Am Abend des 6. Mai veranstalteten der französische Präsident Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte Macron ein Empfangsbankett im Pariser Élysée-Palast für Chinas Staatspräsident Xi Jinping und seine Gattin Peng Liyuan. Ein weiterer prominenter Gast des Abends war der chinesische Starpianist Lang Lang, der zunächst das chinesische Lied „Jasmine“ zum Besten gab. Gemeinsam mit dem Ensemble des Elysée-Palastes spielte er im Anschluss ein Stück des französischen Komponisten Charles-Camille Saint-Saëns.
„Ich hatte viele Lieder vorbereitet, am Ende aber habe ich mich für diese beiden Stücke entschieden“, verrät der Pianist im Interview. „‚Jasmine‘ aus China ist weltbekannt. Und was das Stück von Saint-Saëns angeht, finde ich einfach, dass es voller positiver Vibes steckt und sich deswegen gut für die Feier zum 60. Jahrestag der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen China und Frankreich geeignet hat.“ Nach dem Bankett postete Lang eine Nachricht auf seinem Weibo-Account: „Es war ein unvergesslicher, wundervoller Abend! 60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen China und Frankreich – auf ewige Freundschaft!“
Tatsächlich war es nicht das erste Mal, dass Lang im Élysée-Palast eingeladen zu Gast war. Als Botschafter der chinesisch-französischen Völkerfreundschaft engagiert sich der Klaviermeister schon seit etlichen Jahren aktiv in Frankreich. Mittels Musik möchte er das gegenseitige Verständnis für Kultur und Kunst verbessern und so die freundschaftlichen Bande zwischen beiden Ländern stärken.
Alles soll stimmen: Lang Lang bei einer Probe vor dem Empfangsbankett im Pariser Élysée-Palast für Staatspräsident Xi Jinping und seine Gattin Peng Liyuan.
Woher aber kommt die tiefe Verbundenheit des chinesischen Starpianisten ausgerechnet zu Frankreich? Was haben Staatspräsident Xi und sein Amtskollege Macron beim Staatbankett zu ihm gesagt? Welche besonderen Pläne hat Lang als Kulturbotschafter in diesem Jahr? Und welche Einflüsse hat das KI-Zeitalter auf sein musikalisches Schaffen? All diesen Fragen sind wir im Exklusivgespräch mit dem Tastenvirtuosen nachgegangen.
Schicksalsverbindung zu Frankreich
Es sei Emmanuel Macron persönlich gewesen, der ihn zu dem besagten Empfangsbankett für die Ehrengäste aus China eingeladen habe, verrät uns Lang. „Macron war beim Bankett auch sehr gelöst. Es ein sehr bedeutender Moment für China und Frankreich, sagte er, und er wolle die Beziehungen zwischen beiden Ländern in Zukunft noch weiter vertiefen.“ Der passionierte Künstler hatte an besagtem Abend auch die Chance, mit Staatspräsident Xi ins Gespräch zu kommen. „Staatspräsident Xi lobte meine jahrelangen Anstrengungen für die Verbreitung der chinesischen Kultur und spornte mich an, meine bedeutungsvolle Karriere fortzuführen.“
2013 debütierte Lang auf der Konzertbühne zur Feier des französischen Nationaltages. Er war damals der einzige asiatische Künstler bei dieser Aufführung. Darüber hinaus war er der erste asiatische Pianist, der unter dem Eiffelturm spielte. 2013 wurde Lang von der französischen Regierung mit dem „Ordre des Arts et des Lettres“ ausgezeichnet. Seit Jahren gibt das chinesische Jahrhunderttalent immer wieder Konzerte in Frankreich.
Am 5. Dezember 2023 nahm Lang am Event zur Begrüßung chinesischer Reisender am Pariser Flughafen teil und wurde im Rahmen der Veranstaltung mit dem Titel des Kulturbotschafters ausgezeichnet. „Als chinesischer Pianist hoffe ich natürlich, dass Zuhörer in aller Welt aus meinem Spiel die Kunstbegeisterung der Chinesen heraushören“, sagt Lang.
KI + Klavier – eine magische Mixtur
Künstliche Intelligenz findet in unserer Welt längst breite Anwendung, insbesondere in Bereichen wie der Erzeugung und Verarbeitung von Dokumenten, Bildern und Videos. Auf dem Feld der Musikkomposition steckt die KI dagegen noch in den Kinderschuhen.
Im „La Salle Munch“ der Pariser Musikhochschule École Normale de Musique de Paris spielt Lang Lang Klavier für einen KI-Film.
Kürzlich hat Lang in Kooperation mit Aliyun (Alibaba Cloud) einen kurzen Musikfilm gedreht, um der Öffentlichkeit die neuen Möglichkeiten der KI-Anwendung im Musikbereich vor Augen zu führen. Wang Yucheng, Regisseur des Kurzfilms, schwärmt: „Sie brauchen nur ein paar Noten und einige Melodieschnipsel einzugeben und schon erstellt das KI-Tool automatisch eine neue komplette Komposition für Sie. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes Zukunftsmusik! Unser Film soll zeigen, wie leistungsstark die KI bereits beim Musikschaffen ist.“
„Es waren meine ersten Gehversuche, KI-Technologie mit dem Klavierspiel zu kombinieren. Und ich freue mich immer, etwas Neues auszuprobieren“, sagt Lang und lacht. „Aliyun verfügt über leistungsstarke KI-Algorithmen, mit denen wir neue Musikstile und musikalische Ideen leichter erforschen können. Dank KI wird die Musikproduktion also immer smarter und effizienter“, lobt Lang.
„Der Starpianist Lang Lang und KI-Hightech – diese magische Mixtur hat das Zeug, die Fantasie der Menschen zu beflügeln“, sagt Filmemacher Wang begeistert. „In unserem Streifen vermenschlichen wir die KI bewusst und machen sie quasi zu einem Freund von Lang. Allein schon der Interaktionsprozess der beiden ist sehenswert.“ Lang ergänzt: „Für mich ist der springende Punkt, dass KI als Hilfsmittel beim Komponieren herangezogen werden kann. Zuvor hatte ich nicht viele Chancen, selbst zu komponieren, möchte mich aber gerne verstärkt daran ausprobieren. Daher denke ich, dass die KI mir in Zukunft bei der Komposition viel helfen wird, insbesondere bei der Orchestrierung.“
Der Kurzfilm wurde an der École Normale Supérieure in Paris gedreht. Er sei in Zusammenarbeit mit einem französischen Team im Rahmen des diplomatischen Jubiläumsjahres entstanden, erklärt Wang. Ziel sei es gewesen, durch die Kombination von klassischer Musik und fortschrittlicher KI Chinas technologischen Entwicklungsstand zu demonstrieren und so das Verständnis der Franzosen für China zu vertiefen. Der Film sei letztlich ein Zeugnis der Völkerfreundschaft zwischen beiden Ländern.
Nach den Dreharbeiten: Ein Gruppenfoto von Lang Lang und seinen Fans an der École Normale de Musique de Paris.
Tasten, die Brücken schlagen
Lang erklärt uns, woher seiner Meinung nach seine große Berühmtheit in Frankreich rührt: „Erstens sind die Franzosen sehr angetan von der asiatischen, insbesondere der chinesischen Kultur. Sie sind chinesischen Künstlern gegenüber sehr aufgeschlossen und zollen unserer Arbeit großen Respekt. Zweitens streben die Franzosen in ihrem künstlerischen Schaffen nach einem sanften, feinen Ausdruck. Und chinesische Kunst besticht eben genau durch ihren dezenten Stil. Bei meinen Aufführungen achte ich auch stets darauf, die Stimmung und Atmosphäre von Stücken deutlich auszudrücken, was vielleicht auch ein Grund für meine Popularität in Frankreich ist.“
Für Lang eignet sich das Klavier als westliches Instrument auch bestens zur Interpretation musikalischer Werke aus dem Reich der Mitte. Es sei in der Lage, die Entschlossenheit der Chinesen gut zum Ausdruck zu bringen. „Wenn man zum Beispiel das Klavierkonzert ‚Der Gelbe Fluss‘ spielt, verleiht das Instrument dem Stück eine besondere Kraft. Es ist schwer vorstellbar, welches andere Instrument diese Kraft in dieser Form erzeugen sollte, wenn nicht das Klavier. Darüber hinaus lässt sich auf dem Klavier auch die Mentalität der Chinesen gut transportieren, nämlich unsere Liebe zu Frieden, das Streben nach Frieden und die Verteidigung des Friedens“, so der Künstler.
In diesem Jahr wird Lang auch mit vielen großen europäischen Orchestern zusammenarbeiten, unter anderem mit dem Orchestre de Paris, dem Orchestre National de France sowie der Staatskapelle Dresden. „Es freut mich, im kulturreichen Europa zu touren. China und Europa haben viele Ähnlichkeiten. Beide Kulturräume besitzen eine lange und reiche Zivilisationsgeschichte und schätzen klassische Musik. Deshalb bin ich immer gerne bereit, nach Europa zu kommen. Ich hoffe, dass ich in diesem Jahr noch viele wunderbare Auftritte hier geben werde.“
Lang Lang bei einer von seiner internationalen Musikstiftung gesponserten Veranstaltung in einer Grundschule in Newark, New Jersey.
Bei seinen Konzerten in Europa setzt der chinesische Klaviervirtuose alles daran, Chinas Musik in die Welt zu tragen. Er sagt: „In jedem Konzert spiele ich mindestens ein chinesisches Stück, das ist für mich wie eine Tradition. Mein großer Wunsch ist es, dass die Beziehungen zwischen China und Europa immer besser werden.“
Auch im Jugendbereich fungiert Lang als passionierter Kulturbotschafter. „Meine Kunststiftung hat schon einige europäische Kinder nach China gebracht, unter anderem in das historische Städtchen Jimo in Shandong und in das National Centre for the Performing Arts in Beijing. Dort haben sie die chinesische Kultur ein Stück weit kennengelernt. Diesen Sommer werden wir auch einige chinesische Kinder nach Europa senden, damit sie die europäische Kultur hier erleben. Momentan bemühen wir uns darum, ein Musiksommerlager für Kinder auf die Beine zu stellen, um den künstlerischen Austausch zwischen chinesischen und europäischen Jugendlichen zu vertiefen.“