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Guochao: Chinas Jugend entdeckt die alte Kultur wieder

2023-08-16 13:53:00 Source:german.chinatoday.com.cn Author:Zhang Xiao
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Jüngst fand das erste Guochao-Kunstfestival im Beijing Garden Expo Park statt. Und die Besucher bekamen dabei einiges geboten: unter anderem das interaktive Theaterstück „Monkey King: Hero is Back“ für Groß und Klein, ein duftendes Blumenmeer an den Hängen des Yingshan und eine Vielzahl von spannenden Aktivitäten, bei denen sich traditionelle und moderne Elemente der chinesischen Kultur auf spannende Weise vermischten. 

  

China-Chic, oder auf Chinesisch 国潮 guócháo, nennt man diesen neuen Trend, der in den letzten Jahren in China eine regelrechte Welle ins Rollen gebracht hat. Er verwebt chinesische Kultursymbole, traditionelle Ästhetik und alte Kunstfertigkeiten mit der modernen chinesischen Kulturindustrie. Guochao ist damit mehr als nur ein Konsum- oder Modetrend. Die Bewegung ist in China zu einem kulturellen Phänomen geworden, das Hipster wie Otto Normalverbraucher gleichermaßen begeistert. 

  

Traditionelle Kultur im modernen Gewand 

 

Auch der Fernsehsender Henan TV sprang auf den Trend auf und schickte rund um das diesjährige Qingming-Fest im April die Serie „Wundersame Reise zum Qingming-Fest 2023“ an den Start. Das Format wurde zum Publikumsmagneten. Die Sendung „Beautiful April“ der Sendereihe erzählt etwa die Geschichte einer Gruppe von Tänzerinnen, die die klassischen Gärten in Suzhou erkunden. „Beauty of Luoshui“ wurde vom „Buch der Lieder“, der ältesten Poesiesammlung Chinas, inspiriert. In „Yizhou Long Song“ geht es um einen Tanz, der sowohl auf dem Muqam aus Hami, einer traditionellen Kunst der uigurischen Volksgruppe in Xinjiang, als auch auf dem berühmten Gemälde „Hofdamen, die Seide vorbereiten“ aus der Tang-Dynastie (618-907) basiert. Und in „Adventures in Early Spring“ entdecken Tänzer durch ihre Bewegungen die Welt klassischer Gemälde. 

 

  


Kreatives zum Neujahr: Vom 12. bis 19. Januar 2019 fand in Fuzhou im südchinesischen Fujian ein Einkaufsfestival zum chinesischen Frühlingsfest statt. Mit kreativen Ideen setzten die Veranstalter lokale Kulturmarken geschickt in Szene und kurbelten so Konsum und Tourismus an. 

  

Durch die Darstellung einer Vielzahl kultureller Elemente bot die Show von Henan TV dem Publikum ein visuelles Feuerwerk orientalischer Ästhetik und lotete gleichzeitig neue Wege aus, die Schönheit der traditionellen chinesischen Kultur zum Ausdruck zu bringen. 

  

In den Augen von Li Shujian, Vizevorsitzender der China Theatre Association und Intendant des Henan Yuju Opera Theatre, spiegelt der Aufschwung chinesischer Kulturelemente und traditioneller Motive das zunehmende Selbstvertrauen der Chinesen in die eigene Kultur wider. Außerdem brauche die traditionelle Kultur neue, moderne Ausdrucksformen, findet er. In den letzten Jahren haben multimediale Tanzproduktionen mit traditionellen Elementen online eine große Fangemeinde gefunden. Bei der Perfomance „The Splendid of Five Stars from the East“ beispielsweise empfinden die Tänzerinnen und Tänzer ihre Bewegungen antiken Keramikfiguren und klassischen Gemälden nach. All diese Produktionen und Produkte stehen im Einklang mit dem Aufruf von Staatspräsident Xi Jinping, „kreative und innovative“ Literatur und Kunst zu schaffen. 

  

Obwohl sich die Performance „Mantingfang National Colors“ als kreatives, interaktives visuelles Programm positioniert, verbirgt sich im Kern doch eine ursprüngliche, romantisch-poetische Sicht auf die Natur und das Leben. Zum Ausdruck kommt diese Weltanschauung in den Bewegungen der fünf Tänzer.  

  

Die Innovation und Interpretation traditioneller Kunst offenbart einmal mehr die chinesische Eleganz und den Charme der klassischen chinesischen Kultur. Infolgedessen erkennen insbesondere immer mehr junge Zuschauer, wie charmant und einfach moderne Werke sein können, die mit traditionellen Elementen gespickt sind. 

  

Auch die Museen lassen ihr angestaubtes Image hinter sich und mischen längst kräftig mit im kreativen Mitbringsel- und Kunsthandwerksgeschäft. Online feiern die Netizens kreative Kulturprodukte wie Eis am Stiel, Kühlschrankmagnete oder Lesezeichen, die mit Kulturelementen wie Bronzemasken der Sanxingdui-Ruinen, den berühmten Terrakotta-Kriegern oder dem bekannten, auf einer fliegenden Schwalbe reitenden Bronzepferd aus der Östlichen Han-Dynastie (25-220) spielen. 

  

Das Actionspiel „Genshin Impact“ flechtet derweil Charaktere wie Hua Mulan oder Mu Guiying aus Chinas klassischen Opern in seinen Plot ein. Untermalt wird das Spiel mit den Klängen traditioneller chinesischer Instrumente wie Guzheng, Erhu und Pipa, während die Protagonisten durch typisch südchinesische Landschaften wandeln. Das Spieldesign erntete sowohl im In- als auch im Ausland viel Lob und Anerkennung. 

  

Die neuen Interpretationen der traditionellen Kultur sind zu einem Mittel geworden, das einerseits den Chinesen hilft, ihre eigene Kultur zu bewahren und diese unbeschadet ins 21. Jahrhundert zu tragen. Andererseits schaffen die modernen Kreationen auch einen guten Zugang für Ausländer, um die chinesische Kultur besser zu verstehen. All dies haucht der traditionellen Kultur frisches Leben ein. 

  

Eine neue Bühne für das immaterielle Kulturerbe 

 

„Ich denke, es werden maximal 500 Leute zuschauen.“ - „Das wollen wir ja mal sehen. Ich rechne fest damit, dass es über 1000 Onlinezuschauer werden. Wenn nicht, lade ich dich zum Essen ein.“  

  

Dieses Gespräch fand zu Beginn der ersten Live-Übertragung der Blumentrommeloper von Changsha auf Douyin statt. Wang Yong, Direktor des Zentrums für den Schutz und Fortbestand der Blumentrommeloper in Changsha, erinnert sich noch gut an das kleine Live-Geplänkel: „Wir wussten damals wirklich nicht, wie sich unsere erste Douyin-Liveübertragung publikumsmäßig schlagen würde“, sagt er. 

  

Den bestmöglichen Muntermacher bot ihnen dann aber das Publikum, das kurz nach der Premiere in den Onlinesenderaum strömte. 500, 1000, 2000 ... die Zahl der Zuschauer wuchs und wuchs. Letztlich erreichte sie 3,5 Millionen. Die Changsha-Blumentrommeloper erfreute sich sofort großer Beliebtheit und auch das Zentrum für ihren Schutz und Fortbestand machte sich durch das Event landesweit einen Namen. 

 

  


Alte Bewegungen zu neuem Leben erweckt: Tänzerinnen führen das beliebte Stück „The Splendid of Five Stars from the East“ auf, dessen Bewegungen auf den Abbildungen alter Keramikfiguren und klassischer Gemälde beruhen. 

  

De facto ist Wang nicht der Erste, der neue Plattformen ausprobiert. Chen Yuqing, eine junge Frau der Generation Z des Opern-Ensembles, zählt bereits über 400.000 Follower auf Douyin, der chinesischen Version von TikTok. Ihre Performance „Tea Picking“, bei der sie vier kleine Porzellantassen zwischen ihren Händen balanciert und ihre Fingerspitzen so bewegt, dass die Tassen wie Glocken klingen, erntete rund 157.000 Likes. 

  

Neue Kanäle wie Kurzvideoplattformen eröffnen dem immateriellen Kulturerbe also neue Möglichkeiten und Vermarktungskanäle. Laut dem von Douyin veröffentlichten Bericht zum immateriellen Kulturerbe 2022 wurden im vergangenen Jahr insgesamt 372,6 Milliarden Videos rund um nationale Projekte zum immateriellen Kulturerbe auf der Videoplattform angesehen und sie erhielten 9,4 Milliarden Likes. Im vergangenen Jahr sei die Zahl der Live-Übertragungen in diesem Genre im Vergleich zum Vorjahr um 642 Prozent gestiegen, so der App-Anbieter. Die durchschnittliche Zahl der täglichen Übertragungen habe 1617 erreicht, und die Zahl der Moderatoren, die Geldprämien kassierten, stieg im Jahresvergleich um 427 Prozent. Auch der Betrag dieser Livestream-Einnahmen wuchs demnach im Vergleich zu 2021 ordentlich, und zwar um 533 Prozent. Douyin hat sich damit zur neuen großen Bühne für das immaterielle Kulturerbe und seine Erben gemausert. 

  

Und China ist äußerst reich an immateriellem Kulturerbe. Jetzt, da das traditionelle Kulturerbe mit modernen kulturellen Trends kombiniert wird, ergreifen immer mehr Menschen, die die alten Kunstformen fortführen, die Initiative und treten ins Rampenlicht. Selbstbewusst präsentieren sie ihre Fähigkeiten, erzählen die Geschichten hinter ihrer Kunst, teilen ihre Erfahrungen und nutzen die neue Bühne für die Weitergabe der traditionellen Kultur. 

  

Neue Möglichkeiten im Internetzeitalter 

 

Wie werden Knusperröllchen mit Jujube-Paste hergestellt? Wer das wissen möchte, sollte Zhang Xiuchen auf ihren Social-Media-Kanälen folgen. „Um die knusprigen Schichten herzustellen, darf der kleine Teig meine Hände nicht länger als acht Sekunden nach dem Füllen verlassen. Nach dem Backen ist die Kruste so knusprig wie herabfallende Schneeflocken, was mit Maschinen nicht zu erreichen ist“, verrät sie. Die Chinesin ist Bäckerin von den knusprigen „Xianghe Bobo“, und zwar in der dritten Generation. Sie entführt ihre Follower in die süße Welt des traditionellen chinesischen Gebäcks. 

 

  


Augen- und Gaumenschmaus: Auf der China International Bakery Fair wird chinesisches Gebäck wie Mondkuchen, Pfirsichküchlein und Pfirsichblütengebäck ausgestellt. 

  

„Gebäck ist ein Träger der Kultur. Es war lange schwierig, unser köstliches Dim Sum mehr Menschen näherzubringen, aber Douyin hat uns diese wertvolle Gelegenheit geboten“, sagt Yang Ming, ebenfalls ein Erbe von Xianghe Bobo, und zwar in der vierten Generation. Laut ihm hat der offizielle Flagship-Store von Xianghe Bobo seit seiner Eröffnung im Januar 2021 mehr als 2,1 Millionen Produkte auf Douyin verkauft. In diesem Jahr entsprechen die Quartalsabsätze bereits dem Gesamtverkaufsvolumen des Vorjahres. 

  

Viele der Fortführer alter Handwerkskünste nutzen die neuen Möglichkeiten des E-Commerce und helfen auf diese Weise dabei, altes Handwerk zu hippen Trendprodukten zu machen. Beim ersten „Festival für Kultur- und Kreativgüter – Neujahr im Museum“ von Douyin zog das Verkaufsvolumen von Kultur- und Kreativprodukten von Museen auf der E-Commerce-Plattform des Videoportals im Vergleich zum Vormonat um 644 Prozent an. Im Bereich „Abenteuer und Einfallsreichtum“, der immateriellen Kulturgütern, Büchern, Agrarerzeugnissen und chinesischen Traditionsmarken gewidmet war, schossen die Verkäufe im Vergleich zum Vorjahr um rund 300 Prozent in die Höhe. Beim „Shoppingfestival für immaterielles Kulturerbe“ zeigten traditionelle Handwerker ihr Können und verkauften traditionelle Handwerksprodukte per Livestreaming und Kurzvideo. Tatsächlich sind es gerade die Elemente des immateriellen Kulturerbes, die sie in den Augen der Verbraucher in Mode bringen.  

 

Der Trend des Guochao hat also zahlreiche neue Möglichkeiten für die Weitergabe und Entwicklung von Chinas immateriellem Kulturerbe geschaffen und eine Brücke geschlagen, um dieses wieder in den Alltag der Menschen zu integrieren. Und das ist wohl der beste Weg, das alte Kunsthandwerk und seine Produkte langfristig zu schützen und ihren Fortbestand zu sichern. 

 

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