Bereits in den ersten Jahren nach der Gründung der Volksrepublik wendete sich China den afrikanischen Ländern, insbesondere den Ländern, die sich von der Kolonialherrschaft befreiten, zu. Sie wurden durch China nach ihrem erfolgreichen Befreiungskampf beim Aufbau einer neuen, friedlichen Gesellschaft unterstützt. Hat China doch in den zurückliegenden Jahren ebenfalls unter der Knechtschaft der Kolonialmächte gelitten und wurde durch Teilung sowie partielle Kolonialisierung geschwächt. China fühlte sich verbunden mit den jungen afrikanischen Staaten, gab wirtschaftliche und politische Hilfe. Gleichzeitig unterstützten diese jungen Staaten die Bemühungen der Volksrepublik um internationale Anerkennung.
Eines der besten Beispiele stellt der Bau der Tansania-Sambia-Eisenbahn dar. Nachdem das kupferreiche Land 1964 unabhängig wurde und die Befreiungsbewegungen in Afrika unterstützte, blockierte auf Druck weißer Farmer, die die ehemaligen Kolonialmächte repräsentierten, Rhodesien die Eisenbahnverbindung nach Durban, zum einzigen Exporthafen für das Kupfer aus Sambia. Die Absicht war klar: die wirtschaftliche Entwicklung Sambias zu verhindern.
Mit dem durch Sambia im Befreiungskampf unterstützten Tansania wandten sich die beiden jungen Nationalstaaten an die Weltbank, an England und die USA mit der Bitte um Unterstützung beim Bau einer alternativen Bahn nach Daressalam. Sie lehnten sie ab. Aber China half trotz der wirtschaftlichen und politischen Spannungen sowie des wirtschaftlichen Embargos seitens der USA und der Sowjetunion. 1967 wurde ein dreiseitiger Vertrag über den Bau mit einem chinesischen Kreditvolumen von zirka 500 Millionen US-Dollar geschlossen. Der Bau der 1860 Kilometer langen Strecke konnte bis 1976 fertiggestellt werden. Viele Opfer und Entbehrungen wurden erbracht – rund 70 chinesische Arbeiter und Ingenieure verloren ihr Leben. Aber die beiden afrikanischen Länder konnten sich weiter von der kolonialen Vorherrschaft befreien und dienten anderen Ländern als Vorbild.
China half den Ländern aus dem gemeinsamen Verständnis, sich aus dieser Vorherrschaft lösen zu müssen. Das Projekt hatte auch eine politisch/ideologische Seite: Die Menschen aus China und Afrika fühlten sich verbunden im gemeinsamen Ziel, sich von ausländischer Unterdrückung zu befreien. Meine chinesische Frau hat noch gute Erinnerungen an das populäre Lied der Würdigung des Baus der Bahn. China andererseits erhielt aus gleichen Motiven 1971 von den afrikanischen Ländern die notwendige Unterstützung für die internationale Anerkennung und die Mitgliedschaft in der UNO und dem UN-Sicherheitsrat.
Mit der Einführung der ökonomischen Reformen nach 1978 durch die Kommunistische Partei Chinas unter Führung von Deng Xiaoping setzte mit der Öffnung der chinesischen Wirtschaft und des Marktes gleichzeitig eine langsame Integration in den Weltmarkt ein. China entwickelte sich nicht nur zur Werkbank der Weltwirtschaft, sondern übernahm auch außerhalb der eigenen Grenzen in der Energiewirtschaft und beim Aufbau von Infrastruktur erste Projekte. Und die VR China wurde als internationaler Partner für den weltweiten Handel und für Investitionsprogramme mit offenen Armen empfangen.
Die chinesische Wirtschaft entwickelte sich rasant und wurde unter der Führung der KPCh kontinuierlich an die jeweiligen gesellschaftlichen Erfordernisse angepasst. Diese Anpassungen ermöglichten es nicht nur, sich mit den entwickelten Industriegesellschaften zu vernetzten, sondern auch in den Ländern des globalen Südens zu investieren – die „Go-Out Politik“ nahm Gestalt an. Chinesische Investitionen in den Ländern Asiens und Afrikas wurden getätigt, um einerseits wirtschaftliche Verknüpfungen herzustellen und wirtschaftliche Hilfe zu gewähren, aber auch andererseits die dringenden Rohstoffimporte zu garantieren. Die ausländischen Investitionen waren möglich, da in Folge des schnellen Wachstums der chinesischen Wirtschaft Überkapazitäten vor allem in der Stahl- und Bauwirtschaft entstanden und hohe Reserven an internationalem Kapital gebildet werden konnten, die im volkswirtschaftlichen Interesse genutzt werden mussten.
Als Managing Director eines Logistik Joint Ventures war ich selbst an Transporten von Energieprojekten nach Libyen beteiligt.
Das wirtschaftliche und politische Erstarken Chinas, sowie die internationalen solidarischen Aktivitäten riefen in den USA Befürchtungen hervor, dass die VR China die Hegemonie der USA, zumindest im asiatischen Raum, untergraben könnte. Die Obama-Administration vollzog 2012 in der Außenpolitik die Wende nach Asien, was nichts anderes bedeutete, als die wirtschaftliche, politische, aber auch militärische Entwicklung Chinas zu kontrollieren, um nicht zu sagen einzuschränken. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war es für China notwendig, eine Strategie gegen die US-amerikanische Containment-Politik zu entwerfen. Ein Jahr später, im Oktober 2013, stellte der chinesische Präsident an der Nazarbayev Universität in Kasachstan die Seidenstraßeninitiative vor.
Die westlichen Kommentare bezogen sich hauptsächlich auf die kontinentalen Transportrouten zwischen China und Europa sowie auf Zentralasien, da auch der amerikanische Kongress bereits 1999 den Silk Road Strategy Act verabschiedet und US-Vizepräsidentin Hilary Clinton 2011 von einer neuen Seidenstraße unter US-amerikanischer Führung gesprochen hatte. Man glaubte nicht, dass China in der Lage sei, ein solches Vorhaben zu realisieren und machte sich über die chinesischen Anstrengungen lustig. Die Belt-and-Road-Initiative wurde auf die Kreditpolitik und die angebliche politische Einflussnahme in den Ländern Afrikas und Lateinamerikas reduziert. Vorwürfe wurden erhoben, China locke andere Länder in eine Schuldenfalle oder nutze die Investitionen, um in den Ländern chinesische Politik durchzusetzen. Internationale Institutionen und Universitäten, unter anderem die amerikanische John-Hopkins-Universität, haben mittlerweile bestätigt, dass kein einziges Seidenstraßen-Projekt ein Land in eine Schuldenfalle getrieben hat.
Am 14. August 2022 informiert sich ein chinesischer Besucher auf dem Ausstellungsgelände von Usbekistan, dem Gastland der sechsten Silk Road International Expo, über lokale Spezialitäten des Landes. (Foto: Xinhua)
Die wenigsten westlichen Politiker, Wissenschaftler und Medienvertreter verstanden, worum es eigentlich ging. Nämlich um ein langfristiges wirtschaftliches, politisches Konzept der gleichberechtigten Verknüpfung der chinesischen Gesellschaft und Wirtschaft mit der Welt, aber insbesondere den Ländern des „globalen Südens“. Die Länder der südlichen Hemisphäre in ihrer friedlichen Entwicklung zu unterstützen, unter anderem bei der Industrialisierung, dem Aufbau eines Gesundheitswesens und der Überwindung der Klimakrise, sowie dabei, Kriege und Hunger zu überwinden. Gleichzeitig garantieren die neuen Infrastrukturprojekte in Asien alternative Transport- und Handelsrouten zu den traditionellen Seerouten durch die Straße von Malakka oder den Suezkanal.
Eines der Grundprinzipien der Belt-and-Road-Initiative besteht darin, keinerlei politische Bedingungen an Kredite oder die Kooperation zu knüpfen. Das steht im Gegensatz zur Kreditpolitik der Weltbank, die Kredite von Reformbedingungen und politischen Forderungen abhängig macht.
Mittels neuer Handelspartner reduziert China die Abhängigkeit von den führenden kapitalistischen Ländern, insbesondere von den Hochtechnologien, die ohnehin seitens der USA auf „schwarzen Listen“ stehen. Stichwörter wie duale Zirkulation und multilateraler Handel müssen in diesem Zusammenhang gesehen werden.
Die Neue Seidenstraße ist eine Erfolgsgeschichte. Mehr als 3500 Projekte wurden weltweit in Angriff genommen und ein großer Teil schon erfolgreich beendet. Es wurden die Eisenbahnverbindungen von China nach Laos oder von Djibouti nach Äthiopien in Betrieb genommen. Häfen in Afrika, Asien oder auch Lateinamerika oder Europa tragen zum weltweiten Handelswachstum bei. Allein in Afrika wurden 10.000 Kilometer Normalspur-Eisenbahnen und 100.000 Kilometer Schnellstraßen gebaut und mehr als 4,5 Millionen Arbeitsplätze geschaffen. Nicht zu vergessen ist die über die „Gesundheitsseidenstraße“ erfolgte aktive Unterstützung bei der Bewältigung der Corona-Pandemie auf allen Kontinenten.
Hilfsgüter per Schiene: Am 23. Juni 2020 traf der erste China-Europa-Güterzug mit Materialien zur Pandemieprävention in der französischen Gemeinde Valenton ein. (Foto: Xinhua)
Tausende afrikanische und asiatische Studenten studierten und studieren in China, um nach dem abgeschlossenen Studium in ihre Heimatländer zurückzukehren.
Durch diese Erfolge stieg die positive Anerkennung der Volksrepublik in Asien, in Afrika sowie auf dem amerikanischen Kontinent. Im globalen Süden fruchten die von USA-hörigen Ländern erzählten negativen Geschichten über China nicht mehr.
Unter US-Präsident Trump setzte folglich eine intensive handelspolitische, wirtschaftliche und politische Kampagne gegen China ein. Sein Nachfolger Joe Biden verstärkte diese noch, indem er die Länder der EU und andere Verbündete wie Australien, Neuseeland, Japan und Südkorea unter Druck setzte, sich der Politik der USA unterzuordnen.
2021 sahen sich sowohl die USA als auch die EU veranlasst, ihrerseits Investitionsprogramme anzukündigen. Die Vereinigten Staaten kündigten das Programm „Build Back Better World“ (B3W) und die EU die Initiative „Global Gateway“ (GW) an. Die Länder des globalen Südens sahen in den Programmen nicht in erster Linie Hilfe für die Länder für den Aufbau einer umweltgerechten Industrialisierung und Landwirtschaft, sondern dass diese Programme lediglich Gegeninitiativen zu Chinas Seidenstraße darstellen. Darüber hinaus wurden die versprochenen Investitionen wiederum an wirtschaftliche und politische Bedingungen geknüpft. Der Ankündigung folgten aber keine konkreten Maßnahmen. Auch bestätigte der amerikanische Kongress die B3W Initiative nicht.
Während des Gipfels der G7 im Juni 2022 verkündete dieser Club eine neue Initiative, nämlich die „Partnerschaft für globale Infrastruktur und Investment“ (PGII) mit einer Investmentsumme von 600 Milliarden US-Dollar aus privaten und staatlichen Quellen für Länder mit niedrigem oder mittlerem Einkommen. Das Geld soll ausschließlich in klimafreundliche Infrastrukturprojekte, grüne Energien, hochentwickelte Informations- und Kommunikationstechnologien fließen, aber in jedem Fall „gendergerecht“.
Die USA seien bereit, ein Drittel und die EU 300 Milliarden Euro zu übernehmen. Unklar blieb bislang, ob die angekündigte Summe die bereits in den zuvor angekündigten Programmen B3W und GW genannten Gelder enthält.
Die Länder des globalen Südens befürchten wiederum, dass die PGII nicht in erster Linie auf die Lösung ihrer Probleme ausgerichtet ist, sondern gegen die Neue Seidenstraße Chinas. Die Lösung der Infrastruktur- und Energieprobleme erfordert es, dass die vorhandenen Ressourcen genutzt werden, und diese müssen den nationalen und kulturellen Bedingungen angepasst sein.
Zum G7-Gipfel, der sich hauptsächlich mit der Frontbildung gegen Russland beschäftigte, wurden Gäste des globalen Südens, darunter Indien, Indonesien, Senegal, Südafrika und Argentinien, eingeladen und mit den Forderungen der G7-Staaten, den Sanktionen gegen Russland zu folgen, konfrontiert. Die Gäste des Gipfels machten gegenüber den G7-Staaten hingegen deutlich, dass man über die globalen Auswirkungen der Sanktionen überaus besorgt sei. Der Westen ist lediglich bemüht, den Schaden der Sanktionen für die eigenen Volkswirtschaften so gering wie möglich zu halten. Die Auswirkungen auf den globalen Süden spielen dagegen offensichtlich keine Rolle.
Noch während der Gipfel tagte und die argentinische Delegation am Ort der Tagung weilte, stellte das Land den Antrag, Mitglied der BRICS-Gruppe zu werden.
Kurze Zeit vor dem G7-Gipfel in Deutschland fand ebenfalls der virtuelle Gipfel der BRICS-Staaten statt. Die im Anschluss veröffentlichte Erklärung fokussiert dagegen auf multilaterale Handelsstrategien und bildet ein Plädoyer für eine Stärkung und Reform des Systems der Vereinten Nationen. Damit kritisierten die BRICS-Staaten die Bemühungen des Westens, die Hegemonie der USA und ihrer Verbündeten gegenüber den Ländern des globalen Südens zu festigen.
Vorzeigeprojekt: Ein Archivbild von der China-Laos-Eisenbahn. (Foto: Xinhua)
Die Länder der südlichen Hemisphäre werden sich, dank der Belt-and-Road-Initiative, ihrer Möglichkeiten bewusst, sich gegen die Vorherrschaft der G7-Länder zu wehren. Präsident Xi Jinping hob zum Selbstverständnis der BRICS hervor: „Als Vertreter der Schwellen- und Entwicklungsländer müssen wir am kritischen Punkt der Geschichte die richtigen Entscheidungen treffen und verantwortungsvoll handeln. Was wir tun, wird einen erheblichen Einfluss auf die Welt haben“.
Der entscheidende Unterschied zwischen den G7-Staaten und den Mitgliedern der Seidenstraßeninitiative, unter anderem der BRICS-Staaten, ist, dass diese Nationen in gleichberechtigter Verbindung kooperieren wollen, indem sie einander nicht dominieren, sondern miteinander harmonieren.
Wer sind die G7-Länder? Es sind die früheren Kolonialmächte: USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, Deutschland und Kanada, die mit Ausnahme Kanadas in den vergangenen Jahrhunderten die Welt aufteilten und auch China halbkolonialisierten. Die Kapitalinteressen, die hinter diesen Regierungen stehen, sind noch die gleichen, wie die vor mehr als hundert Jahren, als China von ihnen gedemütigt wurde.
Man sollte nicht an das Märchen glauben, dass sich mit süßen Worten ein Rudel Wölfe in eine Herde von Schafen verwandle.
Noch heute wird in Hannover der Oberbefehlshaber der alliierten ausländischen Truppen, die die „Boxerbewegung“ in brutalster Weise mit tausenden chinesischen Opfern niederschlugen, Generalfeldmarschall Alfred Graf von Waldersee, mit einer überhöhten Kolossalstatue geehrt!
*Uwe Behrens ist langjähriger Chinakenner und war 27 Jahre unter anderem in China und Indien als Logistikmanager tätig.