Staatspräsident Xi Jinping traf am 14. November im Vorfeld des G20-Gipfels auf Bali mit US-Präsident Joe Biden zusammen. (Foto: Xinhua/Li Xueren)
Mitte November blickte die Welt nach Indonesien, wo auf Bali der G20-Gipfel tagte. Im Vorfeld des Gipfels stand dabei noch ein weiteres Ereignis im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit: das Zusammentreffen zwischen dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping und US-Präsident Joe Biden. Es trug dazu bei, einigen der in den letzten Wochen und Monaten aus den USA über China verbreiteten hasserfüllten Äußerungen den Wind aus den Segeln zu nehmen, ja das Treffen hat sogar das Potenzial, einen deutlichen Abbau der Spannungen zwischen beiden Ländern zu bewirken. In seinen einleitenden Bemerkungen ging Staatspräsident Xi im Gespräch mit Biden auf sein Verständnis der Rolle guter Regierungsführer ein. „Ein Staatsmann sollte darüber nachdenken und wissen, wohin er sein Land führen will“, sagt Xi. Gleiches gelte auch für die Frage, wie ein Staatsmann mit anderen Ländern und der ganzen Welt zurechtkomme.
Es ist zu hoffen, dass sich Präsident Biden diese Worte zu Herzen genommen hat. Die allgemeine Herzlichkeit, wenn nicht sogar Wärme, die bei dem Treffen zwischen den beiden Präsidenten spürbar war, ist jedenfalls ein ermutigendes Zeichen, das für eine Entspannung der derzeit schwierigen Beziehungen zwischen beiden Ländern spricht. Dazu zählte auch, dass der US-Präsident Xi Jinping zu dessen Wiederwahl als Generalsekretär des Zentralkomitees der KP Chinas gratulierte und ihm damit Respekt zollte.
Auf die Herzlichkeit folgten zudem konkrete Zusagen des US-Präsidenten, die fast alle Punkte abdeckten, die der chinesischen Führung in den letzten Jahren Sorgen bereitet hatten. So erklärte Biden, ein stabiles und wohlhabendes China liege ganz klar im Interesse der Vereinigten Staaten und auch der Welt. Die USA respektierten das chinesische System und versuchten nicht, dieses zu ändern. Außerdem strebe man weder einen neuen Kalten Krieg noch die Wiederbelebung von Anti-China-Allianzen an. Der US-Präsident bekräftigte außerdem, dass die USA weder eine „Unabhängigkeit Taiwans“ noch Vorstellungen wie „zwei China“ oder „ein China, ein Taiwan“ unterstützten. Es gebe keine Bestrebungen, sich von China abzukoppeln. Und die US-Regierung versuche auch nicht, die Taiwan-Frage als Instrument zur Eindämmung Chinas zu nutzen. Vielmehr hoffe man auf Frieden und Stabilität in der Taiwanstraße, so Biden.
In dem Gespräch, das trotz Simultandolmetschen mehr als drei Stunden dauerte, wurden zweifellos noch viele andere Themen angesprochen, so dass beide Parteien ihre Anliegen umfassend zum Ausdruck bringen konnten. Berichten zufolge gab Xi eine recht ausführliche Darstellung der Geschichte der Taiwan-Frage, um dem US-Präsidenten deutlich zu machen, wie wichtig dieses Thema für das chinesische Volk ist. Er soll zudem zu einer Politik des gegenseitigen Respekts aufgerufen haben.
Nach Angaben des Weißen Hauses wiederholte Biden die üblichen Anschuldigungen der USA in Bezug auf angebliche Menschenrechtsverletzungen in Hongkong, Xinjiang und Tibet und betonte erneut, dass sich die USA weiterhin als harter „Konkurrent“ Chinas verstünden. Der US-Präsident zeigte jedoch auch ein klares Verständnis dafür, dass dieser „Wettbewerb“ nicht in einen offenen Konflikt ausarten sollte.
Am wichtigsten war die Entscheidung beider Parteien, einen festen Rahmen für ihre Beziehungen zu schaffen, der zukünftig verhindern soll, dass strittige Themen außer Kontrolle geraten. Dazu gehört auch die Aufrechterhaltung einer ständigen Dialogrunde auf verschiedenen Regierungsebenen, um die Dinge auf einem stabilen Kurs zu halten, wenn Probleme auftreten, woran auch in Zukunft kein Weg vorbeiführen dürfte. Präsident Biden beauftragte Außenminister Antony Blinken, zu Folgegesprächen mit dem chinesischen Außenminister Wang Yi nach Beijing zu reisen, um einen solchen Rahmen auszuarbeiten.
Der Bali-Gipfel hat eine echte Atempause für den weiteren Dialog zwischen den beiden Ländern geschaffen. China hat in der Vergangenheit bereits Enttäuschungen erlebt, als Telefongespräche zwischen den Staatsoberhäuptern beider Länder scheinbar zunächst Klarheit über dringliche Themen geschaffen hatten, auf die dann aber Erklärungen oder Maßnahmen der US-Seite folgten, die eine andere Botschaft zu vermitteln schienen.
Bali war jedoch das erste persönliche Zusammentreffen zwischen den beiden Staatsoberhäuptern seit dem Amtsantritt von Präsident Joe Biden. Beide Politiker kennen sich zudem gut, da sie in anderen Ämtern bereits des Öfteren in Kontakt standen, was ein gewisses Maß an Kameradschaft entstehen ließ, das sonst nicht vorhanden gewesen wäre. Zudem verlieh die große öffentliche Aufmerksamkeit, in der das Treffen stand, den getroffenen Entscheidungen mehr Transparenz. Der Rahmen der Zusammenkunft war klug gewählt, nämlich am Rande einer großen internationalen Konferenz wie dem G20-Gipfel, an der zahlreiche Staats- und Regierungschefs aus aller Welt teilnehmen. All dies steigert das Vertrauen, dass getroffene Vereinbarungen letztlich auch eingehalten und nicht durch Handlungen von Beamten der unteren Ebene rückgängig gemacht werden.
Fakt ist jedoch, dass die tieferliegenden Spannungen weiterbestehen. Die Biden-Administration ist fest entschlossen, den USA in allen wichtigen Fragen weltweit eine Führungsrolle zuzuweisen. Lange schien es, als sehnte man sich in Washington in die Tage zurück, als die Sowjetunion zusammenbrach und die USA allein an der Spitze der Macht standen. Aber die Welt hat sich verändert. Heute stößt diese Sichtweise einer „unipolaren Welt“ vielen Ländern bitter auf, auch denen, die mit den Vereinigten Staaten verbündet sind. Die erklärte Absicht der USA, die Ukraine-Krise zu nutzen, um Russlands Größe und Stärke einzudämmen, mag zwar bei einigen osteuropäischen Ländern auf große Gegenliebe stoßen, lässt aber andere Nationen wie Deutschland und Frankreich an der Weisheit dieser Politik zweifeln.
Noch bedeutsamer ist, dass das enorme Leid, das durch die zunehmenden Sanktionen gegen Russland verursacht wird, in vielen europäischen Ländern zu Massenprotesten und in Orten wie Afrika zu regelrechten Hungersnöten geführt hat. In der größeren Weltgemeinschaft war die Unterstützung für die Krise in der Ukraine nicht so groß, wie sich das mancher erhoffte. Auch die Schwierigkeit, andere Länder außerhalb der Eurozone dazu zu bringen, Russland in Regierungserklärungen zu verurteilen, demonstriert das mangelnde Interesse der Weltgemeinschaft an der Verfolgung dieser Politik.
Die Bemühungen der USA, China dazu zu bringen, Russland an den Pranger zu stellen, sind schlichtweg vergeblich. Die endlose Ausweitung der NATO – eines eindeutigen Militärbündnisses – auf die an Russland angrenzenden Länder wird von China und den meisten intelligenten Beobachtern eindeutig als Grund für den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine angesehen. Sollte sich die NATO auf den asiatisch-pazifischen Raum ausdehnen, würde dies trotz der Versprechungen des US-Präsidenten auch für China eine echte Bedrohung darstellen.
Es bleibt also noch viel zu tun. Die politischen Eliten des Westens sehen sich vor diesem Hintergrund gezwungen, ihre Vorstellungen darüber, wie eine stabile und friedliche Welt geschaffen werden kann, noch einmal intensiv zu überdenken. Zwar mag das Treffen zwischen Xi und Biden das Eis gebrochen haben, bis zu einem echten Tauwetter in den chinesisch-amerikanischen Beziehungen aber ist es noch ein weiter Weg.
*William Jones ist ehemaliger Korrespondent für den EIR News Service, zuständig für Berichterstattung über das Weiße Haus in Washington, D.C., sowie ein auswärtiger Fellow des Chongyang Instituts für Finanzstudien an der Renmin-Universität.