HOME>Gesellschaft

Mit dem Smartphone auf der Weide: Xizangs Sprung ins 21. Jahrhundert

2024-09-03 18:34:00 Source:german.chinatoday.com.cn Author:Gao Yuan
【Schließen】 【Drucken】 GroßMittelKlein

Auf dem schneebedeckten Hochland im südwestchinesischen Autonomen Gebiet Xizang – im Westen weitläufig als Tibet bekannt – gibt es eine besondere Arbeitsgruppe, die sich aus Mitgliedern der KP Chinas zusammensetzt. Sie stammen alle aus ganz unterschiedlichen Landesteilen, doch es eint sie ein gemeinsames Ziel – nämlich Xizang nach Kräften zu unterstützen und in eine bessere Zukunft zu führen. 

  

Zu dieser Gruppe gehört auch Gong Airu, stellvertretender Sekretär des Parteikomitees und Vizevorsteher des Kreises Lhatse in der Stadt Shigatse. Eigentlich ist Gong ein waschechter Shanghaier. Von Kindesbeinen an lebte er in der Metropole, war nie länger als drei Monate außerhalb der Stadt. Doch 20 Jahre lang hegte er insgeheim einen Traum: sich im Bereich der Unterstützungsarbeit für Xizang zu engagieren.  

  

„Schon als ich meine berufliche Laufbahn begann, hörte ich, dass manche Kollegen nach Xizang zur Arbeit entsendet wurden. Ich fand das schon damals sehr sinnvoll und es zog mich auch in die Gegend“, verrät er uns. Viele Jahre später sollte Gongs Wunsch dann endlich in Erfüllung gehen. Heute leistet der Beamte in Xizang einen wichtigen Beitrag und hat alle Hände voll zu tun. Am liebsten würde er sogar noch mehr machen, sagt er. 

  

Gestützt auf Shanghais Knowhow und Ressourcen in Wissenschaft und Technologie greift Gongs Gruppe Xizang insbesondere mit neuester Technik unter die Arme. Dabei kommt Gong seine langjährige Berufserfahrung zugute, die ihm den nötigen Weitblick verschafft. Das Parteimitglied ist überzeugt, dass es Zeit ist, auch auf dem Dach der Welt Produktivkräfte neuer Qualität zu entwickeln. Im Folgenden berichtet er selbst von seinen Erfahrungen vor Ort: 

  

Abkehr von veraltetem Denken 

 

Viele Menschen, die nie in Xizang waren, haben Klischees im Kopf und halten die Gegend für noch immer sehr rückständig. Tatsächlich aber ist die Kluft zwischen dem südwestlichen Grenzgebiet und dem Osten Chinas in den letzten Jahren merklich geschrumpft. Auch auf den Weiden Xizangs haben die Menschen mittlerweile Smartphones, zuhause intelligente Haushaltsgeräte. Sie shoppen online und wissen die Annehmlichkeiten von Lieferservices zu schätzen, genau wie der Rest Chinas. 

  

Dass Xizang eine derart rasche Entwicklung hingelegt hat, ist vor allem der gezielten Unterstützungspolitik für die Region zu verdanken. Bereits 1984 hat die Regierung ein landesweites Hilfsprogramm für Xizang in Gang gesetzt. Im Juli 1994 hielten das Zentralkomitee der KP Chinas und der Staatsrat das dritte Symposium über die Förderung Xizangs ab. Dabei wurde der wichtige Beschluss gefasst, dass verschiedene Behörden der Zentralregierung sowie 15 Provinzen und Städte direkte Verantwortung für die Unterstützung der Gegend übernehmen sollten. Das leitete eine neue Phase der landesweiten Unterstützung für Xizang ein. 

  

Ich selbst kam im Juli 2022 mit der zehnten unterstützenden Kadergruppe aus Shanghai nach Shigatse. Gemeinsam mit meinen fünf Kollegen war ich für den Kreis Lhatse zuständig. Unsere primäre Aufgabe bestand darin, das Dorf Jikkyop umzusiedeln, ein kleiner Ort mit 37 Haushalten, in denen 143 Menschen lebten.  

  

Das Dörfchen lag in einer Höhenlage von 4900 Metern und war damit das höchstgelegene Dorf im Kreis Lhatse. Das Problem: Die geografische Höhe schlug sich auf das Wohlbefinden der Dorfbewohner nieder, verursachte verschiedene gesundheitliche Beschwerden. Im Winter fehlte es zudem an Wasser und Strom. Ich muss ehrlich sagen: Bei der ersten Dorfbegehung fühlte ich eine enorme Last auf meinen Schultern. 

  

Aber als Teil der unterstützenden Kadergruppe ist es meine Aufgabe, mutig meiner Rolle als tragende Säule nachzukommen. Entscheidend für eine erfolgreiche Umsiedlung ist letztlich die richtige Wahl des neuen Wohnorts. Wären die Dorfbewohner von Jikkyop einfach irgendwo in die Peripherie des Kreises umgesiedelt worden, hätte sich der Lebensstandard der Menschen nicht wesentlich verbessert. Gemeinsam mit dem Kreiskomitee und der Kreisregierung in Lhatse suchten wir daher händeringend nach einer passenden Lösung. Am Ende mit Erfolg: Wir konnten eine erstklassige Lage im Kreis für die Errichtung des neuen Dorfes finden. Die durchschnittliche Höhe des neuen Domizils liegt bei 4000 Metern. Das neue Siedlungsgebiet verfügt also über deutlich bessere Lebensbedingungen. Folglich wurde unser Umsiedlungsplan auch einstimmig von den Dorfbewohnern angenommen. Am 28. November 2023 konnten die ersten Wohnungen bezogen werden. Im Februar dieses Jahres sind dann auch alle übrigen Menschen erfolgreich in ihr neues Zuhause umgezogen. 

  

Bei der Umsiedlung lief aber natürlich auch nicht alles glatt. Es tauchten kleinere Probleme auf. So waren es die Viehzüchter zum Beispiel gewohnt, Yak-Dung als Brennstoff zu verwenden. Außerdem gilt er den Einheimischen als gutes Bau- und Isoliermaterial. Im Winter bestrichen sie die Außenwände ihrer Häuser gezielt mit Yak-Dung, um sich vor der Kälte zu schützen. Die Menschen wollten daher ihren eingelagerten Yak-Dung auch in das neue Heimatdorf mitnehmen, um ihre Gewohnheiten fortzusetzen. 

  

Wie konnte ich die Dorfbewohner letztlich von dem alten Brauch abbringen? Nun, ich habe sie am Ende mit zwei stichhaltigen Argumenten überzeugt. Erstens mit dem Kostenpunkt: Der Transport des Yak-Dungs in das neue Dorf hätte einiges an Geld verschlungen. Ich rechnete den Menschen vor, dass es rentabler sei, den Dung vor dem Umzug zu verkaufen und von dem Erlös die Stromrechnung zu begleichen. Zweitens führte ich Sicherheitsaspekte an: Ich sagte den Menschen, dass das Verbrennen von Yak-Dung als Brennstoff sehr gefährlich sei. Und nicht zuletzt leidet auch die Optik, wenn das Haus mit Dung ummantelt ist. 

  

Die Dorfbewohner nahmen sich meine Ratschläge zu Herzen und diskutierten die Angelegenheit mehrfach und ausführlich. Am Ende einigte man sich darauf, in Zukunft auf den Einsatz von Yak-Dung zu verzichten. Von alten Bräuchen Abstand zu nehmen, ist nicht immer einfach, aber doch gelegentlich notwendig. In den letzten Jahren erlebt Xizang rasante Veränderungen. Nur wenn man rechtzeitig von überholten Gewohnheiten Abschied nimmt, steht dem Fortschritt nichts im Wege. 

  

Technologie macht das Leben komfortabler 

 

Nach der Umsiedlung des Dorfes Jikkyop machten wir uns an die intelligente Umgestaltung des Wohnviertels. Wir wollten mehr Sicherheit und Komfort für die Bewohner, eine intelligente Infrastruktur, Energieeinsparung und mehr Umweltschutz. 

  

Bei der Erhöhung des Lebensstandards spielt Technologie eine Schlüsselrolle. Sie ist vor allem für Fortschritte in der Landwirtschaft existentiell. Shigatse gilt als Kornkammer Xizangs. Insbesondere Hochlandgerste wird hier in großen Mengen angebaut und geerntet. Jedoch lag die Effizienz der Landwirtschaft lange sehr niedrig, da es an fachkundiger Anleitung mangelte. 

  

Im letzten Jahr stellten wir Gelder in Höhe von vier Millionen Yuan bereit, um eine digitale Managementplattform für die Gerstenindustrie aufzubauen. Das neue System ist in der Lage, die Wetterbedingungen in Echtzeit zu überwachen, die aktuelle Boden- und Wasserbeschaffenheit zu analysieren, den optimalen Zeitpunkt für Aussaat, Bewässerung und Ernte zu bestimmen und die Landwirte bei der fachmännischen Bepflanzung anzuleiten. Darüber hinaus bietet das neue System den Landwirten Absatzkanäle für ihre Hochlandgerste und bricht die Agrarrichtlinien in einfache Worte herunter. Das Beste: Alles, was man braucht, um all diese Funktionen nutzen zu können, ist ein handelsübliches Smartphone. Das Betriebssystem steht außerdem in zwei Sprachen zur Verfügung, Chinesisch und Tibetisch, was für Menschen mit unterschiedlichem Sprachhintergrund von Vorteil ist. 

  

Im März dieses Jahres hat die Gemeinde Quma als Wegbereiter das digitale System erstmals eingeführt. Mithilfe der neuen Technologie dürften sich die durchschnittlichen Erträge pro Fläche dort um zehn bis 15 Prozent steigern lassen. 

  

Manche sagen, Xizang vollzöge mit der neuen Technologie einen direkten Sprung vom Feudalsystem in die neue Ära. In diesem Zusammenhang gibt es auch kritische Stimmen, die fragen, ob die Entwicklung vielleicht überstürzt sein könnte. Ich bin da ganz anderer Auffassung: In Wirklichkeit ist die „digital gap“ zwischen Xizang und anderen Regionen Chinas nur noch sehr gering. Es ist daher genau der richtige Moment, um eine digitale Reform anzustoßen. 

  

Die technologische Unterstützung für Xizang orientiert sich an den Bedürfnissen der Gegenwart, hat aber auch ganz klar die Zukunft im Blick. Meine Kollegen und mich erfüllt die Arbeit mit großem Enthusiasmus und Tatendrang.  

  

Auch wir selbst profitieren letztlich von der Unterstützung für Xizang. Ich bin in der Großstadt aufgewachsen und hatte keinerlei Arbeitserfahrung auf dem Land. Meine Arbeit vor Ort gibt mir nun die Chance, dieses Versäumnis nachzuholen. In den letzten Jahren habe ich unser Land durch meinen Einsatz hier noch besser kennengelernt. Heute weiß ich: Es ist nicht nur der Boom von Shanghai, der unseren wirtschaftlichen Aufstieg sichert, sondern es sind auch die gewaltigen Landschaften Xizangs. 

 

Teilen:

Copyright © 1998 - 2016

今日中国杂志版权所有 | 京ICP备10041721号-4

京ICP备10041721号-4