Derzeit vollziehen sich sowohl in der deutschen als auch der US-amerikanischen Politik wichtige Veränderungen, die substanzielle Auswirkungen auf die chinesisch-deutschen Beziehungen haben. Angesichts zunehmender Unsicherheiten in den deutsch-amerikanischen Beziehungen unter Trump 2.0 muss Deutschland als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und Nutznießer des Freihandels überdenken, ob es weiterhin an seinem „Dreiklang“ von China als Partner, Wettbewerber und systemischen Rivalen und seiner De-Risking-Strategie festhalten will.
7. Internationale Importmesse in Shanghai: Unter dem Motto „Technologie zur Veränderung des Alltags“ punktete Siemens bei der CIIE 2024 bei Themen wie Digitalisierung, kohlenstoffarme Technologien und Ökologie. Auf dem Messegelände konnten die Besucherinnen und Besucher unter anderem neueste smarte Technologien und Produkte aus den Feldern Fertigung, Infrastruktur und Verkehr bestaunen. (Foto: Wei Hongchen)
Auswirkungen von Trumps Rückkehr auf Deutschland
Im Vergleich zu traditionellen Politikern des Establishments gilt der Regierungsstil von Donald Trump als eigenwillig. Was seine Politik auszeichnet: Erstens das Credo „America First“, das eine Rückkehr zum Protektionismus und Ethnozentrismus vorsieht, um die amerikanische Produktion und Wirtschaftskraft zu schützen. Zweitens der „politische Quereinstieg“, wobei politische Seiteneinsteiger auf zentrale Posten der Administration berufen werden, was subversivem Populismus in den westlichen Demokratien die Tür öffnet. Und drittens ein transaktionaler Führungsstil, der primär der Erreichung von Zielen und Ergebnissen dient.
Zu Trumps politischen Instrumenten gehören vor allem: eine „Overmatch-Strategie“, die dem Gesetz des Dschungels und der Logik des Stärkeren folgt und Gegner durch absolut umfassende Stärke überwältigt; extreme Druckausübung durch Strafzölle, Sanktionen und andere harte Taktiken, um Gegner zum Einlenken zu zwingen und kurzfristige Vorteile zu erlangen; das Prinzip „divide et impera“, was dazu dient, loyale Gefolgsleute um sich zu scharen und Andersdenkende und Gegner zu unterdrücken.
Wenn Trump im Januar wieder an die Macht kommt, werden sich die USA zwar wohl nicht aus dem transatlantischen Bündnis zurückziehen, aber ihre Wahrnehmung Europas dürfte sich in gewissem Maße ändern. Die USA werden Europa wohl nicht mehr vorrangig als politischen und militärischen Verbündeten sehen, sondern eher als Konkurrenten im Wirtschafts- und Handelsbereich. Dabei wird Deutschland die Hauptlast tragen: Trumps Feindseligkeit und Unzufriedenheit mit Germany haben sich bereits in seiner ersten Amtszeit deutlich gezeigt. Er ist der Ansicht, dass die Bundesrepublik die Vereinigten Staaten im Sicherheitsbereich lange Zeit als Trittbrettfahrer ausgenutzt habe, während man im Bereich des Handels ein unfaires Defizit gegenüber Deutschland hinnehmen musste.
Trumps Vorwürfe gegen Deutschland in Handelsfragen basieren auf seiner Nullsummenspiel-Mentalität. Die USA haben 2023 mit rund 1,15 Billionen US-Dollar das höchste Handelsbilanzdefizit weltweit erzielt. Deutschland hingegen verbuchte im selben Jahr nach China den weltweit zweitgrößten Handelsbilanzüberschuss sowie den drittgrößten gegenüber den USA. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts erzielte Deutschland 2023 mit einem Rekordwert von 63,3 Milliarden Euro den höchsten Handelsbilanzüberschuss gegenüber den USA, ein weiterer Anstieg gegenüber den 49,9 Milliarden Euro zu Beginn der ersten Amtszeit Donald Trumps 2017. Vor diesem Hintergrund könnte der Abbau des deutsch-amerikanischen Handelsdefizits zur wichtigsten Forderung der USA an die Bundesrepublik werden.
Im Wirtschafts- und Handelsbereich könnte Trump nach seiner Rückkehr daher deutsche Unternehmen auffordern, ihre Direktinvestitionen in die USA zu erhöhen und vor Ort Wachstums- und Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen, um die durch seine Steuersenkungen für Unternehmen in den USA entstandene Haushaltslücke auszugleichen. Denkbar wäre auch, dass Trump seine Taktik aus der ersten Amtszeit beibehält, nämlich deutsche Autos als Risiko für die nationale Sicherheit der USA einzustufen und hohe Zölle auf deutsche Importe zu erheben. Sollten Deutschland und Europa Gegenmaßnahmen ergreifen, etwa durch die Verhängung von Importzöllen auf US-Güter und die Einführung einer EU-weiten Digitalsteuer auf US-Digitalunternehmen, würde dies den Handelskonflikt nur noch weiter zuspitzen, was den gegenseitigen Handel, einschließlich der deutschen Exporte in die USA, stark beeinträchtigen dürfte.
Im politischen Bereich wird sich Deutschland weiterhin um die Aufrechterhaltung des transatlantischen Bündnisses bemühen, da dieses auf gemeinsamen Werten beruht. Experten gehen davon aus, dass die Bundesrepublik in den ersten Tagen von Trumps Präsidentschaft weiterhin versuchen wird, die USA zu besänftigen, ihnen entgegenzukommen und ihren Forderungen nachzukommen, während die USA Deutschland und Europa weiterhin unter Druck setzen dürften, härtere Maßnahmen zur Einschränkung der Zusammenarbeit mit China zu ergreifen.
Im Bereich der Sicherheit könnte Trump die Rolle der NATO schwächen, die militärische und wirtschaftliche Hilfe für die Ukraine drastisch reduzieren und Europa unter Druck setzen, einen möglichen Deal zwischen den USA und Russland zur schnellstmöglichen Beendigung der Ukraine-Krise zu akzeptieren. Auch könnte er Staaten wie die baltischen Länder für sich gewinnen, die das Zwei-Prozent-Ziel der NATO bei den Verteidigungsausgaben erreichen und den USA gegenüber loyal sind und so große europäische Länder wie Frankreich und Deutschland zusätzlich unter Druck setzen.
Im Bereich der Global Governance könnte Trump seine Praxis aus der ersten Amtszeit weiterentwickeln, sich aus internationalen oder multilateralen Abkommen, Verträgen und Organisationen zurückzuziehen, indem er beispielsweise an seiner konsequenten Skepsis im Bereich des Klimaschutzes festhält, die Ziele für die grüne Transformation aufweicht und erneut aus dem Pariser Abkommen austritt, was ebenfalls ein herber Rückschlag für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit wäre.
Der Ton deutscher China-Politik in der Zeitenwende
Die Ukraine-Krise hat die Geopolitik, den systemischen Wettbewerb und das Bewusstsein für die nationale Sicherheit in Europa verschärft, was auch an den chinesisch-deutschen Beziehungen nicht spurlos vorübergegangen ist. Das Vertrauensdefizit zwischen beiden Ländern hat sich merklich vergrößert.
Die Bundesregierung hat ihren De-Risking-Ansatz gegenüber China in ihrer ersten China-Strategie fortgesetzt, die sie 2023 auf den Weg brachte, und deutsche Unternehmen dazu aufgerufen, einseitige Abhängigkeiten von China zu verringern und die Diversifizierung voranzutreiben. Auch die USA haben Deutschland weiterhin unter Druck gesetzt, die Zusammenarbeit mit China einzuschränken. Allerdings hat sich Deutschland bei seiner China-Politik während der Zeitenwende insgesamt einen stabilen Tenor bewahrt sowie auch ein gewisses Maß an Unabhängigkeit.
Einerseits halten deutsche Unternehmen am Standort China fest. Von 2016 bis 2023 hat China acht Jahre in Folge seinen Status als Deutschlands größter Handelspartner behauptet. Die Direktinvestitionen deutscher Firmen in der Volksrepublik sind in den letzten Jahren gegen den Trend deutlich gestiegen und erreichten im ersten Halbjahr 2024 7,3 Milliarden Euro. Laut der Geschäftsklimaumfrage 2023/2024 der Deutschen Handelskammer in China hoffen mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen sogar auf eine weitere Steigerung der lokalen Investitionen, um in China wettbewerbsfähig zu bleiben. Branchenverbände wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) lehnen die Antisubventionsuntersuchung und die Zollerhöhung der EU für chinesische Elektrofahrzeuge eindeutig ab und sind der Ansicht, dass dieser Schritt Europas grünem Transformationsplan schadet, die Kosten für europäische Verbraucher in die Höhe treibt und zu einer Entkopplung der europäischen und chinesischen Innovationsmärkte führen könnte.
Andererseits ist die Position der Bundesregierung gegenüber China im Allgemeinen ausgewogen. Seit dem Ausbruch der Ukraine-Krise hat Deutschland geopolitische Faktoren in den Vordergrund gestellt und eine De-Risking-Strategie gegenüber China umgesetzt. Dennoch will die Bundesregierung eine „Seitenwahl“ vermeiden und vertritt eine insgesamt ausgewogene Haltung. Bundeskanzler Olaf Scholz besuchte China im April 2024, mehrere Bundesminister taten es ihm gleich, wobei in unterschiedlichem Maße eine vergleichsweise ausgewogene Haltung gegenüber China zum Ausdruck kam. Deutschland hatte Anfang Oktober in einer Abstimmung gegen die EU-Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge gestimmt. Mit dem erneuten Amtsantritt von Donald Trump, der die Unsicherheit in den deutsch-amerikanischen Beziehungen erhöht, ist zu erwarten, dass Deutschland mehr Wert auf eine unabhängige Haltung gegenüber China und den USA legt.
Ausblick auf die chinesisch-deutschen Beziehungen nach Trumps erneutem Amtsantritt
Als drittgrößte Volkswirtschaft weltweit und Profiteur des Freihandels stellt sich für Deutschland nun die Frage, ob man weiterhin am „Dreiklang“ von China als Partner, Wettbewerber und systemischem Rivalen und der De-Risking-Mentalität festhält, was in der Ära Trump 2.0 zu gleichzeitigen Handelskonflikten mit den beiden größten Volkswirtschaften der Welt führen könnte. In den aktuellen Zeiten des Wandels stellen Trends wie die Antiglobalisierung, die Ukraine-Krise und der amerikanische Isolationismus Deutschland vor vielfältige Herausforderungen. Die deutsche Wirtschaft steckt weiter in der Rezession, die Haushaltslage ist angespannt, traditionelle Industriepfeiler wie die Automobil- und Stahlindustrie straucheln und dürften in Zukunft durch die America-first-Handelspolitik unter Trump weiter in Bedrängnis geraten, was Deutschlands Fertigungsindustrie erneut hart treffen könnte.
Vor diesem Hintergrund muss Deutschland dringend seine Wirtschaft und Beschäftigung ankurbeln und die Wettbewerbsfähigkeit seiner Binnenwirtschaft stärken, was neue Räume für die Wirtschafts- und Handelskooperation zwischen China und Deutschland schafft. Durch bilaterale Verhandlungen sollten China, Deutschland und die EU bilaterale Handelshemmnisse und Exportbeschränkungen in unkritischen Bereichen abbauen, den Umfang des bilateralen Handels ausweiten und gemeinsam den Auswirkungen einer isolationistischen Wirtschafts- und Handelspolitik entgegenwirken.
Gegenwärtig weitet China seine institutionelle Öffnung stetig aus, passt sich proaktiv den internationalen Wirtschafts- und Handelsregeln auf hohem Niveau an, versucht ein marktorientiertes, rechtstaatliches und international kompatibles Geschäftsumfeld zu schaffen und gewährt ausländischen Investoren schrittweise Inländerbehandlung etwa in Bezug auf Steuervergünstigungen, Subventionen, Landnutzung und die Anziehung von Talenten. Auch ist das Land dabei, die autonome Öffnung der Märkte für Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräfte in geordneter Weise auszuweiten.
Der Welthandel ist kein Nullsummenspiel. Handelsprotektionismus und Zölle gefährden das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung in den meisten Ländern und schaden den Interessen der Verbraucher weltweit. In dieser Hinsicht sind China und Deutschland als Nutznießer der Globalisierung gut beraten, zusammenzuarbeiten, um Freihandel und Multilateralismus in einer Zeit komplexer und turbulenter internationaler politischer und wirtschaftlicher Landschaften zu praktizieren und so die wirtschaftlichen Beziehungen zu stärken. Gemeinsam sollten beide Länder eine Fragmentierung des Handels, eine technologische Entkopplung und den Trend zur Regionalisierung und Fragmentierung der globalen industriellen Lieferketten vermeiden.
*Wu Huiping ist Professorin der Tongji-Universität und stellvertretende Direktorin des Deutschlandforschungszentrums der Tongji-Universität.
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