Wer sich mit den neuesten Trends der Automobilindustrie vertraut machen möchte, für den ist die 7. Internationale Importmesse in Shanghai die richtige Adresse. Das Großevent läuft momentan auf Hochtouren. Und unter den sechs Messearealen erfreut sich allen voran der Ausstellungsbereich für Automobile großen Zulaufs. Hier werden neueste Spitzentechnologien und Modelle präsentiert. Im Fokus: die E-Mobilität. Deutsche Autobauer wie BMW, VW und Mercedes Benz buhlen mittlerweile mit eigens für den chinesischen Markt entwickelten Modellen um das Interesse der Verbraucher. Hightech und Effizienz lauten die Schlagwörter.
Nicht nur unter Autoherstellern, auch bei der Politik ist die E-Mobilität ein Thema, das in der letzten Zeit für wirtschaftlichen Zündstoff zwischen China und Europa gesorgt hat. „China Heute“ hat mit dem bekannten deutschen Autoexperten Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer gesprochen. Er war lange Direktor bei CAR-Center Automotive Research in Duisburg und gründete dann eine neue Gesellschaft, die Ferdi Research GmbH, mit Sitz in Bochum. Der Experte sagt, dass chinesische Autobauer ihren deutschen Konkurrenten in vielen Bereichen bereits voraus seien. Von den neuen Zöllen der EU-Kommission auf chinesische E-Autos hält er nichts. Diese schadeten Europa nur. Warum, erläutert er im Interview.
Neuer Hingucker eines „alten Bekannten“ auf der CIIE: Die BMW Group stellt ihr neues Modell BMW M5 mit Hochleistungs-Hybridsystem auf der Messe vor. (Foto: Wei Hongchen)
Herr Dudenhöffer, wie gestaltet sich Chinas Marktanteil bei E-Autos weltweit?
Ferdinand Dudenhöffer: China hat über mehrere Jahrzehnte sehr systematisch Knowhow bei den Lithium-Ionen-Batterien aufgebaut. CATL ist heute der größte Batteriehersteller weltweit. Damit hat China die besten Kostenpositionen bei der Batterie. Die Scales liegen also bei den chinesischen Unternehmen. Da die Batterie bis zu 40 Prozent der Kosten eines Elektroautos ausmacht, haben chinesische Fabrikate also einen klaren Kosten- und Preisvorteil. Europa hat diese Entwicklung verpasst, weil wir sehr aktionsbezogen agieren. Dagegen hat sich China über Jahrzehnte einen natürlichen Wettbewerbsvorteil aufgebaut. Früher lag das Herz der Batterieindustrie noch in Korea, jetzt ist es nach China gewandert.
Der Wettbewerb für deutsche Unternehmen hat sich also verschärft?
Das ist richtig. Die deutschen Autobauer können aber durchaus auch von Chinas natürlichen Wettbewerbsvorteilen profitieren, wenn sie mit chinesischen Unternehmen, etwa bei den Batterien, zusammenarbeiten. Der Weltautomarkt ist groß und bietet Platz für deutsche und chinesische Hersteller. Aber dazu brauchen wir die Chinesen und kein Decoupling, was scheinbar die EU-Kommission im Blick hat.
Worin liegen denn Ihrer Meinung nach aktuell die größten Unterschiede zwischen chinesischen und deutschen Autoherstellern?
Ferdinand Dudenhöffer: Es gibt Kundenumfragen aus China, die zu einem wirklich interessanten Ergebnis kommen. In Kürze zusammengefasst: Junge chinesische Verbraucher kaufen lieber heimische Fabrikate. Für sie sind Porsche, BMW, Mercedes und Audi die Autos der Elterngeneration. Chinas Jugend will moderne E-Autos mit Smart-Cockpit und autonomen Fahrfunktionen. Und die werden in China entwickelt – von Xiaomi, Nio, XPeng, Chery und anderen.
Und das stellt deutsche Autobauer vor Herausforderungen?
Ferdinand Dudenhöffer: Genau. Während Tesla und chinesische Hersteller wie BYD, Chery, Geely, Li-Auto, Nio, Xiaomi oder XPeng sich mit neuen Technologien immer stärker etablieren, brechen die Absätze der deutschen Autobauer in Rekordgeschwindigkeit ein. Der Wert der fast schon wie heilig gefeierten Marken der deutschen Autobauer schmilzt in China gerade weg wie Schnee in der Sonne.
Wo hinken denn deutsche Hersteller besonders hinterher?
Produktionsprozesse wie Giga-Casting, die erheblich die Produktionskosten senken, sind nicht auf der Agenda der deutschen Autobauer. Die Chinesen aber sind verrückt danach. Bei „Software Defined Cars“ arbeiten Chinas Tech-Riesen, etwa Huawei, Baidu oder Tencent, eng mit der heimischen Autoindustrie zusammen und heben so das Automobil auf eine neue Stufe. In China gibt es eine hervorragende digitale Infrastruktur für das Auto der Zukunft, während man in Deutschland bemüht ist, Funklöcher zu stopfen. Wir werden immer stärker von den riesigen Kostennachteilen und der Langsamkeit des Standorts Deutschland in die Enge getrieben.
Es heißt also umsteuern für die deutschen Autobauer?
Richtig, und das schnell. Die kommenden Quartale werden sich kaum von den jetzigen schlechten Ergebnissen unterscheiden. Eine Neuausrichtung hat auch viel damit zu tun, von Tesla und China zu lernen. Das kann man nicht in Deutschland. Dazu muss man in der Fahrzeugentwicklung nach China gehen.
Ende Oktober hat die Europäische Kommission fünfjährige Antisubventionszölle auf chinesische Elektrofahrzeuge beschlossen. Was halten Sie davon?
Ferdinand Dudenhöffer: Wie viele aus der Autoindustrie sage auch ich: die Zölle sind eine Katastrophe! Die EU-Kommission schadet damit Deutschland, der deutschen Autoindustrie und unserer guten Zusammenarbeit mit chinesischen Unternehmen. Die Zölle selbst erscheinen kaum faktengesteuert. Sie wirken in hohem Maße willkürlich, eher als eine politische Aktion, hinter der Frankreich zu stehen scheint. Jetzt, da Donald Trump die Präsidentschaftswahl in den USA gewonnen hat, braucht Deutschland eine gute Verbindung zu China. Denn Trump wird Deutschland und die deutsche Autoindustrie „quälen“. Die EU-Kommission agiert mit Ihren Zöllen also gegen Deutschland. Wenn Sie mich fragen: Es ist eine Schande. Die Kommission schadet mit ihrem Vorgehen der eigenen Industrie – unvorstellbar.
Und wie wird sich diese Entscheidung auf die Hersteller und Kunden auswirken? Welche Folgen haben die Zusatzzölle auf Chinas E-Autos?
Ferdinand Dudenhöffer: Die Preise für Stromer aus China werden so künstlich erhöht. Damit kaufen weniger Menschen Elektroautos und der Klimawandel wird nicht gebremst. Gleichzeitig werden Chancen zur Entwicklung der Batterieproduktion in Europa zerstört, da der Markt für E-Autos an Fahrt verliert. Wenn keine Stromer verkauft werden, braucht man auch keine Batteriefabriken, die mit Milliardengeldern aus Brüssel und Steuern der Bürger subventioniert werden. Hinzu kommt dann auch noch, dass sich unsere Autobauer derzeit schwertun, in China ihre E-Modelle abzusetzen. Wir hätten durchaus eine Chance, wenn wir auch im Heimatmarkt Deutschland mehr Elektroautos verkaufen würden. Dann würde die Nachfrage nach Stromern aus Deutschland deutlich anziehen. Kurzum: Unsere Autoindustrie kommt nicht in die Skalierungsvorteile, die notwendig wären, um wettbewerbsfähig zu sein, wie etwa in China. Die Zölle haben also nicht nur einen kurzfristigen negativen Effekt, sondern zerstören einen wichtigen Teil der Zukunft der deutschen Autoindustrie. Brüssel schädigt damit die europäische Autoindustrie langfristig.
Herr Dudenhöffer, herzlichen Dank für das Gespräch!