenner.


Tzogopoulos selbst glaubt nicht daran, dass das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen unausweichlich konfliktgeladen verlaufen muss. „Ich denke, der Kampf der Kulturen lässt sich vermeiden. Was man tun kann, ist stärkeren Dialog zu suchen und mehr Verständnis unter den Völkern anzustreben.“


Letztlich habe die Konferenz in Beijing auch das Potential, Chinas Image in Griechenland und Europa zu verbessern, so Tzogopoulos. Dort hatte das wirtschaftliche Engagement chinesischer Unternehmen in der Vergangenheit teils für Kritik und Negativschlagzeilen gesorgt.


Hierzu sagt der Grieche: „China trägt zu griechischen Privatisierungen bei, die im Rahmen der Hilfsmaßnahmen für unser Land wichtig sind. Das Engagement chinesischer Staatsunternehmen, zum Beispiel im Hafen von Piräus, ist wichtig für die griechische Wirtschaft, und ich denke, dass sich in einer wirtschaftlich globalisierten Welt Unternehmen aus verschiedenen Ländern beteiligen können. Meiner Meinung nach trägt der asiatische Zivilisationsdialog hier in Beijing auch dazu bei, Chinas Image in Griechenland zu verbessern, was ich als sehr positiv bewerte.“


Die Kultur könne letztlich zu einem entscheidenden Bindeglied im Dialog zwischen den Völkern werden. „Wenn es Menschen und Politikern gelingt, über kulturelle Dinge zu sprechen, dann können sie auch andere Themen diskutieren, einschließlich Handel und Wirtschaft“, so Tzogopoulus.



Alistair Michie


Wie wichtig die Verstärkung des Dialoges ist, um bessere Verständigung und damit auch ein besseres Auskommen miteinander zu erreichen, unterstrich auch Alistair Michie, Generalsekretär des British East Asia Council.


„Asien umfasst 60 Prozent der Weltbevölkerung, die USA liegen dagegen nur bei etwa vier Prozent, Europa bei unter zehn. Dennoch sind Europa und die USA heute sehr dominant im kulturellen Denken und in der medialen Kommunikation. Und das ist meines Erachtens ein großes Problem, denn die Menschen im Westen wissen oft gar nicht, was hier in Asien wirklich passiert“, so der Ostasien-Experte.


Der Aufstieg Asiens verlaufe trotz der zunehmenden medialen Vernetzung der Welt im Westen noch immer weitgehend unbemerkt. „Die Entwicklung, die sich hier gerade vollzieht, wird in Europa und Amerika, vor allem in meiner Heimat Großbritannien, nicht verstanden“, sagt Michie. China und Asien seien Forschungsfelder, die praktisch nicht im britischen Schulcurriculum enthalten seien. Und das bedeute wiederum, dass es für junge Menschen in Großbritannien auch kaum Motivation gebe, Fächer mit Asien- oder Chinabezug an der Universität zu studieren.


„Ich denke, wir, die Menschen in Europa und Amerika, vergessen, wie kurz die Zeit war, in der wir in den letzten 150 Jahren die Welt angeführt haben“, so der Brite. „Asien hat über 2000 Jahre enorme Beiträge zum Fortschritt der Menschheit geleistet. Indien beispielsweise war schon früh eine äußerst erfolgreiche und hoch entwickelte Zivilisation. Und auch dem Reich der Mitte hat die Welt, wie wir wissen, viele Erfindungen zu verdanken. Einige Historiker gehen sogar so weit, zu sagen, dass China in Bezug auf alle menschlichen Errungenschaften der letzten 2000 Jahre 1800 Jahre lang die Welt angeführt hat. Ich denke, das ist etwas, was man im Hinterkopf behalten muss.“ Einen der Gründe für das mangelnde Bewusstsein für diese historischen Zusammenhänge und die neuerlichen Entwicklungen in Asien sieht Michie darin, dass es den asiatischen Ländern bisher nicht gut genug gelinge, sich dem Westen zu präsentieren. Asien muss viel klüger und innovativer darin werden, seine Geschichten in Europa und den USA gut zu erzählen“, sagt der Brite.



Patrick O’Donnell


Einer, der sich genau das zur Aufgabe gemacht hat, ist der britische Journalist Patrick O’Donnell. Auch er ist eigens für das Großevent nach Beijing gekommen. Normalerweise berichtet er vom Londoner Nachrichtenbüro des China Global Television Network (CGTN) aus über China und die Welt.


Er sagt: China hat ein Imageproblem in den westlichen Medien. Wir wollen bei CGTN ein anderes Sprachrohr als die traditionellen westlichen Medien darstellen. Ich selbst habe lange Jahre in traditionellen westlichen Medien gearbeitet, und für mich ist es ganz schön, die Dinge nun von einer anderen Perspektive aus zu präsentieren.“ Über seine Berichterstattung sagt O’Donnell: „Ich versuche, mir solche Geschichten anzusehen, über die bisher zu wenig berichtet wird, oder ich betrachte eine andere Seite bestehender Geschichten im asiatischen Kontext.“


Der Versuch, andere Länder dem eigenen Kultursystem anzugleichen, sei jedenfalls kein gangbarer Weg zur Lösung bestehender Probleme, betont der Journalist. „Wir sollten nicht versuchen, alle gleich zu machen oder andere verwestlichen zu wollen. Stattdessen gilt es, bestehende Unterschiede zwischen Menschen zu verstehen, damit zu arbeiten und letztlich in Harmonie voranzukommen.“

Seiner Meinung nach kann die CDAC in Beijing auch der westlichen Kultursphäre wertvolle Anstöße geben. „Es gibt viele Zivilisationen im Westen, obwohl sie vielleicht nicht so alt sein mögen wie China, aber sie sind sehr unterschiedlich. Auch zwischen den westlichen Nationen ist ein besseres Verständnis nötig. Und der Schlüssel dazu liegt in einem konstruktiven Dialog und in konstruktiven Diskussionen, wie wir sie hier in Beijing erleben.“



Prof. Dr. Ole Doering


Dass Menschen zum Dialog an einen Tisch kommen, bildet auch für den Deutschen Sinologen und Philosophen Prof. Dr. Ole Doering, Mitbegründer des Think Tanks „Institute for Global Health“ in Berlin, die Basis für jede Form der Völkerverständigung. „Dass die Menschen miteinander reden und sich nicht bekämpfen, dass sie versuchen, sich gegenseitig zu verstehen, ist die Mindestanforderung. Es handelt sich immer um einen Prozess, aber zuerst müssen wir uns gegenseitig respektieren, danach können wir einander kennenlernen. Und nachdem wir uns besser kennengelernt haben, verstehen wir, was wir brauchen und wie wir zusammenarbeiten können. Der Rest kommt dann schon ganz automatisch“, sagt der Forscher.


Derzeit biete sich der Welt eine einzigartige Chance, so Doering: „Wir haben jetzt die Möglichkeit, etwas zu tun, was wir in den letzten 200 Jahren nicht getan haben, nämlich einander als Zivilisationen vorzustellen, dem anderen unseren Bezugsrahmen und unsere Erfahrungen verständlich zu machen, zu zeigen, woher wir kommen und wer wir sind, und gleichzeitig auch zu fragen, wer das Gegenüber eigentlich ist.“


Derart gute Voraussetzungen, eine echte kulturelle Verständigung zwischen China und Europa zu beginnen, habe es das letzte Mal gegeben, nachdem der italienische Jesuit Matteo Ricci im 16. Jahrhundert nach China gekommen sei, erklärt der deutsche Sinologe.

„Gemeinsam mit seinem chinesischen Kollegen Xu Guangqi hat Ricci die sogenannte Akkommodationstheorie entwickelt, die davon ausgeht, dass alle Menschen als vernünftige Wesen ein gemeinsames Fundament besitzen, das Verständigung grundsätzlich möglich macht. Man muss sich bloß Zeit geben, sich aneinander zu gewöhnen.“ Dass sich einzelne Kulturen jeweils anders organisieren, was sich zum Beispiel in Riten oder teils sehr unterschiedlichen formalen Strukturen zeige, stehe dieser Verständigung keineswegs im Wege.


„Bevor es zum großen Knall mit den Opiumkriegen im 19. Jahrhundert kam, hatten wir die Chance, uns kennenzulernen. Wir haben sie damals nicht genutzt. Jetzt bietet sich uns diese Möglichkeit zum allerersten Mal erneut. Ich hoffe, dass wir es diesmal richtig machen“, sagt Doering.



Ole Doering im Gespräch mit Journalisten


Doch dafür sei im Westen ein Umdenken erforderlich, betont er. „Win-win funktioniert im Denken vieler Europäer noch immer nur im Rahmen der eigenen Komfortzone der transatlantischen Welt, das heißt innerhalb des westlichen Blockes aus Zeiten des kalten Krieges, der aber natürlich längst nicht mehr existiert.“ Was das betreffe, stecke Europa noch immer in den Denkmustern des 19. Jahrhunderts fest. „In den USA herrscht noch die Mentalität des 18. Jahrhunderts vor. Die Chinesen hingegen sind in ihrem Denken bereits im 21. Jahrhundert angekommen und finden schon heute neue Zugänge zur Entwicklung“, so der Deutsche.


Insbesondere in Bezug auf die von China vorgebrachte Seidenstraßeninitiative wünscht sich Doering mehr Engagement von europäischer Seite. „Europa darf Chinas Seidenstraße nicht einfach passiv hinnehmen oder sich darüber beschweren, sondern wir müssen sie als wirtschaftliches Globalisierungsprojekt aktiv mitgestalten“, fordert er.


Auch hierfür kann die Konferenz in Beijing seiner Ansicht nach neue Impulse geben. „In seiner Grundsatzrede bei der Eröffnungsfeier fand Xi Jinping sehr richtige Botschaften, um alle zu motivieren, die Seidenstraßeninitiative als konstruktiven Ansatz zu begreifen, der Menschen zusammenbringt. In diesem Sinne ist diese Konferenz ein sehr guter Anfang, um in Zukunft noch mehr zu bewegen“, so der Deutsche.

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