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Zuhause oder im Altenheim: Wie ist es um Chinas Altenpflege bestellt?

2022-05-23 15:00:00 Source:China Heute Author:Shi Yiqi
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Nach Angaben des Nationalen Statistikamtes zählt China mittlerweile 267 Millionen Menschen über 60 Jahre. Fragen rund um den Lebensabend rücken daher immer stärker ins öffentliche Interesse. Im kürzlich vom Staatsrat herausgegebenen „Nationalen Plan für die Entwicklung der Seniorenarbeit und des Altenpflegesystems in der Periode des 14. Fünfjahresplans (2021-2025)“ verweist die Regierung darauf, dass sich die Bedürfnisse im Bereich der Seniorenarbeit grundlegend gewandelt haben. Es stünden nun nicht mehr nur die Themen Pflege und Gesundheitserhaltung im Vordergrund, sondern auch vermehrt die persönliche Entwicklung älterer Menschen. Insgesamt gebe es noch immer eine Reihe von Problemen in der Altenpflege, die einer Lösung harrten. 

  

Altern im Pflegeheim oder lieber in den eigenen vier Wänden? Wie die Betreuungskapazitäten von Altenpflegeeinrichtungen ausbauen und ein angenehmes Lebensumfeld für ältere Menschen schaffen? Und wie lässt sich ein angemessener Schutz für Senioren mit besonderen Schwierigkeiten gewährleisten und die medizinische Versorgungskapazität stetig verbessern? All das sind Fragen rund ums Alter, denen China heute gegenübersteht. Wie also ist es insgesamt um den Lebensabend in China bestellt? Wir sind der Frage auf den Grund gegangen und haben unter unseren Lesern ein Stimmungsbild eingefangen. 

 

  


Blütenpracht mit der Kamera eingefangen: Bewohner eines Altenheims in Tianjin haben die Fotografie als Hobby entdeckt. (Bild: people.com.cn) 

  

Gute Ausstattung, doch monotoner Alltag 


„Unser Altenheim ist sehr gut ausgestattet. Hier lässt es sich ganz gut leben“, schreibt uns Wu Xiaohua, ein Leser aus der Stadt Chengdu in Sichuan. „Es gibt regelmäßige Gesundheits-Check-ups und die Pflege ist einfühlsam“, sagt der Senior. Dennoch gestalte sich der Alltag ein wenig monoton. „Die meiste Zeit verbringe ich alleine mit Lesen oder Fernsehen. Manchmal plaudere ich mit anderen Heimbewohnern. Die grundsätzliche Einsamkeit nimmt das jedoch nicht“, sagt er.  

  

Egal ob zu Hause oder im Altenheim, neben körperlicher Pflege dürfe eben auch das geistige Leben nicht zu kurz kommen, betont der Rentner. „Die meisten Dienste heutiger Alteneinrichtungen konzentrieren sich vor allem auf materielle Dinge, medizinische Pflege und die Sicherung der Grundbedürfnisse von uns Senioren“, sagt Herr Wu. Die seelische Gesundheit werde da manchmal vernachlässigt, findet er. „Das Dienstleistungsangebot in diesem Bereich lässt noch immer zu wünschen übrig“, so sein Fazit. 

  

Herr Wang aus der Provinz Guangdong erklärt uns derweil, einige Wohnviertel in seiner Heimatstadt Shenzhen würden das Projekt des Seniorenmittagstisches mittlerweile auslagern. Es mangele an Aufsicht und entsprechender Verwaltung, worunter die Servicequalität merklich leide. „Die ursprüngliche Absicht des Wohnviertels, Senioren zum Essen zusammenzubringen, ist sehr löblich. Aber es bedarf eben eines Mindestniveaus an Aufsicht und Verwaltung“, so Wang, “sonst leidet die Qualität.” 

  

Herr Zhou aus der Stadt Yuncheng in der zentralchinesischen Provinz Shanxi schreibt uns: „Was Pflegeheimen im Moment am meisten fehlt, ist gutes Pflegepersonal.“ Er sagt: „Den meisten Pflegekräften in Senioreneinrichtungen mangelt es an einer qualifizierten Berufsausbildung.“ Insbesondere für pflegebedürftige alte Menschen mit Behinderung oder Demenzerkrankung bestehe ein erheblicher Fachkräftemangel, so der Rentner. Vor allem Altenpflegekräfte mit entsprechenden Fachkenntnissen, aber auch psychologische Betreuer und Fachpfleger im Bereich Rehabilitation seien äußerst gefragt. Für viele Einrichtungen sei es schwierig, passendes Personal zu finden, selbst wenn sie hohe Gehälter in Aussicht stellten. 

  

Vor noch größeren Schwierigkeiten als in den Städten stehen scheinbar Altenpflegeeinrichtungen im ländlichen Raum. Herr He aus der Stadt Shangqiu in Henan, dessen Mutter gerade in ein Pflegeheim auf dem Land umgezogen ist, beschreibt uns die Situation: „Die Räume im Pflegeheim sind sehr einfach gehalten und die Krankenschwestern quasi nicht geschult, sodass sie manche professionellen Arbeiten gar nicht erledigen können.“ Zudem liege das Heim in einiger Entfernung zum nächsten Krankenhaus. „Meine Mutter fühlt sich nicht wirklich wohl im Heim. Sie hat mehrfach geweint und gesagt, sie wolle nach Hause. Es ist für uns wirklich ein Dilemma. Denn sie alleine zu Hause leben zu lassen, wäre auch keine Lösung. Dann wären wir als Familie ständig in Sorge.“ 

 

  

 

Nahrung für Körper und Seele: In Longli, Provinz Guizhou, übt ein Rentner in einem Altenpflegezentrum auf seiner „Erhu“ - einem traditionellen chinesischen Streichinstrument. (Bild: people.com.cn) 

  

Neue Dienstleistungsmodelle als Lösung?  


Es gibt viele Gründe, warum Senioren lieber in ihrem alten Zuhause leben möchten. Die Probleme sind leicht erklärt, aber nur schwer zu lösen. Traditionell leben ältere Menschen eben lieber bei ihren Kindern, selbst wenn diese schon eine eigene Familie gegründet haben. Viele fühlen sich „abgeschoben“, wenn sie ins Altenheim umziehen sollen. Es wird in gewisser Weise auch als Gesichtsverlust gegenüber dem Umfeld empfunden. Zu Hause hat man außerdem Kontakt zu alten Freunden und Nachbarn, kann sich treffen und unterhalten. Oder manchmal spielt auch die Gewohnheit mit hinein - man möchte seinen Lebensmittelpunkt dort behalten, wo man viele Jahre seines Lebens verbracht hat. 

  

„Meine Hüfte hat mir schon immer Probleme gemacht. Langes Laufen bereitet mir Schmerzen. Die Treppe hinauf und hinunter zu gehen, ist jedes Mal eine Tortur - egal ob für Einkäufe, den Gang zum Arzt oder um Medikamente zu besorgen“, erzählt uns Rentnerin Frau Liu, eine Leserin aus Beijing. „Mein Sohn hat mir deshalb vor einiger Zeit einen Platz in der Pflegestation unseres Wohnviertels organisiert. Die Mitarbeiter helfen mir jetzt dabei, jede Woche meine Medikamente beim Arzt abzuholen. Außerdem bekomme ich medizinische Massagen zu Hause. Das hilft mir sehr“, sagt die Seniorin. 

  

Der Beijinger Stadtbezirk Haidian hat im Juni 2020 mit der Umsetzung seiner Familienpflegebettenpolitik begonnen. Die Pflegestation im Wohnviertel Tiancun gehören zu den ersten Pflegeeinrichtungen, in denen pflegebedürftige ältere Menschen einen Pflegeplatz direkt in ihrer eigenen Wohnung beantragen können. Die Einrichtung erstellt angemessene Pflegepläne und unterzeichnet Dienstleistungsvereinbarungen für ältere Menschen auf Grundlage von Hausbesuchen. Dabei beurteilen die Mitarbeiter die Fähigkeit der Senioren, den Alltag eigenständig zu bestreiten, und bewerten das Lebensumfeld. Wo nötig, initiieren sie altersgerechte Veränderungen in den Wohnungen. Auch bieten die Stationen Altenpflegeleistungen für den Alltag an. 

  

Lange Zeit gab es große regionale Unterschiede, was die wohnungsnahen Altendienstleistungen in den Wohnvierteln betraf. In den im November 2021 veröffentlichten „Stellungnahmen des Zentralkomitees der KP Chinas und des Staatsrats zur Stärkung der Seniorenarbet in der neuen Ära“ wurde eindeutig die Notwendigkeit betont, die Pflegekapazitäten der Wohnviertel zu verbessern und diversifizierte Altenpflege zu Hause - organisiert durch die Wohnviertel - zu entwickeln. Viele Orte haben ihre Modelle der häuslichen Altenpflege in den Wohnvierteln daraufhin reformiert. Die Schaffung professioneller Pflegeeinrichtungen wurde erforscht und gefördert, um das Angebot an maßgeschneiderten Dienstleistungen zu erweitern. 

  

Yu Hua, Leiter der Abteilung für Altendienste des Büros für zivile Angelegenheiten von Jingdezhen, Provinz Jiangxi, sagt: „In den letzten Jahren haben wir bei uns in den Wohnvierteln sogenannte eingebettete Altenpflegeleistungen gefördert. Das heißt, wir unterstützen jedes Wohnviertel bei der Einrichtung eines eigenen Pflegeheims und mehrerer Servicezentren. Wir haben eine Reihe von Marken eingeführt und eine Liste mit Basisdienstleistungen erstellt, um den vielfältigen Bedürfnissen älterer Menschen angemessen gerecht zu werden.“ Was den Wohnungsbau anbelange, habe man unter anderem die Modelle der kommunalen Zuweisung, der Renovierung leerstehender Wohnungen und der Integration aller Ressourcen übernommen. Er sagt: „Es wurde eindeutig festgelegt, dass nach der Verlagerung städtischer Verwaltungsorgane frei gewordene Räumlichkeiten für den Bau von Servicezentren für Senioren und Kinder genutzt werden sollen“, so Yu. 

  

In den besagten Stellungnahmen der Regierung wird vorgeschlagen, ein koordiniertes Altersversorgungssystem für die Wohnviertelaltenpflege und die Altersversogung zu Hause aufzubauen. Li Banghua, Leiter der Abteilung für Altenpflegedienstleistungen des Ministeriums für zivile Angelegenheiten, erklärt hierzu, sein Ministerium konzentriere sich in der Zeit der Umsetzung des 14. Fünfjahresplans auf Wohnviertel-Altersdienstleistungen. „Unser Fokus liegt darauf, Dienste direkt vor der Haustür zu bieten.“ Bis 2025 soll landesweit die Zahl der Pflegebetten 55 Prozent in Senioreneinrichtungen ausmachen und die Integration von drei Typen von Altenpflegeleistungen erreicht werden, nämlich Altenpflege zuhause, im Wohnviertel und in speziellen Pflegeeinrichtungen. 

  

Nahrung für Leib und Seele 

  

„Verglichen mit der Altenpflege zuhause haben Pflegeeinrichtungen einige Vorzüge: ein hohes Maß an Sicherheit, engagierte Pflegekräfte, ein Angebot an verschiedenen Pflegediensten und sogar persönliche Pflegedienste für ältere Menschen mit besonderen Bedürfnissen“, sagt Wang Jianqiang, stellvertretender Vorsitzender der Behindertenvereinigung des Büros für soziale Angelegenheiten von Nanxun. Der Ort gehört verwaltungsmäßig zur Stadt Huzhou in der Provinz Zhejiang. 

  

Bisher ist der Umfang der öffentlichen Pflegeeinrichtungen für Senioren jedoch begrenzt und private Einrichtungen für Seniorenpflege unterscheiden sich stark in der Qualität ihrer Serviceangebote. Außerdem mangelt es noch immer an effektiver Aufsicht. Wang Xuehui, Dozent an der School of Social Development and Public Policy der Fudan-Universität, plädiert dafür, ein öffentlich-privates Betriebsmodell für Seniorenpflegeeinrichtungen zu prüfen. „Öffentlich errichtete, aber privat betriebene Altenpflegeeinrichtungen sind sowohl gemeinnützig als auch kommerziell, und durch eine stärkere politische Ausrichtung können sie ihre Wirtschaftskraft und ihre Dienstleistungskapazität kontinuierlich verbessern, um den Bedarf an Altenpflegeleistungen für mehr ältere Menschen zu decken.“ 

  

Zhang Shengjun, Professor an der School of Government Management der Beijing Normal University, sagt: „Wir sollten auch die wichtige Rolle der Kinder nicht ignorieren. Der Nachwuchs sollte sich trotz der Solidität des Rentensystems nicht völlig seiner Verantwortung entziehen.“ Er gibt zu bedenken: „Kinder sollten mit ihren Eltern zusammenarbeiten, um einen personalisierten Plan zu entwickeln und ihren Eltern genügend Fürsorge und Zuneigung zu geben.“ 

  

Wang Yutian, eine Leserin aus Datong in der Provinz Shanxi, schlägt derweil vor: „Die Pflege durch den Lebenspartner und die eigenen Kinder ist ein zentraler Faktor für die seelische Gesundheit älterer Menschen. Kinder sollten ihre Eltern ermutigen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, um eine Verschlechterung der geistigen Leistungsfähigkeit zu verhindern und psychische Leiden zu vermeiden. Wer sich seine Lebensfreude bewahrt, wird auch im Alter ein aktives und erfülltes Leben führen.“ 

  

*Shi Yiqi ist Reporter der Renmin Ribao (People’s Daily). 

 

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