Uwe Kräuter in der Stadt Jingdezhen, Chinas zentrale und historische Stadt für die Herstellung von Keramik und Porzellan. Im Hintergrund seine Frau Shen Danping. Foto: Privat
Als Uwe Kräuter, bekanntester deutscher Kulturvermittler in China, 1974 nach China kam, „war Umweltschutz natürlich noch kein Thema“. Genauso wenig sei das in Deutschland damals der Fall gewesen. „Überall, wohin man blickte, war alles grün, und uns erschien die Luft sauber“, erinnert sich der 79-Jährige.
Als ich 1985 als Kind das erste Mal mit meinen Eltern in China war, sind wir nicht auf den höchsten Berg Honkongs, den Peak, gegangen, weil man die Hand vor Augen nicht sehen konnte. 2011 kam ich an den gleichen Ort zurück und bin mit der Seilbahn hochgefahren, wo dann oben die Sicht auch nur wenige Meter betrug. Ich weiß nicht mehr, ob das Nebel oder Smog war. In China gab es jedenfalls lange mehr Smog als Nebel, hatte ich den Eindruck.
Als ich im Spätherbst 2017 in Beijing anfing zu arbeiten, sah ich viele Kollegen mit Masken auf der Straße laufen. Sie trugen FFP2- oder FFP3-Masken, in der Hoffnung, diese würden viel vom Feinstaub aus der Luft filtern und das Tragen von Masken hat in China auch eine Tradition bei Erkältungen. Ich fand das komisch, trug dann aber während der nächsten zwei Jahre tatsächlich auch ein paar Mal eine Maske, weil ich husten musste und die Luft schmecken konnte. Die Firma stellte uns extra für diesen Zweck Masken zur Verfügung.
Die Beijinger Luft schmeckte damals wahrlich nicht nach Wald, Meeresbrise oder Gebirgswind, sondern oft nach Kohle und Schmutz. Die Berliner Luft war dagegen fast lecker. Viele Kollegen nutzen zu dieser Zeit Apps, die ihnen die Feinstaubbelastung (PM2,5) anzeigten.
China steht weltweit im Fokus, wenn es um Klimapolitik und Umweltschutz geht. Oft wird vergessen, dass China noch ein Entwicklungsland ist und ein Großteil der Menschen noch lange nicht einen westlichen Lebensstandard erreicht hat. Umso beachtlicher sind Chinas Fortschritte beim grünen Wandel.
Ambitionierte Umweltschutzprojekte und der gleichzeitige massive Einsatz fossiler Brennstoffe erscheinen einigen journalistischen Beobachtern dabei als Widerspruch. Tatsächlich ist es aber so, dass Sonne und Wind nicht so konstant und gleichmäßig elektrischen Strom liefern können, wie etwa Kohle, Gas und Öl. Um die Energieversorgung zu niedrigen Preisen für die Industrie und Privathaushalte durchgehend zu gewährleisten, braucht China also dieses Backup mit fossilen Brennstoffen. Würde China zu diesem Zeitpunkt nur auf sogenannte erneuerbare Energien setzen und etwa auf Kohleverstromung verzichten, müsste China die „gleiche Art“ von Strom teuer von anderen Ländern kaufen. Die chinesische Regierung hat sich gegen so einen teuren Etikettenschwindel entschieden und setzt auch hier auf Vernunft.
Chinas beachtliche Fortschritte bei erneuerbaren Energien, Aufforstung und nachhaltiger Stadtentwicklung zeigen, dass Umweltschutz hier nicht nur ein Schlagwort ist. Die Luftverschmutzung war über Jahrzehnte eines der drängendsten Probleme in chinesischen Städten. Durch strikte Maßnahmen wurde die Lage verbessert. In Beijing, der ehemaligen Smog-Hauptstadt, konnte die Feinstaubbelastung (PM2,5) zwischen 2013 und 2023 um mehr als 50 Prozent reduziert werden. Strenge Emissionsgrenzen, der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und der Übergang von Kohle zu Gas tragen zu diesem Erfolg bei. Auch kleinere Städte folgen diesem Beispiel, um die Lebensqualität der Bevölkerung zu verbessern. Noch ist beim Umweltschutz viel Luft nach oben und China gibt nie auf halber Strecke auf. „Heute gucke ich täglich wie die Luftverhältnisse sind und je nach Luftsituation mache ich die Fenster auf oder zu“, verrät Kräuter: „Ich freue mich, häufig blauen Himmel in Peking zu sehen.“
Mauricio Percara aus Argentinien. Foto: Privat
Der Argentinier Mauricio Percara, der 2014 nach Beijing kam und derzeit in Wuhan an seiner Doktorarbeit schreibt, berichtet: „Ich habe mehrere Jahre in Beijing gelebt und selbst erfahren, dass sich die Luftqualität in der Stadt erheblich verbessert hat. Als ich ankam, waren der starke Smog und der graue Himmel eine tägliche Herausforderung, besonders im Winter.“ Mit der Zeit sei er jedoch Zeuge einer bemerkenswerten Veränderung geworden: „Klarer blauer Himmel, der früher selten war, wurde zur Regel, ein Zeichen für den Erfolg der aggressiven chinesischen Umweltpolitik.“
Umweltschutz beschränkt sich in China nicht nur auf Vermeidung von Abgasen oder Abwässern. Mit dem Projekt der Grünen Großen Mauer beispielsweise schafft China gigantische Waldflächen, um Wüsten wie die Gobi einzudämmen. Seit den 1980er Jahren wurden über 66 Milliarden Bäume gepflanzt, was die Waldfläche des Landes auf 24 Prozent anwachsen ließ. Diese Maßnahmen verbessern nicht nur das Klima, sondern reduzieren auch Bodenerosion und Sandstürme. Staatspräsident Xi Jinping fasste den Kern dieser Strategie in seinem berühmt gewordenem Ausspruch zusammen: „Klares Wasser und grüne Berge sind so wertvoll wie Berge aus Gold und Silber.“
China ist der weltweit größte Investor in erneuerbare Energien und hat damit auch in diesem Bereich eine klare Vorreiterrolle inne. Das Land baut fast doppelt so viele Kapazitäten für Wind- und Solarenergie wie der Rest der Welt zusammen. Projekte wie auf der Insel Chongming, wo Solarpaneele über Krabbenteichen installiert sind, zeigen, wie Landwirtschaft und Energieproduktion kombiniert werden können. Laut einer Studie der Nichtregierungsorganisation Global Energy Monitor stammten 2023 etwa 40 Prozent des chinesischen Wirtschaftswachstums aus Investitionen in grüne Technologien.
Neben erneuerbaren Energien setzt China verstärkt auf emissionsfreie Atomenergie, auch um die Abhängigkeit von Kohle zu verringern. Aktuell sind über 50 Kernkraftwerke in Betrieb, weitere sind in Planung oder im Bau. China ist auch Spitze in der Kernenergie- und Kernfusionsforschung.
Der Kampf gegen die Wüstenbildung, also die Verkleinerung von Wüsten, bleibt in China eine Priorität. Durch den Anbau dürreresistenter Pflanzen und innovative Bewässerungssysteme konnte die Ausbreitung der Wüsten gestoppt und in einigen Fällen sogar zurückgedrängt werden. In Regionen, die einst von Sandstürmen heimgesucht wurden, haben sich Biodiversität und Lebensqualität stark verbessert. „Außerhalb der Städte habe ich groß angelegte Aufforstungsprojekte beobachtet, die Chinas Engagement für Nachhaltigkeit weiter unter Beweis stellen“, berichtet auch Percara, der beruflich viel in China unterwegs ist. Solche Projekte und andere Verbesserungen hätten ihm ein tiefes Verständnis dafür vermittelt, wie ehrgeizige politische Maßnahmen in China zu echten, messbaren Umweltfortschritten führen könnten.
China hat ehrgeizige Ziele. Es will bis 2030 den Höhepunkt seiner Kohlendioxid-Emissionen erreichen und bis 2060 kohlenstoffneutral werden. Laut Experten könnte der Emissionspeak sogar schon früher erreicht werden.
Chinas grüner Wandel ist ein Balanceakt zwischen Tradition und Moderne. Die Botschaft von Xi Jinping bleibt der Leitfaden: „Klares Wasser und grüne Berge sind so wertvoll wie Berge aus Gold und Silber.“ China hat das Zeug zur Natur zurückzukehren und gleichzeitig der Moderne den Weg zu bereiten. Auch Uwe Kräuter blickt optimistisch auf Chinas grüne Zukunft: „China ist sich sehr bewusst, wie man Land und Leute schützen muss. Da habe ich vollstes Vertrauen.“
*Nils Bergemann ist studierter Journalist mit langer Erfahrung als Redakteur und Kommunikationsexperte bei Verlagen und anderen Unternehmen. Zuletzt arbeitete er fünf Jahre für die China Media Group. Weiterhin in Beijing lebend unterrichtet er seit 2023 Deutsch, Sprachwissenschaften und Wirtschaft an der University of International Business and Economics.
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