Im Zuge des wissenschaftlich-technologischen Fortschritts haben wir Menschen immer tiefer ins Universum geblickt und dieses erforscht. Seit jeher hat das die Phantasie beflügelt und Generationen von Schriftstellern und Filmemachern inspiriert. China erlebt schon seit einigen Jahren einen Science-Fiction-Boom. Neue Werke und Produktionen bringen die Faszination der Weiten des Weltalls einem breiten Publikum näher. Auch neue Kulturprodukte rund um Sterne und Galaxien sind auf dem Vormarsch. Bei Simulationen interstellarer Reisen oder dem Besuch von Weltraummuseen können die Besucher das spannende Themenfeld Universum hautnah erleben.
So auch bei der China Science Fiction Convention 2023 (CSFC), die vom 29. Mai bis zum 4. Juni in Beijing stattfand. Sci-Fi-Fans erwartete hier ein buntes Programm, das von Ausstellungen und spannenden Podiumsdiskussionen bis hin zu einer Sci-Fi-Erlebnismeile reichte.
Futuristisches vor alter Industriekulisse: Vom 29. Mai bis zum 4. Juni fand in Shougang-Park in Beijing die CSFC 2023 statt.
Wenn Raumfahrt auf Science-Fiction trifft
In einer Modell-Kapsel sitzend, den Steuerknüppel in der Hand und eine VR-Brille auf der Nase, tritt die 70-jährige Tang Qiuping zusammen mit ihrem „Astronauten-Kollegen“, einem Oberstufenschüler der der Peking-Universität angegliederten Shijingshan-Schule, die Rückreise zur Erde an.
Schlange stehen an der Raumkapsel: Am 30. Mai warten diese CSFC-Besucher darauf, eine Raumkapsel zur Rückkehr auf die Erde von innen zu erleben.
Nach dem fünfminütigen virtuellen Trip nimmt Tang Qiuping die Brille ab und steigt aus der Kabine. Die 70-Jährige ist begeistert. „In der Kabine fühlt sich der Flug total real an. Und die Erde ist vom Weltraum aus unglaublich schön. Dieses simulierte Astronautenerlebnis ist wirklich unvergesslich“, sagt sie.
Wang Deng, Direktor der Forschungsabteilung für die Popularisierung wissenschaftlicher Erkenntnisse an der Akademie für Raumfahrtwissenschaft und -technologie, erklärt: „Diese Installation heißt ‚Rückkehr zur Erde‘. Die Nutzer erhalten darin per VR-Brille einen 360-Grad-Panoramablick auf das Innere der Raumstation. In der Rückkehrkapsel erleben sie die Trennung von der Raumstation, den Wechsel der Umlaufbahn, das Eintreten in die Erdatmosphäre und die Landung in den Armen von Mutter Erde.“
Ausprobieren kann man das realistische Erlebnis im Ausstellungsbereich „Capital Youth Science Fiction Education Space“ der Convention, der von der Beijing Science and Technology Association gefördert wurde. Wang Deng sagt, dass seine Kollegen hier eine organische Kombination aus Raumfahrt und Science Fiction geschaffen hätten. Mit Hilfe von virtueller Realität und somatosensorischer Interaktionstechnologie hätten sie die wissenschaftlich-technologischen Errungenschaften auf dem Gebiet der Luft- und Raumfahrt, wichtige Projekte und einige der Zukunftsvisionen der Forscher in einer immersiven und interaktiven Erlebniswelt einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht, sagt er. Ziel sei es, mehr Kenntnisse über die Raumfahrt zu vermitteln, den Menschen die Raumfahrtkultur live näherzubringen und das Verständnis für die Raumfahrt durch diese interaktive Erfahrung zu vertiefen.
Eine offene Sci-Fi-Industrie
Science-Fiction und wissenschaftlich-technologische Innovation sind untrennbar miteinander verbunden. Die Sci-Fi-Welt speist die wissenschaftlich-technologische Innovation mit Inspiration und kreativen Ideen, während der wissenschaftlich-technologische Fortschritt die Grenzen der Science-Fiction ständig erweitert.
Der kürzlich veröffentlichte „Bericht über die chinesische Science-Fiction-Industrie 2023“ konzentriert sich auf die fünf Hauptsektoren der Branche im Jahr 2022, nämlich Literatur, Film und Fernsehen, Gaming, Merchandise und Kulturtourismus. Demnach belief sich der Gesamtumsatz der chinesischen Science-Fiction-Industrie im vergangenen Jahr auf rund 88 Milliarden Yuan. Rund drei Milliarden davon erwirtschaftete der Literatursektor, was einer Steigerung um 12,6 Prozent gegenüber 2021 entspricht. Die Gesamtumsätze des Gaming-Sektors erreichten stattliche 56,5 Milliarden Yuan. Den Mammutanteil erwirtschafteten dabei Handyspiele, sie steuerten stolze 56,2 Milliarden Yuan zum Gesamtumsatz bei. Auch im Ausland schnitten chinesische Science-Fiction-Spiele übrigens gut ab.
Die boomende Entwicklung der Sci-Fi-Industrie lebt natürlich vom Interesse der Verbraucher. Und es sind besonders junge Chinesinnen und Chinesen, die der Branche zu Höhenflügen verhelfen. Die Gruppe der 21- bis 40-Jährigen gibt deutlich mehr für Sci-Fi-Produkte aus als andere Altersgruppen. Junge Erwachsene fühlen sich dabei insbesondere von den technologischen Gedankenspielen der Sci-Fi-Filme und der entsprechenden Streamingserien angezogen, aber auch von visuellen Effekten, kreativen Merchandise-Produkten und der visuellen Wirkung von Sci-Fi-Spielen.
Wissenswertes rund ums Weltall: Diese Schüler der Shijingshan-Mittelschule in Beijing lauschen am 30. Mai gespannt einem CSFC-Mitarbeiter.
Chinesische Science-Fiction erfreut sich nicht nur in China großer Beliebtheit, sondern hat auch im Ausland eine große Anhängerschaft. Dazu hat auch die Trisolaris-Trilogie, der preisgekrönte Weltbestseller von Starautor Liu Cixin, beigetragen. Science-Fiction aus China ist damit in den Mainstream der weltweiten Sci-Fi-Gemeinde aufgerückt. Als Meilenstein der chinesischen Science-Fiction-Filme feierte außerdem „The Wandering Earth“ in Übersee beachtliche Kassenerfolge, was chinesische Science-Fiction weltweit noch bekannter machte. Die kreativen Werke sind zu einem wichtigen Fenster für Ausländer nach China geworden. Sie geben neue Einblicke ins Reich der Mitte und helfen dabei, das Land besser zu verstehen.
Prominent besetzte Runde: Am 31. Mai tauschten sich chinesische Science-Fiction-Autoren und Redakteure auf einem Unterforum der CSFC über ihre Erfahrungen beim Erstellen und Verfilmen von Science-Fiction-Werken aus.
Vergangenheit und Zukunftsmusik
Seit 1838, als die Längeneinheit Lichtjahr zum ersten Mal verwendet wurde, sind die Entfernungen zwischen kosmischen Körpern nicht mehr unergründlich. Der kosmische Raum ist in der Vorstellung der Menschen beim Blick in den Sternenhimmel greifbar geworden.
Auch die Science-Fiction hat in China eine jahrhundertelange Entwicklung erfahren. Der chinesische Schriftsteller Lu Xun war einst der erste, der Jules Vernes Science-Fiction-Romane ins Chinesische übersetzte, um auf literarische Weise Wissenschaft und Technologie zu verbreiten und das Volk aufzuklären. Im vergangenen Jahrhundert haben sich Chinas Wissenschaft und Technologie rasant entwickelt. Ein Sprecher der Nationalen Behörde für bemannte Raumfahrt (CMSA) gab am 29. Mai bekannt, dass man in die Phase der aktiven Vorbereitung für eine Mondlandung im Rahmen des Projekts zur bemannten Erforschung des Mondes gestartet sei. Bis 2030 sei die erste Landung von Chinesen auf dem Mond geplant, so der Sprecher.
Am 30. Mai wurde das chinesische Raumschiff Shenzhou-16 erfolgreich gestartet. Um 18:22 Uhr Ortszeit Beijing begrüßte die Besatzung von Shenzhou-15 die lange erwartete Shenzhou-16-Besatzung auf der Raumstation Tiangong. Mit der Entwicklung der nationalen Raumfahrtindustrie erweitert sich auch der Horizont der Menschen.
Für Laien lassen die rasanten wissenschaftlich-technologischen Fortschritte die Grenze zwischen Realität und Science-Fiction verschwimmen. Geräte wie Computer und Smartphones geben Otto-Normalverbrauchern die Möglichkeit, im Internet auf eine andere, virtuelle Welt zuzugreifen, außerhalb der realen Welt. So können ganz gewöhnliche Menschen mittels Science-Fiction gedanklich in die ferne Zukunft reisen.
Nicht zuletzt überschreitet die Science-Fiction nationale Grenzen. Denn sie befasst sich mit dem Schicksal der gesamten Menschheit. Während sie uns einzigartige Erlebnisse beschert und unsere Fantasie anregt, füllt sie die Leere und Einsamkeit, die wir nicht selten verspüren, wenn wir zu den Sternen blicken. Die Vorstellung der Existenz anderer Zivilisationen auf fernen Planeten erlaubt es uns, das weite Universum aus einer Perspektive jenseits der Realität zu betrachten, die Erde, auf der wir leben, zu erforschen, die Unbedeutsamkeit des Menschen in den Weiten des Weltalls zu akzeptieren und uns selbst besser zu verstehen.