Von Zhou Lin, Ma Li, Dang Xiaofei
„Eine gute Berufsausbildung bietet Schülern aus armen Familien die Chance, zu glänzen“, sagt Zhou Zhu, Rektor der sekundären Berufsschule des Kreises Qianxi, der zur Stadt Bijie zählt. In den letzten Jahren setze die Provinz Guizhou, wo diese Schule liegt, im Rahmen der Politik der zielgerichteten und auf einzelne Haushalte gerichteten Armutsüberwindung auf Maßnahmen zur Berufsqualifikation. Durch gezielte berufliche Ausbildung soll die Lösung von Schlüsselproblemen bei der Armutsüberwindung unterstützt werden.
Blick auf die Schule für Berufsausbildung im entlegenen Kreis Qianxi
Die berufliche Ausbildung bewirke einen Bruch in der Armutskette, sagt Zhou, und biete Schülern aus armen Familien die Chance auf eine bessere Ausbildung und damit letztlich auch darauf, die gesamte Familie aus der Armut zu befreien und zu Wohlstand zu bringen. Die Berufsschule, die Zhou leitet, verfolge genau dieses Ziel. Gegenwärtig zählt die Bildungseinrichtung fünf Fachbereiche für Informationstechnologie, Tourismus und Hotelwesen, Vorschulerziehung, Medizin sowie Verkehr und Transport. Insgesamt werden zwölf verschiedene Ausbildungsgänge angeboten.
Wissen als Weg aus der Armut
In einer örtlichen Fabrik besuchen wir 35 Schüler des Jahrgangs 2018 der Klasse für Betrieb, Instandhaltung und Reparatur von Fahrzeugen, die gerade an einem Praxiskurs teilnehmen. Der Lehrer vom Fachbereich Verkehr und Transport, He Weijun, führt die Jugendlichen in den Aufbau von Motoren ein. „Nur wenn die Schüler nach halbjährigem Unterricht in der Lage sind, selbst eine komplette Motorausrüstung manuell auseinanderzunehmen und auch wieder fachmännisch zusammenzusetzen, gilt der Kurs als bestanden“, sagt er.
Zhang Mengxian, 16 Jahre, ist einer der Kursteilnehmer. Er stammt aus einer fünfköpfigen Familie aus dem Dorf Zhafang in der Gemeinde Tailai im Kreis Qianxi. Zhang wuchs in armen Verhältnissen auf. Die ständigen Existenzsorgen der Familie haben ihre Spuren hinterlassen und ihn zu einem introvertierten und bedrückt wirkenden Jugendlichen gemacht. Im zarten Alter von drei Jahren habe er seinen Vater verloren, erzählt er uns. Sein älterer Bruder jobbe bereits als Automechaniker fern in der Stadt Guiyang. Auf Empfehlung seiner Familie, aber auch aus eigenem Interesse habe auch er sich entschieden, Automechaniker zu werden, wofür er nun den Berufsschulkurs belege. Die professionelle Berufsausbildung vermittle ihm eine Qualifikation, mit deren Hilfe er die finanzielle Not der gesamten Familie deutlich lindern könne, sagt er.
An der sekundären Berufsschule gehören für Zhang nicht nur Grundkurse in Chinesisch, Mathematik, Englisch und Hochchinesisch zum Pflichtprogramm, sondern auch Leistungskurse im Bereich Autoreparatur, die theoretische und praktische Unterrichtseinheiten umfassen. „Die Praxiskurse verlangen von jedem, Maschinen manuell zu bedienen. Es ist eine gute Möglichkeit, sich praktische Qualifikationen anzueignen. Davon werden wir sicher eine Menge mitnehmen“, ist Zhang zuversichtlich.
Hier im Kreis Qianxi gibt es viele Jugendliche wie Zhang, die durstig nach Wissen und dem Erwerb beruflicher Fertigkeiten sind. Für sie sind diese die Eintrittskarte in eine bessere Zukunft. Die jungen Menschen haben verstanden, dass Bildung ihr Leben verändern kann. Dennoch ist es nicht allen möglich, sich durch Ausbildung aus der Misere herauszuschaffen. Zhao Xiaochao, der heute dieselbe Klasse wie Zhang besucht, hatte die Schule zuvor schon einmal abgebrochen, um zu jobben und so seine Familie finanziell zu unterstützen. Dieses Erlebnis machte ihm noch stärker bewusst, wie wichtig Wissen und Fertigkeiten sind, um sich in der Berufswelt gut zu behaupten. Stets träumte er davon, wieder in die Schule zurückzukehren und weiter zu lernen.
Die Spirale der generationsübergreifenden Armut durchbrechen
Probieren geht über Studieren: In der Werkhalle hantieren die Berufsschüler emsig an Autoersatzteilen.
Dass dieser Traum für Zhao Xiaochao letztlich in Erfüllung gehen sollte, hat er der Umsetzung des Plans für zielgerichtete Armutsüberwindung im Bildungsbereich in der Provinz Guizhou zu verdanken. Diese Politik hat es dem Jugendlichen nach über zweijähriger Schulpause ermöglicht, seit April 2018 wieder die Schulbank zu drücken, worüber der Jugendliche sichtlich glücklich ist.
Besagter Plan sieht die finanzielle Förderung bedürftiger Schüler vor, eine Hilfestellung, die Teil des Maßnahmenpaktes für Schülerunterstützung im Rahmen der zielgerichteten Armutsüberwindung ist. Sie soll garantieren, dass auch Kinder aus armen Familien in den Genuss einer guten Ausbildung kommen. Ziel ist es, dass kein Schüler aus finanziellen Gründen gezwungen ist, seine schulische Karriere zu unterbrechen oder gar ganz an den Nagel zu hängen, und dass keine Familie, die gerade erst aus der Armut befreit wurde, wieder in die Armutsfalle gerät, weil ihr das Geld für die Finanzierung des Schulbesuchs der Kinder fehlt.
Dass Jugendliche wie Zhang und Zhao eine kostenlose berufliche Ausbildung an der sekundären Berufsschule im Kreis Qianxi genießen, ist also Teil des Maßnahmenpakets der Regierung zur zielgerichteten Armutsüberwindung in der Region. Hochwertige Berufsschulen auf Provinzebene und hundert spezielle Schulen für Armutsüberwindung wurden eingerichtet. Sie zielen auf die armen Gebiete der Provinz, insbesondere 14 tief in Armut geratene Kreise und 20 äußerst arme Gemeinden ab. Die kostenlosen beruflichen Ausbildungsangebote im Rahmen der zielgerichteten Armutsüberwindung nehmen jährlich mehr als zehntausend Schüler auf. Ein vierstufiger Verbindungsmechanismus zwischen Provinz-, Stadt- und Kreisebene sowie den Schulen wurde geschaffen, um die Aufnahme, Unterstützung, Ausbildung und Beschäftigung nach den Kriterien der zielgerichteten Armutsüberwindung umzusetzen. Durch dreijährige Ausbildung sollen sich die Schüler aus armen Familien zu moralisch und fachlich gut ausgebildeten Fachkräften entwickeln. Wer ausgebildet wird, erhält in der Regel später auch eine Beschäftigung und damit die Chance, sich und seine Familie aus eigenen Kräften aus der Armut zu befreien.
Zhao Xiaochao erinnert sich noch gut an den Tag, als er von der neuen Ausbildungsmöglichkeit erfuhr: „Als ich zum Frühlingsfest nach Hause zurückkehrte, kam ein Mitglied des Bildungsausschusses zu uns und bot mir an, die Schule ohne Schulgeld wieder zu besuchen. Meine Eltern und ich fühlten uns wie im siebten Himmel.“ Während der Berufsschulzeit ist Zhao nicht nur vom jährlichen Schulgeld in Höhe von 2000 Yuan, sondern auch von den Kosten für Bücher, Unterkunft, Schuluniform und andere Ausgaben befreit. „Schüler in meiner Situation haben außerdem noch die Möglichkeit, staatliche Armutssubventionen in Höhe von jährlich 2000 Yuan und Erziehungsbeihilfen für Schüler aus armen Familien von 1900 Yuan zu beantragen“, sagt er.
Für die Schüler sei aber letztlich die Aussicht, nach der Ausbildung eine Beschäftigung zu finden, noch wichtiger als der Gebührenerlass. Die Praxiskurse an der Schule schließen laut He Weijun Kurse für Motorräder, Personenkraftwagen und Busse ein, sogar Kurse für umweltfreundliche Automobile umfasse der Lehrplan. „Sobald die Schüler alle Pflichtkurse bestehen, werden sie in ein Praktikum in einer Fahrzeugwerkstatt oder Läden für Verkauf, Ersatzteile, Service und Inspektion vermittelt. Das Praktikum ist ein guter Einstieg und bewirkt, dass 95 Prozent unserer Absolventen nach dem Abschluss direkt eine Festanstellung finden.“
Jüngst hat die Firma Chongqing Lifan Automobile Sales angekündigt, ein Zweigwerk im Kreis Qianxi zu eröffnen, was eine frohe Nachricht für die Schüler ist. „Die Schüler unserer Klasse für Fahrzeugreparatur finden normalerweise schnell eine gute Anstellung. Die Schule spielt dabei als Vermittler eine wichtige Rolle. Schule und Unternehmen arbeiten eng zusammen, damit die Schüler schon während der Schulzeit die Chance erhalten, Praxiserfahrungen zu sammeln. Das legt die Grundlage für eine Beschäftigung nach der Schule. Monatlich bekommen unsere Absolventen in der Regel ein Einstiegsgehalt von über 3000 Yuan“, sagt Rektor Zhou.
Nach der anderthalbjährigen Berufsschulausbildung und dem anschließenden Praxisjahr werden Zhang Mengxian, Zhao Xiaochao und ihre Mitschüler zu gelernten Automechanikern und haben gute Chancen, eine Anstellung in einer Autofabrik oder einer Auto-Service-Werkstatt zu finden. Doch viele der jungen Menschen haben einen noch größeren Traum: Sie wollen zunächst einige Jahre Geld verdienen, um später selbst eine eigene Autowerkstatt zu gründen und so auch ihren jüngeren Geschwistern den Schulbesuch zu ermöglichen. Sie streben danach, ihr Schicksal durch Bildung nachhaltig zu verändern.
Abgestimmt auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes
Damit die Schüler nach ihrem Abschluss direkt eine Anstellung finden, werden auch Kurse angeboten, die direkt auf die lokale wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung und die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes zugeschnitten sind. So zählen zu den angebotenen Fächern neben Autoreparatur und -ausrüstung auch Friseurwesen, Modedesign, Hotelservice, Kundendienst, Obst- und Gemüseanbau, elektronischer Geschäftsverkehr sowie Industrieroboter und Stadtbahnverkehr. Die Absolventen können ihr Praktikum zudem nicht nur im Kreis Qianxi absolvieren, sondern sogar in Shanghai, Dongguan oder anderen Städten landesweit. So soll die Ausbildung den realen Anforderungen des Arbeitsmarktes möglichst gut angepasst werden.
In der Trainingsbasis für Callcenter-Dienste erklärte Feng Jun, Chef derGesamtabteilung der Schule, erklärt, dass die Absolventen bei Firmen sehr gefragt seien. Die Schule habe bereits eine Partnerschaft mit der Beijing Huatang Technology Group Co., Ltd abgeschlossen und gemeinsam mit dem Unternehmen zwei fünfzig Telefonisten umfassende Callcenter für pädagogische und geschäftliche Zwecke eingerichtet. Diese Rufzentren seien außerdem Teil des Big-Data-Projektes der Stadt Bijie und des Kreis Qianxi. Als wichtiger Ort zur Ausbildung von Fachkräften sollen die Callcenter in Zukunft noch weiter wachsen.
Im Kundendienst zu arbeiten sei nur scheinbar eine einfache Tätigkeit, wie Feng Jun betont. Tatsächlich seien dafür viele Kenntnisse nötig. Die zukünftigen Telefonisten werden sprachlich und psychologisch ausgebildet, wobei der Schwerpunkt auf Letzterem liege. „Für Heranwachsende ist es am schwersten, ihre Gefühle zu beherrschen, was für eine professionelle und leidenschaftliche Beratung der Kunden am Telefon von großer Bedeutung ist. Für einen guten Service ist besondere Menschenkenntnis gefragt, was eine große Herausforderung darstellt.“
Damit die Absolventen die nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben und später selbstständig arbeiten können, setzt die Schule auf die sogenannte „6+1+1“-Methode zum Erwerb von Qualifikationen. Dabei steht die Zahl 6 für den Erwerb von sechs Zertifikaten, nämlich für Hochchinesisch, Berufsethos, Spezialisierung, Berufsfertigkeiten, Leistung und Praxiserfahrung. Nur wenn die Schüler alle oben erwähnten Zertifikate erhalten, können sie die Berufsausbildung erfolgreich abschließen. Die erste Eins steht für das Abschlusszeugnis der Berufsschule, die zweite Eins für das Zeugnis einer Fachhochschule oder Universität, das die Schüler durch ein Fernstudium, eine Aufnahmeprüfung der Fachhochschule oder ein kontinuierliches akademisches Projekt einschließlich Lernen an einer Oberschule oder im Rahmen eines universitären Bachelorstudiengangs erwerben können.
Die Umsetzung der Maßnahmen zur zielgerichteten Beschäftigung hat sich als ein wirksamer Weg bewährt, über Berufsschulbildung und die Ausbildung einzelner Beschäftigter ganze Familien aus der Armut zu befreien. Laut Schulleiter Zhou verlassen jedes Jahr knapp tausend Absolventen seine Schule und starteten anschließend erfolgreich ins Berufsleben. Insgesamt erzielten sie ein akkumuliertes Nettogehalt von fast 40 Millionen Yuan.