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Kommentar: Chinas ländlicher Aufschwung braucht gute Planung einer starken Regierung

2023-04-13 10:46:00 Source:german.chinatoday.com.cn Author:Uwe Behrens*
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Während in den Jahren der Coronapandemie die Armut weltweit zunahm, verkündete der Staatspräsident der Volksrepublik China die erfolgreiche Überwindung der absoluten Armut in seinem Land. 

  

Wie war das möglich? Die Volksrepublik vermochte in den letzten 70 Jahren einen einmaligen wirtschaftlichen Aufstieg zu vollbringen, dank der zentralen Führung der KP Chinas, aber auch dank des ungeheuren Fleißes der chinesischen Bevölkerung. Die Parteiführung unter Deng Xiaoping hatte schon Ende der siebziger Jahre die Losung ausgegeben, mittels kapitalistischer Werkzeuge die Produktivkräfte zu entwickeln, als eine Voraussetzung für die Schaffung einer sozialistischen Gesellschaft chinesischer Prägung. 

  

Diese Entwicklung führte zu raschen industriellen Fortschritten und einer wachsenden Mittelschicht in den großen Städten und Industriezentren des Landes,  aber auch zu Unterschieden zwischen den industrialisierten Küstenregionen und den landwirtschaftlich geprägten Binnenprovinzen sowie zu einem Gefälle im Lebensniveau zwischen Stadt und Land. 

  

Millionen von Wanderarbeitern pendelten zwischen den Zentren und ihren Heimatdörfern und unterstützten so finanziell ihre Familien. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen auf dem Land und in der Stadt unterschieden sich dramatisch. Die steigende Urbanisierung führte mancherorts zu einer regelrechten Landflucht. In vielen Dörfern lebten kaum noch Menschen im erwerbsfähigen Alter – zurück blieben nur Alte und Kinder. Dem Standort Dorf fehlte es zunehmend an Attraktivität. Viele der Dörfer in abgelegenen Gebieten verharrten in Armut, weil es ihnen nicht gelang, ihre Agrarproduktion weiterzuentwickeln.  

  

Doch eine sozialistische Gesellschaft kann sich nur sozialistisch nennen, wenn der gesellschaftliche Wohlstand gerecht auf alle Schichten der Bevölkerung verteilt ist. Die Armut in den abgelegenen Dörfern musste aus eigener Kraft, aber auch mit staatlicher Hilfe überwunden werden. Parteikader wurden in die Dörfer geschickt, und zwar nicht, um sich „nur mal umzuschauen“. Vielmehr lebten sie mit den örtlichen Familien, um den Ursachen der Armut auf den Grund zu gehen. Lehrer und Ärzte wechselten aufs Land, um bessere Bildung und medizinische Betreuung sicherzustellen. Familien, die weitab von Märkten lebten, wurde die Möglichkeit zur Umsiedlung geboten. Der Anschluss aller Dörfer und Siedlungen an das Straßennetz erfolgte und es konnte eine landesweite Versorgung mit Strom und Telekommunikation sichergestellt werden.  

  

Während meiner vielen Reisen als Logistikmanager durch Asien und Afrika, aber auch während meiner Arbeit in Indien, habe ich echte, schreckliche Armut gesehen. Nicht nur auf dem Land, sondern auch in den Städten. Das gibt es in China nicht mehr. Dank der großen Anstrengungen konnten allein in den letzten acht Jahren nahezu 100 Millionen Landbewohner aus der Armut geholt werden. 

 

  


Fortschrittliche Landwirtschaft: Ausländische Teilnehmerinnen und Teilnehmer besichtigen am Rande der 29. China Yangling Agricutural Hi-tech Fair ein modernes chinesisches Gewächshaus. Die Agrarmesse öffnete am 15. September 2022 ihre Pforten, und zwar in der Demonstrationszone Yangling in Shaanxi. 

 

Nun geht es darum, das geschaffene Niveau nachhaltig zu festigen und weiter zu erhöhen. Das ist die große Aufgabe, vor der die KP Chinas um Xi Jinping, ja die gesamte sozialistische chinesische Gesellschaft heute steht. Auf der Konferenz zum Komplex „ländliche Arbeit“ im vergangenen Dezember wurde die Aufgabe zur Wiederbelebung des ländlichen Raums formuliert, eine Aufgabe, die noch herausfordernder ist als die Überwindung der absoluten Armut.   

  

Landwirtschaft entscheidend für Chinas Ernährungssicherheit 

  

In einer turbulenten Weltsituation - geprägt von verschiedenen Krisen, dem Klimawandel und der Umstellung der Energiewirtschaft auf erneuerbare Energien - steht das chinesische Volk nun vor der gewichtigen Aufgabe, die relative Armut zu überwinden. Das heißt, alle Menschen sollen in angemessenem und gleichsam umweltverträglichem Wohlstand leben. Es muss für eine Bildung gesorgt werden, die den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird, ebenso wie für eine umfassende medizinische Betreuung. Die Versorgung mit gesunden Lebensmitteln in Stadt und Land ist sicherzustellen, der gesamten Bevölkerung müssen ausreichend Arbeitsplätze zur Verfügung stehen und es gilt auf die zunehmende Bevölkerungsalterung zu reagieren. 

  

Die Regierung legte auf der besagten wichtigen Konferenz für die Entwicklung des ländlichen Raums einen Plan vor, in dem sie die Arbeit zur umfassenden Förderung der Wiederbelebung des ländlichen Raums und zur Beschleunigung des Aufbaus eines starken Agrarsektors als wichtige Aufgaben hervorhob. 

  

Um eine solide Grundlage für den Übergang Chinas zu einem in jeder Hinsicht großartigen modernen sozialistischen Land zu schaffen, sagte der Minister für Landwirtschaft und ländliche Angelegenheiten, Tang Renjian, dass man dem raschen Aufbau eines starken Agrarsektors Vorrang einräume. Auf der besagten Konferenz wurde außerdem betont, dass die Gewährleistung einer stabilen und sicheren Versorgung mit Getreide und anderen wichtigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen stets oberste Priorität bei der Stärkung der chinesischen Landwirtschaft habe. 

  

Aufgabe der Regierung ist es nun einerseits, die Lebensbedingungen für die Landbevölkerung so zu gestalten, dass der ländliche Raum auch für junge Menschen ein attraktives Lebens- und Arbeitsumfeld bietet, und andererseits, die Effektivität der landwirtschaftlichen Produktion so zu erhöhen, dass trotz der beschränkten Ackerflächen die Ernährung der chinesischen Bevölkerung sichergestellt wird. 

  

Stärkung der Agrarproduktion 

  

Die bisherigen Daten zeigen, dass Chinas jährliche Getreideproduktion seit acht Jahren in Folge auf einem hohen Niveau - nämlich über 650 Milliarden Kilogramm - geblieben ist. Das reicht aber für die künftigen Herausforderungen nicht aus. Noch immer müssen Millionen Tonnen von Getreide und Sojabohnen importiert werden.  Um die Selbstversorgung zu verbessern, ist eine stabile Produktion und Versorgung mit Getreide und Sojaprodukten unerlässlich.


  


Volle Speicher: Nach der Rekordernte 2022 konnte eine große Menge an Mais getrocknet und gelagert werden und kam schließlich im März 2023 auf den Markt. 

  

Forscher am Entwicklungsforschungszentrum des Staatsrates weisen auf den erhöhten Druck hin, diese Produktion weiter zu steigern. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Nutzung der Ackerflächen und die Bereitstellung von Saatgut zur Produktionssteigerung gelegt, aber auch auf die Entwicklung neuer Formen der Agrarindustrie und kommerzieller landwirtschaftlicher Dienstleistungen. Auch die Bedeutung der Kostensenkung durch Großproduktion rückt in den Fokus. Die Förderung technologischer Innovationen in der Agrarwissenschaft und -technologie ist eine langfristige Aufgabe und ein systemisches Projekt. 

  

All dies kann nur gelingen, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse angewendet, neue Technologien eingeführt und Reformen konsequent umgesetzt werden. Wie die Erfahrungen bei der Entwicklung von Industrie, Infrastruktur und fortschrittlichen Technologien in China beweisen, muss sich die Volksrepublik in dieser Phase der globalen Herausforderungen praxisnah auf die Front der globalen Agrarwissenschaft und -technologie konzentrieren, das Niveau der Agrarwissenschaft und -technologie energisch heben und die Entwicklung in diesem Bereich beschleunigen. In einigen Provinzen wurde bereits der Mechanisierungsgrad für das Pflügen, die Aussaat und die Ernte von Getreide und Ölfrüchten sowie auch bei der Baumwollproduktion schrittweise erhöht, was nun in allen Provinzen umgesetzt werden muss. Der Mechanisierungsgrad der chinesischen Landwirtschaft liegt gegenwärtig bei 73 Prozent und damit noch immer hinter den entwickelten Ländern des Westens. Zur schnelleren Erhöhung wurden den Bauern bereits Subventionen für den Erwerb von modernen landwirtschaftlichen Maschinen gewährt. 

 

  


Teeernte durch Pflückroboter: Ein Roboter erntet am 29. März 2023 Teeblätter auf einer Plantage in der ostchinesischen Stadt Hangzhou. Die smarte Erntemaschine wurde vom Forschungsinstitut für Agrarmaschinen der Provinz Zhejiang entwickelt. 

  

Bei all dem Fortschritt der landwirtschaftlichen Produktion spielt auch der Schutz der Ackerflächen eine immer wichtigere Rolle. Wissenschaftliche Erkenntnisse für die Düngung und die Fruchtfolgen müssen weiter Berücksichtigung finden und es darf keine Ausweitung der neuen Städte zu Lasten der Ackerflächen erfolgen. 

  

Ein großes und zunehmendes Problem stellt die Wasserversorgung dar. In Folge des weltweiten Klimawandels nahmen und nehmen die Trockenperioden zu und gleichzeitig treten örtlich verstärkt Regenfälle auf, die zu Überschwemmungen führen. Die Herausforderungen sind also vielseitig. Um ihnen zu begegnen, müssen weitere, höher entwickelte Bewässerungsanlagen gebaut und Flüsse reguliert werden, ohne dabei aber die Umwelt zu zerstören. Gleichzeitig ist die Forschung gefordert, neue Reissorten zu züchten, die trotz der neuen Umweltbedingungen gute Erträge bringen. Außerdem bedarf es neuer Sorten, die resistenter gegen Salzwasser sind. Und nicht zuletzt muss die Versorgung mit Trinkwasser landesweit abgesichert werden. 

  

Moderne Dörfer und ländliche Urbanisierung  

  

Die verfügbare landwirtschaftliche Nutzfläche Chinas beträgt nur zirka zwölf Prozent der Gesamtfläche des Landes und bietet keine ausreichenden Möglichkeiten, um Arbeit und Wohnen für die Menschen im ländlichen Raum zu gewährleisten.  

  

Das war in der Vergangenheit eine der Ursachen für die Arbeitswanderung in die Städte. Sie führte zwar nicht zur Herausbildung von Slums wie in anderen Ländern, etwa in Afrika oder Indien, aber die Ungleichheit verursachte dennoch soziale Probleme. Aber es darf in einem sozialistischen Land keine Urbanisierung aus der Not heraus entstehen. Wie ich während meiner Reisen durch China beobachten konnte, wird ein zweigleisiger Weg beschritten. Einerseits werden die Dörfer modernisiert, andererseits die Entstehung neuer Städte gefördert, um die Konzentration auf Megastädte zu vermeiden.  

  

Eine planmäßige Urbanisierung im ländlichen Raum bei gleichzeitiger Modernisierung des dörflichen Lebens, sprich die Umsiedlung von Menschen aus abgelegenen, armutsgefährdeten Regionen, ist notwendig und möglich zur Überwindung der Arbeitsmigration und zur Hebung des Lebensstandards der Landbevölkerung. In den zurückliegenden Jahren wurden bereits große Erfolge bei der Urbanisierung bestehender Zentren erzielt, die Urbanisierungsrate stieg auf 65,2 Prozent. Doch die fortschreitende Verstädterung konzentrierte sich meist auf die großen Städte.  

  

Die Schaffung neuer Städte in ländlichen Regionen garantiert nicht nur die soziale Absicherung, sondern bietet auch eine Chance zur Gründung neuer Produktionsanlagen, sei es in traditionellen Industrien oder in Hightech-Branchen. Die neuen Städte bieten zudem die Voraussetzungen zum Aufbau grüner Städte, zur Ansiedlung der Bürger in umweltgerechten Wohnanlagen und zur Ansiedlung grüner Industrien. Die neuen Wohnanlagen bieten Krankenhäuser, Altenpflegeeinrichtungen, aber vor allem auch Kindergärten und Schulen. Der Schulbesuch vom Kindergarten bis zur Hochschulaufnahmeprüfung Gaokao wird dadurch für alle Kinder, auch aus den früher fernab gelegenen Regionen, ohne lange und beschwerliche Wege möglich.  

  

Mit der Entwicklung einer ländlichen, lokalen Industrie werden neue Einkommensquellen verbunden sein und die zielgerichtete Einkommenssteigerung der Landwirte wird durch die Arbeit selbst, aber auch durch unterstützende Maßnahmen wie Steuererleichterungen und zeitweilige Subventionen gesichert. Einhergehen mit der Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion muss die Unterstützung der allgemeinen Industrieentwicklung im ländlichen Raum und die Förderung von Industrien mit lokalen Merkmalen sowie neuen Industrien und Geschäftsmodellen. 

  

Wie ich persönlich beobachten konnte, hat sich die Unterstützung der ländlichen Gebiete durch die östlichen entwickelten Küstenregionen bewährt. Junge Universitätsabsolventen werden motiviert, in Unternehmen in den ländlichen Regionen zu arbeiten. Gleichzeitig bieten die Unternehmen aus den Küstenregionen eine Berufsausbildung von Fachkräften vor Ort. Der Anteil von Fachkräften ist in China insgesamt noch niedrig, aber in den Agrarregionen, die nun wiederbelebt werden sollen, ist er sogar noch geringer. Im Vergleich zu Deutschland, wo der Anteil an Fachkräften bei 50 Prozent der Erwerbstätigen liegt, beträgt er in China nur 26 Prozent. Bei der Berufsausbildung, auch für Berufe der Agrarwirtschaft, übernimmt China heute auch Erfahrungen aus Deutschland. 

 

  


Verkauf per Liveübertragung: Livestream-Moderatoren verkaufen am 10. Februar 2023 Agrarprodukte in der Stadt Bozhou in Anhui. Die Aktion trug zum ländlichen Aufschwung in der Region bei.  

  

Die Anbindung an die industriellen Zentren und Megastädte durch eine ausreichende Infrastruktur, durch Straßen, Schienen und Kommunikationsverbindungen ist eine der wichtigen Voraussetzungen für die Belebung des ländlichen Raums. In den letzten Jahren wurden bereits 1,25 Millionen Straßenkilometer in abgelegenen Regionen neu gebaut. Alle Städte auf Distriktebene wurden mit Glasfasernetzen ausgestattet. Die Telekommunikation auf der Basis von 4G und 5G ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, das dörfliche Handwerk zu entwickeln und neue Arbeitsplätze für ehemalige Landwirte zu schaffen. Durch die neu eingerichteten und staatlich unterstützten E-Commerce-Plattformen kann der elektronische Handel mit lokalen Erzeugnissen wie Honig, Nüssen oder auch Tee gefördert werden.  

  

Eine solche Wiederbelebung des ländlichen Raums kann nicht allein durch die Kräfte des Marktes erfolgen. Es braucht eine langfristige, wohlüberlegte und ausgefeilte Planung unter der Führung einer starken Regierung des Volkes. 

 

*Uwe Behrens ist langjähriger Chinakenner und war 27 Jahre unter anderem in China und Indien als Logistikmanager tätig. 

 

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