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Die deutsche Feder hinter Liu Cixin und Mo Yan: Kulturvermittlerin Karin Betz

2025-02-20 13:15:00 Source:german.chinatoday.com.cn Author:Wang Ruying
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Alles begann mit Chinesischunterricht an der Goethe-Universität Frankfurt. Hier wurde einst der Grundstein dafür gelegt, was für Karin Betz heute Beruf und Passion zugleich ist. „In die Übersetzung guter Bücher sehe ich meine Zeit bestens investiert, weil so noch mehr Menschen in Deutschland China durch die Lektüre entdecken und verstehen können“, sagt die gelernte Sinologin. Und tatsächlich stößt Betz mit ihren Übersetzungen für die deutschsprachige Leserschaft seit langem ein Fenster auf zu den Schönheiten der chinesischen Literatur. 

 

 

 

Literatur kennt keine Grenzen: „Literarische Werke sind ein bedeutender kultureller Botschafter eines Landes“, sagt Betz. (Foto zur Verfügung gestellt von Karin Betz) 

  

Verbundenheit zu China 

Ende der 1970er Jahre entstand im Westen ein Hype um die chinesische Sprache. Immer mehr Westler begannen, Chinesisch zu lernen und sich mit China vertraut zu machen. Karin Betz war eine von ihnen. In den 1980er Jahren habe es in Deutschland ein reges Interesse an chinesischer Literatur gegeben, sagt sie. „Auch ich war damals ungemein neugierig auf China“, erinnert sie sich. Die eleganten Schriftzeichen, die fremde Kultur, all dies faszinierte die junge Frau damals so sehr, dass sie sich nach dem Abitur für ein Sinologiestudium an der Goethe-Universität in Frankfurt entschied. 

  

Die heute 56-Jährige erinnert sich noch gut an ihre Studienzeit am Institut für Sinologie: „Damals beschäftigten wir uns an der Universität vor allem mit Klassikern wie dem Daodejing. Um das komplexe klassische Chinesisch zu verstehen, musste ich tief in die chinesische Kultur eintauchen. Und Chinas Kultur ist so vielfältig, dass man ständig dazulernen muss.“ 

  

Um das Reich der Mitte noch besser kennenzulernen, ging Betz als Austauschstudentin nach Chengdu, wo sie die chinesische Alltagssprache erlernte. Im „Land des Überflusses“, wie sie es nennt, erlebte sie die chinesische Kultur hautnah. Dabei fand sie auch ein lebenslanges Hobby – die Kalligraphie. „Ich habe mir damals dort auch einen Kalligraphielehrer gesucht, der mich zu Hause unterrichtet hat und von dem ich wahnsinnig viel gelernt habe. Bis heute schreibe ich gern mit dem Pinsel“, sagt die 56-Jährige mit einem Lächeln. 

  

Ihre Leidenschaft für die chinesische Sprache und ihre fundierten Kenntnisse der klassischen Literatur legten ein solides Fundament für die Karriere der talentierten Übersetzerin. Bereits in Studientagen sei sie mit verschiedenen Übersetzungsarbeiten in Berührung gekommen, darunter die Übersetzungen der Gespräche des Konfuzius und des Buchs der Lieder. „Damals war das Übersetzen für mich allerdings nur ein Hobby. Ich hatte nie darüber nachgedacht, eine Karriere als professionelle Übersetzerin anzustreben.“ 

  

Nach ihrer Promotion arbeitete die Deutsche dann zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Goethe-Universität und später an der Universität Göttingen. Gleichzeitig begann sie nebenbei, umfangreichere Texte zu übersetzen. „Wegen der ständigen Befristung von Uni-Stellen habe ich mich irgendwann entschlossen, freiberuflich als Literaturübersetzerin zu arbeiten“, sagt sie. 

  

Von der Kungfu-Literatur zur Science-Fiction 

Bis heute hat Betz schon zahlreiche berühmte Werke ins Deutsche übertragen, darunter so bekannte Titel wie „Die Legende der Adlerkrieger“ von Jin Yong oder „Die Sandelholzstrafe“ von Mo Yan. Diese Romane enthalten viele typisch chinesische Besonderheiten, was die Übersetzung zu einer besonderen Herausforderung macht. Dem deutschsprachigen Publikum Chinas Kultur und Philosophie in lebendiger Weise näherzubringen und ihm ein kurzweiliges Lesevergnügen zu bereiten, das ist Betz’ großer Traum. Dem Originaltext zollt die Sinologin dabei größten Respekt. Jedes einzelne Wort hat Gewicht für sie. „Mein Ziel ist es, so zu übersetzen, dass alles, was das Original und der Autor mitteilen wollen, sprachlich, stilistisch, ästhetisch und inhaltlich eine Entsprechung findet. Die Übersetzung sollte sich dabei genauso unterhaltsam lesen wie das Original, nur eben in flüssigem, der sprachlichen Dichte des Originals angemessenem Deutsch.“ 

  

Die emsige Sprachjongleurin plaudert für uns aus dem Nähkästchen ihrer Übersetzungserfahrungen: „Bevor man mit der Übertragung beginnt, muss man die kulturellen und historischen Hintergründe des Originals kennen. Als Übersetzerin muss man eine regelrechte Leidenschaft dafür entwickeln. Bei komplexeren Texten etwa aus dem klassischen Chinesischen ist man zudem gut beraten, sich von der Satzstruktur des Originals zu lösen, um den Ausdruck lebendiger zu machen – alles unter Wahrung der inhaltlichen Treue zum Original natürlich. Für weniger bekannte Begriffe erstelle ich außerdem stets ein Glossar als Anhang.“ 

  

Trotz der kulturellen Unterschiede zwischen Ost und West seien menschliche Emotionen doch universell, findet Betz. Gute Übersetzungen nähmen chinesischer Literatur letztlich das Fremde, sodass sie auch bei westlichen Lesern großen Anklang fänden, sagt sie. Als Beispiel nennt die Übersetzungskoryphäe die Martial-Arts-Romane von Jin Yong: „Es mag richtig sein, dass deutsche Leserinnen und Leser wenig Vorkenntnisse über Chinas Geschichte und Philosophie mitbringen, aber die Charaktere, die Art der Geschichten und der Humor Jin Yongs sind dem europäischen Publikum alles andere als fremd, sondern vielmehr leicht zugänglich. Jin Yong beschert dem deutschsprachigen Publikum unterhaltsame Abenteuerromane, prall gefüllt mit Kulturwissen.“ 

  

Derzeit erfreuen sich die Science-Fiction-Romane von Liu Cixin im Westen großer Beliebtheit, insbesondere seine Trisolaris-Trilogie, die nicht nur in China, sondern auch international schon zahlreiche Auszeichnungen abgeräumt hat. Karin Betz hat den zweiten und dritten Band („Der dunkle Wald“ und „Jenseits der Zeit“) des Sci-Fi-Epos ins Deutsche übersetzt. Für eine sogenannte „hard science fiction“ musste auch sie harte Arbeit leisten. „Es handelt sich um ein Werk mit vielen physikalischen Fachbegriffen. Natürlich muss die Terminologie oder müssen auch die Beschreibungen eines Raumschiffs bzw. physikalischer Prozesse da genau stimmen, weshalb ich mir unter anderem ein Astronomiebuch und eine Ausgabe von Einsteins Relativitätstheorie zugelegt habe. Ich habe ein langes wissenschaftliches Glossar für mich erstellt, damit ich wiederkehrende Begriffe immer gleich übersetze. Viele Passagen der Übersetzung habe ich zudem von einem Freund, der Physiker ist, gegenlesen lassen“, gibt Betz Einblicke in ihre Arbeit. 

  

Doch die Komplexität von Lius Science-Fiction liegt nicht nur in der Fülle der wissenschaftlichen Konzepte und ungewohnten Fachbegriffe. Seine Romane sind auch reich an kulturellen und philosophischen Elementen, was hohe Anforderungen an das Wissen der Übersetzerinnen und Übersetzer stellt. Betz erklärt hierzu: „Liu zitiert nicht nur viele chinesische Legenden, sondern auch Weltliteratur wie Goethe oder Edgar Allen Poe – all das muss man recherchieren.“ Lius Romane hätten ihren Horizont merklich erweitert, sagt die 56-Jährige, und sie hätten ihr den Charme der Physik vor Augen geführt: „Ich habe wahnsinnig viel gelernt und betrachte seit diesen Übersetzungen das Universum mit ganz anderen Augen. Astrophysik ist ein wahnsinnig spannendes Feld!“ 

  

Für Betz bedeutet der große Erfolg von Lius Werken in Deutschland nicht nur eine Anerkennung ihrer Übersetzungsarbeit, sondern auch einen wichtigen Türöffner für andere chinesische Literatur. „Immer mehr deutsche Verlage haben erkannt, dass auch chinesische Literatur, wenn sie gut ist und entsprechendes Marketing bekommt, ein Verkaufsschlager sein kann. Viele interessieren sich durchaus für die chinesische Kultur, aber sie kennen nur Klischees. Ich nehme daher gerne an öffentlichen Veranstaltungen teil, bei denen ich meine Arbeit und die chinesische Kultur vorstelle. In der Regel ist das Publikum sehr dankbar und positiv überrascht.“ 

  

Förderung des zivilisatorischen Austausches 

Seit Jahren widmet sich Betz nun also schon unermüdlich der Aufgabe, dem deutschen Publikum die Faszination der chinesischen Kultur näherzubringen. Auf ihre eigene Weise trägt sie so dazu bei, das Verständnis der Deutschen für China zu vertiefen und den Kulturaustausch zu fördern. „Für mich ist das Übersetzen, das Nachdenken über jeden Begriff und die Unterschiede in den Möglichkeiten des Ausdrucks schon immer die beste Art gewesen, Kulturunterschiede zu erkennen, zu überbrücken und zu vermitteln“, schwärmt die Sinologin. 

 

Im vergangenen Jahr hat Betz den „Special Book Award of China“ erhalten. Und kürzlich sind Betz’ Übersetzungen von Xi Xis „Meine Stadt“ und Wang Xiaobos „Das Goldene Zeitalter“ erschienen. Noch in diesem Jahr werden die deutsche Version von Chi Zijians „Das letzte Viertel des Mondes“ sowie ein neuer Band mit Essays und Erzählungen von Liu Cixin erscheinen. „Ich übersetze ständig, praktisch ohne Unterbrechung chinesische Romane. Derzeit arbeite ich an San Maos Werk“, verrät Betz. „Auch in Zukunft werde ich mich dafür einsetzen, der deutschen Leserschaft gute chinesische Literatur näherzubringen – denn Literatur ist ein bedeutender kultureller Botschafter eines Landes“, sagt die langjährige Chinakennerin. Fest steht: Als Übersetzerin trägt Betz entscheidend dazu bei, dass dieser „Botschafter“ die ihm gebührende Stimme erhält. 

 

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