Fiona Fang, hier auf einem Ausflugsschiff auf dem Main, empfiehlt chinesischen Einwanderern: „Man sollte so früh und so intensiv wie möglich Deutsch lernen. Gute Sprachkenntnisse machen vieles im Berufs- und Alltagsleben leichter.“
Nach Gesprächen mit einer Freundin reifte in ihr Ende 2022 die Idee, auszuwandern. Sie stieß im Internet auf eine Agentur, die Spracherwerb bis B1-Niveau sowie die Vermittlung einer Arbeit in Deutschland anbot. Im Februar 2023 begann sie dann bereits mit dem Deutschlernen.
Deutschbüffeln ohne Ende und bürokratische Hindernisse
Seit September 2024 lebt die junge Chinesin nun im hessischen Hofheim und arbeitet im benachbarten Höchst. „Nach meiner Ankunft in Deutschland habe ich weiterhin Onlinesprachkurse besucht und durch meine Lehrerin einiges über die deutsche Kultur erfahren“, erklärt Fang. Zuvor sei sie noch nie in Deutschland gewesen, aber das Land habe sie schon länger fasziniert. „Die Bundesrepublik liegt geografisch auch sehr günstig, sodass man leicht in andere europäische Länder reisen kann.“
Um sich bestmöglich auf ihr neues Leben vorzubereiten, begann sie schon eineinhalb Jahre vor ihrer Abreise mit dem Sprachenlernen, wobei sie bereits nach knapp neun Monaten die B1-Prüfung des Goethe-Instituts bestand. „Ich verfolgte auch regelmäßig die Nachrichten aus Deutschland, um einen besseren Einblick in die deutsche Kultur und Gesellschaft zu bekommen“, erzählt die 30-Jährige. Zunächst habe sie Deutsch nach der Arbeit gelernt. „Als ich B1-Niveau erreicht hatte, habe ich gekündigt, um mich ganz auf das Deutschlernen konzentrieren zu können“, sagt Fang, der die deutsche Grammatik am schwersten fiel. „Auch zusammengesetzte Wörter, lange Substantive und medizinische Fachbegriffe finde ich manchmal schwierig.“ Am Anfang habe sie sich das Sprachstudium leichter vorgestellt, gesteht sie. „Die Kommunikation im Beruf ist überraschend schwierig.“
Für die Agentur, den Deutschunterricht, Beglaubigungen, notarielle Beurkundungen und den Flug hat sie insgesamt 50.000 Yuan hingeblättert, etwa 6000 Euro also. Bei der zuständigen Anerkennungsstelle des Bundeslandes, in dem sie arbeiten wollte, stellte sie einen Antrag auf Anerkennung ihrer Berufsqualifikation und reichte alle erforderlichen Dokumente ein: Pflegeausbildungszeugnis, Lebenslauf, Reisepass und polizeiliches Führungszeugnis aus China. Derzeit bleibt sie selbstständig in Sachen Sprachstudium am Ball, um das B2-Sprachzertifikat zu erhalten, das die Mindestanforderung für Pflegekräfte darstellt.
„Die Anerkennungsstelle prüft, ob die ausländische Ausbildung mit der deutschen Ausbildung vergleichbar ist“, erklärt Fang. Sei dies der Fall, werde sie anerkannt. Wenn sie nur teilweise gleichwertig sei, könne ein Anpassungslehrgang oder eine Kenntnisprüfung verlangt werden. „Da meine Anerkennung nur teilweise gleichwertig ist, muss ich einen Anpassungslehrgang besuchen.“ Bewerber, die alle Schritte erfolgreich absolviert haben, bekommen entweder eine Berufserlaubnis oder die Urkunde zur Führung der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpfleger/in“.
„Meine Anerkennung wird insgesamt etwa ein Jahr dauern. Mein Anpassungslehrgang läuft derzeit noch“, erzählt sie. Fiona Fang findet das Verfahren sehr kompliziert: „Es dauert sehr lang und ich muss verschiedene Unterlagen vorbereiten.“ Immerhin habe sie das beschleunigte Fachkräfteverfahren nutzen und dadurch ihr Visum schneller erhalten können. „Ich habe eine Agentur genutzt, weil sämtliche Unterlagen von der zuständigen Arbeitsbehörde geprüft und genehmigt werden müssen.“ Die bürokratischen Abläufe und Behördengänge seien viel komplizierter gewesen als erwartet, fasst die junge Frau zusammen, die vor ihrem Abflug nach Deutschland ein Online-Vorstellungsgespräch bei ihrem zukünftigen Arbeitgeber bestand.
Auf die Frage, ob sie sich von Wichtigem habe trennen müssen, antwortet die Junggesellin sofort: „Ja, von meiner Familie.“ Auch ihre große Guzheng, ein traditionelles Saiteninstrument, das oft als chinesische Zither bezeichnet wird, musste sie in China zurücklassen. Mit im Gepäck waren dagegen Steckdosenadapter, chinesische Snacks, ihr Lieblingstee, Geschenke von ihren Freunden und Kleidung, einschließlich einer von ihrer Mutter selbstgenähten Jacke. Gegen das Heimweh telefoniert sie ein- bis zweimal pro Woche nach Hause.
Die 30-Jährige hatte einen guten Start: „Schon am vierten Tag bin ich mit dem Zug nach Heidelberg gefahren, um Freunde zu treffen.“ Insbesondere die Umgebung sei wunderschön. „Ich wusste bei meiner Ankunft aber nicht, wie ich eine SIM-Karte kaufe oder mich anmelde. Zum Glück haben mir die Mitarbeiter der Agentur geholfen, diese Probleme zu lösen.“ Die Sprache bereite ihr immer noch die größten Schwierigkeiten, sagt die junge Frau: „Manchmal verstehe ich bestimmte Redewendungen oder den Humor nicht. Auch die direkte Art der Kommunikation in Deutschland war anfangs etwas ungewohnt für mich.“
Das Krankenhaus stellt ihr eine Wohnung zur Verfügung, die Miete von etwa 580 Euro zahlt sie selbst. Auf die Frage, welche deutschen Regeln für sie neu gewesen seien, antwortet sie: „Die Mülltrennung hat mich anfangs überrascht. Es gibt so viele verschiedene Tonnen für Papier, Plastik, Biomüll, Restmüll und sogar für Glas in verschiedenen Farben. Das war am Anfang kompliziert, aber inzwischen finde ich es sehr sinnvoll.“ Zudem hat sie festgestellt, dass viele Deutsche gerne Sprudelwasser trinken.
In ihrem Krankenhaus arbeitet sie 38 Stunden pro Woche. „Allerdings muss man im Schichtdienst arbeiten, entweder im Frühdienst von 06:30 bis 14:45 Uhr, im Spätdienst von 13:45 bis ca. 22:00 Uhr oder im Nachtdienst von 21:30 bis 07:00 Uhr.“
Klare Regeln und nette Kollegen
Auch ihren Beruf betreffend sind ihr viele Unterschiede zu China aufgefallen: „In Deutschland ist die Pflegeausbildung sehr strukturiert und dauert in der Regel drei Jahre, mit einem klaren Wechsel zwischen Theorie und Praxis. In China ist die Ausbildung oft kürzer und es gibt starke Hierarchien.“ Die Arbeitszeit in Deutschland betrage zwischen 35 und 40 Stunden pro Woche, in China arbeite man meist länger. „In Deutschland haben die Fachkräfte klare Weiter- und Fortbildungen, in China ist systematische Weiterbildung dagegen weniger verbreitet, dafür wird mehr Wert auf die fachlichen Kompetenzen gelegt.“ Die Pflegekräfte übernähmen dort viele invasive Tätigkeiten wie Blutabnehmen oder das Legen von Infusionen. In Deutschland konzentriere sich die Arbeit dagegen eher auf die Grundpflege und das Verabreichen von Medikamenten, erklärt Fang. Die Bundesregierung hat unlängst zwei neue Gesetze zur Pflege eingebracht, die erweiterte Kompetenzen für Pflegekräfte vorsehen. Welche Eingriffe erlaubt sein werden, wird gerade systemintern ausgehandelt.
Fang schätzt an Deutschland auch die klaren gesetzlichen Regelungen zu Arbeitszeiten, Pausen und Urlaub. „Die Arbeitsumgebung ist hier ruhiger als in China“, fügt sie hinzu. Ungewohnt sei es für sie, so viel Arbeitszeit für die Körperpflege der Patienten aufzuwenden.
Fang bedauert, dass sie sich aufgrund der Sprachprobleme noch nicht so gut mit den Kollegen verständigen kann. „Das macht die Arbeit schwieriger.“ Das Verhältnis zu den „äußerst hilfsbereiten“ Kollegen sei jedoch sehr gut. „In meinem Krankenhaus haben die meisten Pfelgekräfte ausländische Wurzeln“, erklärt sie. Als ausländische Fachkraft werde sie fair und respektvoll behandelt. Fiona Fang schätzt Aufgaben, bei denen sie mit Kollegen zusammenarbeitet, wie zum Beispiel Wundversorgung und Planungen. „Weniger gerne mache ich Körperpflege und Dokumentationsaufgaben, weil sie manchmal sehr viel Zeit kosten.“
Die junge Frau beschreibt für uns einen typischen Arbeitstag: „Ein Frühdienst beginnt für mich um 06:30 Uhr mit der Übergabe. Danach helfe ich bei der Körperpflege, messe Vitalwerte und unterstütze beim Frühstück. Am Vormittag übernehme ich medizinische Aufgaben und dokumentiere. Mittags helfe ich bei der Essensausgabe und bei der Lagerung. Am Ende folgt oft noch die Übergabe an die nächste Schicht. Im Spätdienst erledige ich oft ähnliche Aufgaben wie im Frühdienst. Der Nachtdienst ist in der Regel ruhiger, dabei geht es vor allem darum, die Medikamente für den nächsten Tag vorzubereiten.“
Nach einigen Jahren Berufserfahrung könne sie sich etwa in Intensivpflege, Anästhesie, Wundmanagement, Palliativpflege oder Stationsleitung weiterbilden lassen. „Außerdem besteht die Möglichkeit, zur Praxisanleitung aufzusteigen, über eine Qualifizierung zur Anleitung von Auszubildenden in der Pflege, oder zur Wohnbereichsleitung.“ Wer möchte, könne auch ein Pflegestudium absolvieren, zum Beispiel Pflegepädagogik oder Pflegewissenschaft.
Städtereisen und ein Leben in Deutschland mit der Familie
In ihrer Freizeit liest die junge Frau aus Hebei gerne, hört Musik und spielt Computerspiele. Sie trifft sich auch gerne mit Freunden auf einen Kaffee. Ansonsten hat die 30-Jährige eine Schwäche für Städtereisen. „Ich habe vor Kurzem einen deutschen Freund kennengelernt und wir unternehmen manchmal etwas zusammen.“ Auch mehrere Chinesen habe sie schon in Deutschland kennengelernt und sich mit ihnen auf WeChat verbunden. In der Anfangszeit habe sie nichts vermisst. „Ich war eher neugierig und voller Vorfreude auf das, was kommen würde“, erzählt sie begeistert. „Nun vermisse ich aber meine Familie, Freunde und das chinesische Essen.“
Medizinisches Versorgungszentrum in
Deutschland: Hier bekommen Patienten Zugang
zu vielen wichtigen Fachärzten. (Foto: Nils
Bergemann)
In ihrer kleinen Stadt gibt es keine chinesischen Supermärkte oder Gastronomie. „Aber mit dem Zug bin ich ja in 20 Minuten in Frankfurt. Dort gibt es viele chinesische Läden und Restaurants, zum Beispiel Feuertopf, Malatang, Nudeln und Kantonküche.“
Ihre Auswanderungsabsichten haben ihre Familie anfangs sehr überrascht. „Sie konnten nicht verstehen, warum ich in Deutschland arbeiten will. Aber mit der Zeit haben sie es akzeptiert und jetzt stehen sie hinter mir.“ Fang plant, ihre Eltern nach Deutschland einzuladen. „Wenn es ihnen gefällt und sie sich an das Leben hier gewöhnen, könnten sie vielleicht auch langfristig bleiben.“
Nach ihren langfristigen Zielen gefragt sagt sie: „Ich wünsche mir, mich beruflich weiterzuentwickeln und mir langfristig in Deutschland ein stabiles Leben aufzubauen.“ Und was rät sie anderen Chinesen, die es nach Deutschland zieht? „Man sollte so früh und so intensiv wie möglich Deutsch lernen. Gute Sprachkenntnisse machen vieles im Berufs- und Alltagsleben leichter. Außerdem braucht man eine gewisse Offenheit für die deutsche Kultur und darf keine Angst vor neuen Erfahrungen haben.“
*Nils Bergemann ist studierter Journalist mit langer Erfahrung als Redakteur und Kommunikationsexperte bei Verlagen und anderen Unternehmen. Zuletzt arbeitete er fünf Jahre für die China Media Group. Weiterhin in Beijing lebend unterrichtet er seit 2023 Deutsch, Sprachwissenschaften und Wirtschaft an der University of International Business and Economics.
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