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Chinas ganzheitliches nationales Sicherheitskonzept – Historische und kulturelle Wurzeln

2024-06-12 16:47:00 Source:german.chinatoday.com.cn Author:Wang Yiwei und Liao Huan*
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Am 15. April 2014 stellte Chinas Staatspräsident Xi Jinping erstmals das neue ganzheitliche nationale Sicherheitskonzept vor. Es führt den tiefgründigen historischen Fundus der chinesischen Kultur mit den Besonderheiten der internationalen Beziehungen in der Moderne zusammen. Traditionelle Kulturkonzepte wie Konfuzianismus, Daoismus und Mohismus steuern viele Lösungswege bei, die auch für die Sicherheitsherausforderungen Chinas und der Welt im 21. Jahrhundert noch immer von großer Relevanz sind. Diese traditionellen Weisheiten dienen nicht nur als philosophische Grundlage für Chinas neues Sicherheitskonzept, sondern bilden auch eine wirksame praktische Orientierungshilfe. Nicht zuletzt bieten sie wichtige Denkansätze und Inspiration für die Lösung globaler Sicherheits- und Entwicklungsprobleme der Neuzeit. 

 

  

 

Ein Blick zurück in die Zeit: Die Konfuzius-Statue auf dem Konfuzius-Platz in der New Yorker Chinatown im Jahr 1985. 

 

Einflüsse des Konfuzianismus 

 

Philosophische Grundlage dieses staatlichen Sicherheitskonzepts bildet der Konfuzianismus. Die Idee der Gemeinschaft von Familie und Staat ist eine wichtige Säule der chinesischen Kulturtradition. Der konfuzianische Gedanke, „durch Selbstkultivierung die Familie zu führen und dem Staat durch gute Verwaltung Stabilität zu bringen“, wird in Chinas neuem Sicherheitskonzept als wichtiger Kerngedanke aufgegriffen. Denn auch dieses spricht sich für eine enge Verbindung zwischen Familie und Staat und das Streben nach allgemeiner Harmonie aus, wobei gegenseitige Abhängigkeiten und gemeinsame Verantwortung betont werden. 

 

Im Konfuzianismus steht die Sicherheit des Individuums in unmittelbarem Zusammenhang mit der Stabilität des Landes und dem Frieden der Welt. Diese globale und ganzheitliche Perspektive führt im Umkehrschluss aber auch zu der Erkenntnis, dass Gesellschaft und Staat in ihrer Gesamtheit nur dann wirklich sicher sein können, wenn sich jeder Einzelne in einem sicheren Zustand befindet. Diese Ausweitung von der einzelnen Familie auf den Gesamtstaat hat es ermöglicht, Familie und Staat nicht nur auf materieller, sondern auch auf geistiger und kultureller Ebene zu einem unteilbaren Ganzen zu verbinden. Diese philosophische Idee der Gemeinschaft von Familie und Staat geht über die traditionellen Strategien der Maximierung nationaler Interessen und der Sicherheitsgewährleistung durch mehr Landesstärke hinaus. Sie formt ein Plädoyer für die Suche nach gemeinsamen Sicherheitslösungen aus ganzheitlicher Warte, um langfristigen Frieden und gemeinsamen Fortschritt zu fördern. 

 

In Bezug auf die Erforschung der Vielfalt der nationalen Sicherheit spielt im Konfuzianismus zudem der philosophische Gedanke der „Untrennbarkeit von Einem und Vielen“ eine besondere Rolle. Dieser Idee folgend sind alle Wesenheiten des Kosmos tief im Innern miteinander verbunden, wenn man sie als Ganzes betrachtet. Das heißt: Während man die verschiedenen Sicherheitsbereiche als Ganzes wahrnimmt, sollte man auch die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen ihnen nicht aus den Augen verlieren. Diese konfuzianistische Idee trägt zu einem tieferen Verständnis der umfassenden Natur der Sicherheit bei und unterstreicht, dass die Bewältigung von Sicherheitsherausforderungen ganzheitliches Denken voraussetzt und systematische Lösungen erfordert. 

 

Darüber hinaus betont der Konfuzianismus auch die Beziehung zwischen dem Ganzen und seinen Teilen. Er geht davon aus, dass die Teile sich zwar in ihrer Form unterscheiden mögen, sich jedoch keiner von ihnen vom einheitlichen Prinzip des Ganzen trennen lässt. China setzt sich dafür ein, dass sich die Menschheit als Schicksalsgemeinschaft begreift. Nur wenn sich alle Länder der Welt harmonisch gemeinsam entwickeln, lässt sich in China anhaltender Wohlstand sicherstellen. Chinas Wiederaufleben ist letztlich nicht nur eine Chance für China selbst, sondern leistet auch einen wichtigen Beitrag zur globalen Sicherheit. Beides greift also unweigerlich ineinander. Staatspräsident Xi Jinping sagte in diesem Zusammenhang: „Die Menschheit ist eine voneinander abhängige Schicksalsgemeinschaft. China kann erst dann gedeihen, wenn auch die Welt floriert, und umgekehrt.“ 

 

  

 

Großer Vordenker: Ein Porträt von Konfuzius (555-479 v. Chr.) in der Bibliothèque Nationale de France. 

 

Die Dialektik des Daoismus 

 

Was den Daoismus betrifft, so bildet das dialektische Denken aus seiner Tradition eine wichtige Orientierungshilfe für die wirksame Reaktion auf sicherheitspolitische Herausforderungen von heute. Das dialektische Denken der Transformation von Yin und Yang geht davon aus, dass die Entwicklung der Dinge von der Einheit von Gegensätzen und der gegenseitigen Transformation dieser Gegensätze geprägt ist. Sprich: Alles ist Teil eines großen, verbundenen Systems gegenseitiger Wechselwirkung. Yin und Yang sind also nicht nur Gegensätze, sondern auch wechselseitig umwandelbar und damit auch kompatibel. 

 

Diese Denkweise bietet China eine einzigartige Perspektive für das Verständnis und die Bewältigung komplexer Sicherheitsfragen. Aus der Perspektive des dialektischen Denkens sind Sicherheit und Entwicklung nicht unabhängig voneinander, sondern bedingen und fördern sich gegenseitig. Beide sind – wie Yin und Yang – untrennbar miteinander verbunden. Sicherheit schafft die notwendigen stabilen Bedingungen für Entwicklung, während Entwicklung die Grundlage der Sicherheit kontinuierlich stärkt. 

 

Ebenso betrachtet das chinesische Denken Gefahren und Chancen als dialektische Einheit. Will heißen: In Gefahren verbergen sich auch immer Chancen, und in Chancen wiederum stecken auch immer Gefahren. Gefahr und Chance sind also einem ständigen, gegenseitigen Wandel unterlegen. Solange man Chancen gut ergreift, lassen sich selbst Gefahren in Chancen ummünzen, so die Idee. Dieses umfassende und koordinierte Sicherheitskonzept hilft China, auf der globalen Bühne effektiver auf die gegebenen Herausforderungen zu reagieren und die stabile Entwicklung der internationalen Beziehungen zu fördern. 

 

Zudem ist der Daoismus klar gegen Krieg. Im Daodejing heißt es: „Waffen sind unheilvoll und werden von den Menschen verabscheut. Deshalb benutzen diejenigen, die dem Dao folgen, sie nicht.“ Friedliches Zusammenleben bedeutet also, dem Dao zu folgen. Sobald ein Krieg ausbricht, gerät die Welt dagegen nach daoistischem Verständnis in Aufruhr. Der Daoismus spricht sich für eine Stärkung der Moral und Selbstkultivierung aus, um Harmonie und gegenseitigen Respekt in einem natürlichen Zustand zu erreichen und die Welt mit Moral statt mit Gewalt zu regieren. 

 

Mohismus: universelle Liebe und Nichtangriff 

 

Nicht zuletzt spielen auch die Ideen des Mohismus in Chinas neues Sicherheitskonzept hinein. Der Mohismus liefert eine wichtige ideologische Unterstützung für das Konzept und die Praxis von dauerhaftem Frieden. Das mohistische Sicherheitsverständnis ist ein wichtiger Teil des Denksystems dieser Schule, das sich vor allem in den Kernkonzepten der universellen Liebe und des Nichtangriffs widerspiegelt. 

 

Universelle Liebe bedeutet in den Augen der Mohisten, alle Menschen gleichermaßen und bedingungslos zu lieben. „Man soll andere Staaten wie den eigenen betrachten, andere Familien wie die eigene und andere Menschen wie sich selbst“, so heißt es im Klassiker Mozi. 

 

Der Gedanke des Nichtangriffs spricht sich derweil gegen unnötige Kriege und Angriffe auf andere Länder aus. Angriffe auf fremde Staaten werden als genauso ungerecht eingestuft wie das Töten von Menschen. Wenn jeder auf der Welt klar zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden weiß, kann ein friedlicher Zustand des Nichtangriffs erreicht werden. 

 

Neben theoretischen Forschungen befasst sich der Mohismus auch mit der Entwicklung konkreter Verteidigungstechnologien. Mozi selbst war ein technischer Experte. Er entwarf und produzierte eine Vielzahl von Verteidigungsgeräten und Militärmaschinen, wie zum Beispiel Leiter und Schildwagen, die das praktische Sicherheitsdenken des Mohismus spiegeln, nämlich den Schutz der Bevölkerung vor Krieg durch technologische Innovation. Mozi etablierte nicht nur eine Ethik zur Vermeidung von Krieg und Konflikten, sondern setzte sich auch für die Verwirklichung technologischer Schutzmaßnahmen ein. Diese Sicherheitsstrategie, die Moral und Praktikabilität gleichermaßen berücksichtigt, inspiriert auch heute noch Chinas Sicherheitsmaßnahmen. 

 

In Sicherheitsfragen legt die chinesische Tradition den Schwerpunkt letztlich auf Moral und kollektive Harmonie und befürwortet damit ein Modell der internationalen Beziehungen, das auf Zusammenarbeit und gemeinsamem Gewinn beruht. Dieses Modell geht davon aus, dass globale Probleme durch Kooperation aller Länder gelöst werden sollten, wobei gegenseitiger Nutzen und friedliche Koexistenz im Fokus stehen. Im Zentrum des westlichen Sicherheitskonzepts stehen hingegen Individualismus, Machtkonfrontation und wetteifernde Interessen. Diese unterschiedlichen Denkweisen bestimmen die Verhaltensmuster und strategischen Entscheidungen Chinas und des Westens in den internationalen Beziehungen sowie der globalen Governance. 

 

*Wang Yiwei ist Vizedirektor des Forschungsinstituts für Xi Jinpings Ideen des Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter an der Renmin-Universität sowie Professor der Fakultät für Internationale Beziehungen dieser Universität.  

 

Liao Huan arbeitet als Doktorandin an der Fakultät für Internationale Beziehungen.  

  

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