Auf der Erfolgswelle reiten: Touristen beim Surfen am 14. Januar in Wanning in der Inselprovinz Hainan. (Foto: Xinhua)
„Ich wurde in eine Zhejianger Kaufmannsfamilie geboren. Meine Eltern haben sich nach der Einführung der Reform und Öffnung 1978 selbstständig gemacht, wurden zu Unternehmern der ersten Generation. Ich bin nun Teil der zweiten Unternehmergeneration.” Das erzählt uns Wu Jinhua, Präsident der Firma Zhejiang Wanfeng Technology Development, am 11. Januar am Rande der Jahrestagung des Zhejianger Provinzkomitees der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes (PKKCV) vom 11. bis zum 15. Januar. Wus Unternehmen stellt intelligente Hightech-Ausrüstung her. „Der Fleiß und die Initiative der älteren Generation haben mich immer sehr inspiriert. Ihr Unternehmertum und Patriotismus sind mir in Fleisch und Blut übergegangen, sind gewissermaßen ein Teil meiner DNA.”
Wu ist Mitglied der PKKCV der Provinz Zhejiang. Delegierte wie er, die durch Konsultationen und Empfehlungen ausgewählt werden, repräsentieren alle Ebenen der chinesischen Gesellschaft. Sie unterbreiten den Regierungsgremien Vorschläge zu politischen und sozialen Fragen. Wu, der in den 1990er Jahren aufgewachsen ist, vertritt den Wirtschaftssektor. Und in diesem Jahr hat er alle Hände voll zu tun.
Etwa zur gleichen Zeit tagte auch der Volkskongress der Provinz, nämlich vom 12. bis zum 16. Januar. Bei den beiden Sitzungen auf Provinzebene handelt es sich um jährliche Versammlungen der lokalen Volkskongresse und PKKCV-Komitees, die in der Regel im Januar oder Februar stattfinden. Dabei erörtern die Teilnehmer regionale wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen des vergangenen Jahres und entwerfen die Pläne für die kommenden zwölf Monate. Im März kommen dann in Beijing die Abgeordneten des Nationalen Volkskongresses (NVK) - Chinas oberstes Gesetzgebungsorgan - und die Mitglieder des PKKCV-Landeskomitees - das oberste politische Beratungsgremium im Land - zu den zwei Tagungen auf höchster Ebene zusammen. Auf Chinesisch heißt dieses politische Großevent “Lianghui”.
Wirtschaftliche Fahrpläne für 2023 stehen
„Das laufende Jahr ist für die lokalen Regierungen von großer Bedeutung dafür, die Beschlüsse und Pläne des XX. Parteitags der KP Chinas aus dem Oktober vergangenen Jahres in die Tat umzusetzen“, analysiert Song Xiangqing, Vizedekan der Fakultät für Regierungsführung der Beijing Normal University, gegenüber der Beijing Review.
Nachdem China Ende 2022 seine Coronapolitik angepasst und die meisten Beschränkungen für Wirtschaft und Gesellschaft aufgehoben hatte, kündigte die oberste Führung auf der zentralen Wirtschaftskonferenz im Dezember an, das Land werde der allgemeinen wirtschaftlichen Erholung und dem Aufschwung 2023 besondere Priorität einräumen.
„China ist im Kampf gegen Corona in eine neue Phase eingetreten. Deshalb haben die meisten Lokalregierungen den wirtschaftlichen Bereich in ihren aktuellen Arbeitsberichten in den Fokus gerückt“, so Songs Fazit. „Viele Regionen haben im vergangenen Jahr ein relativ niedriges Wachstum verzeichnet. 2023 ist es deshalb nun umso wichtiger, dass sie alle Chancen nutzen, um ihr Potential voll auszuschöpfen, rasch zu wachsen und die Qualität der Entwicklung zu heben.“
Im ganzen Land wurden folglich lokale Wirtschaftspläne auf den Weg gebracht. Die Provinzregierungen haben diese Pläne nun während der lokalen “Lianghui”-Saison der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie fußen auf den jeweiligen lokalen Gegebenheiten und regionalen Stärken. Bevor diese Pläne jedoch in Kraft treten konnten, mussten sie von den Abgeordneten der örtlichen Volkskongresse offiziell verabschiedet werden.
Während die meisten Lokalregierungen für 2023 ein BIP-Wachstum zwischen 4,5 und 6,5 Prozent erwarten, will die südliche Inselprovinz Hainan deutlich höher hinaus. Sie hat sich ein Wachstumsziel von 9,5 Prozent gesetzt. Das Autonome Gebiet Tibet belegt derweil den zweiten Platz mit einem Ziel von 8 Prozent.
Als Chinas größte Sonderwirtschaftszone und größte Freihandels-Pilotzone plant der einzige Freihandelshafen des Landes Hainan seine Zollpolitik 2023 noch weiter zu optimieren, neue Investitionen anzulocken und gezielt den Konsum anzukurbeln. Ziel ist es, die Zahl der Touristen und die touristischen Einnahmen jeweils um 20 bzw. 25 Prozent zu steigern. So zumindest sieht es der jüngste Tätigkeitsbericht der Hainaner Regierung vor.
Das nordöstliche Heilongjiang glänzt derweil durch ihre Agrarwirtschaft. In Sachen Gesamtgetreideproduktion ist die Provinz seit 13 Jahren in Folge landesweite Spitze. Neben der Landwirtschaft wird Heilongjiang in diesem Jahr seinen Schwerpunkt auf die Entwicklung neuer Wachstumsfaktoren, die Optimierung des Geschäftsumfeldes und die Schaffung einer dynamischen Beziehung zwischen Regierung und Wirtschaft legen.
In Sachen BIP ist Guangdong seit 34 Jahren unangefochtener Spitzenreiter. 2022 belief sich die Wirtschaftsleistung der südlichen Provinz auf 12,8 Billionen Yuan, umgerechnet also 1,7 Billionen Euro. Auch 2023 will Guangdong seinen Fokus auf Innovationen in den Bereichen Hochtechnologie und Fertigung legen. Darüber hinaus sollen weitere Industriecluster mit einer Jahresproduktion von jeweils mehr als einer Billion Yuan (137,5 Milliarden Euro) geschaffen werden, indem die Bereiche Biomedizin, Gesundheit und ultrahochauflösende Bildschirme ausgebaut werden. Nach Angaben der Provinzregierung hat Guangdong bis 2022 bereits acht solcher Industriecluster mit einer Jahresproduktion von einer Billion Yuan geschaffen.
Das Autonome Gebiet Guangxi der Zhuang-Nationalität, das direkt an Guangdong angrenzt, hat unterdessen angekündigt, seine Leicht- und Spezialindustrie schwerpunktmäßig auszubauen. Dazu gehören beispielsweise intelligente Haushaltsgeräte und die berühmten “Luosifen”, ein lokales Gericht aus gekochten Reisnudeln in würziger Brühe, das in den letzten Jahren einen Exportboom in andere Teile des Landes erlebt hat.
2022 nahm das autonome Gebiet Innere Mongolei im Norden bei der Produktion von Milch, Hammel- und Rindfleisch, Kaschmir und Futterpflanzen den ersten Platz im Land ein. Die Anlageinvestitionen in der Region legten um mehr als 15 Prozent zu und kletterten damit landesweit auf den Spitzenplatz. Das Gebiet hat sich auch zur größten Quelle für die provinzweite Kohle- und Stromversorgung gemausert. 2023 wird es neue Projekte in den Bereichen moderne Energiewirtschaft, moderne Landwirtschaft sowie Viehzucht und Infrastrukturbau in Angriff nehmen.
Die ostchinesische Provinz Zhejiang plant unterdessen, sich im kommenden Jahr auf die Realwirtschaft zu konzentrieren. Man wolle eine hochwertige, intelligente und grüne Entwicklung des verarbeitenden Gewerbes fördern und die Digitalwirtschaft als Entwicklungsprojekt Nr. 1 angehen.
Produktionsmitarbeiter verpacken am 5. Januar in einer Werkstatt in Liuzhou im Autonomen Gebiet Guangxi der Zhuang-Nationalität die berühmten “Luosifen”-Reisnudeln. Die lokale Spezialität ist mittlerweile ein landesweiter Verkaufsschlager. (Foto: Xinhua)
Vertrauen ist entscheidend
Erwähnenswert ist, dass der Arbeitsbericht der Regierung von Zhejiang die Förderung einer qualitativ hochwertigen Entwicklung der Privatwirtschaft und des Unternehmergeistes in der Provinz als neue Aufgaben nennt und damit Wus Vorschlag aufgreift, das Vertrauen der Privatunternehmen in Zhejiang zu stärken.
Vor seiner Teilnahme an der PKKCV-Sitzung war Wu Jinhua in neun Städte in Übersee gereist, um Kunden zu besuchen und Feldforschung zu betreiben. So entdeckte er den „blauen Ozean“ oder “blue ocean”. Dieser 2005 geschaffene Begriff aus dem Unternehmertum bezieht sich auf den riesigen „leeren Ozean“ von Marktoptionen und -chancen, die entstehen, wenn eine neue oder unbekannte Branche oder Innovation auftaucht.
„Elektrofahrzeuge machen 30 Prozent des chinesischen Automobilmarktes aus, während sie in Nordamerika nur einen Marktanteil von fünf Prozent haben. Es wird erwartet, dass der Anteil in Nordamerika bis 2030 auf 50 Prozent steigen wird, was bedeutet, dass Millionen von Benzinern durch E-Fahrzeuge ersetzt werden“, sagt Wu. Für Wu und sein Unternehmen ist das wahrlich eine gute Nachricht - denn seine Firma stellt unter anderem Teile und Komponenten für E-Fahrzeuge her.
Angesichts derartiger Marktchancen und politischer Möglichkeiten bestätigt der Planungsentwurf Zhejiangs für das Jahr 2023 die positiven Aussichten lokaler Geschäftsleute, auch die von Unternehmer Wu. Er sei “sehr optimistisch”, was die Aussichten der Provinz für das laufende Jahr angehe, so der Geschäftsmann. Als Unternehmer wisse er: „Vertrauen ist wertvoller als Gold“.