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Tibetische Gemeinde Yaoji: Pandaschutz und Aufschwung gehen Hand in Hand

2023-05-31 17:34:00 Source:german.chinatoday.com.cn Author:Xia Yuanyuan
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Yaoji ist eine tibetische Gemeinde in Ya'an in der südwestchinesischen Provinz Sichuan. Im Tibetischen bedeutet Yaoji „hochgelegener Ort“. Und tatsächlich liegt die Gemeinde in luftiger Höhe, nämlich rund 2500 Meter über dem Meeresspiegel am Fuß des schneebedeckten Jiajin-Gebirges. Yaoji ist durchtränkt von Lokalkolorit. Hier wurden die historischen Traditionen der Jiarong-Tibeter, eines Zweigs der tibetischen Volksgruppe, bestens bewahrt. Zudem liegt die kleine Gemeinde im Herzen des örtlichen Riesenpanda-Nationalparks Ya'an. 

 

Dieser Nationalpark wurde im Oktober 2021 gegründet, drei Monate nachdem die Gefährdungsstufe der Großen Pandas offiziell von „vom Aussterben bedroht“ auf „leicht gefährdet“ herabgesetzt worden war. Mehr als 95 Prozent der Gemeindefläche von Yaoji gehören zum neuen Nationalpark, was den Ort zu einem echten „Panda-Dorf“ macht. 

 

Die wieder zunehmende Population der Riesenpandas hat in Yaoji große Veränderungen mit sich gebracht. Der Umweltschutz ist zu einem untrennbaren Bestandteil des Lebens der Dorfbewohner geworden, beruflich wie privat. Der Panda-Hype, von dem auch die kleine Gemeinde profitiert, hat letztlich auch dazu beigetragen, die traditionelle Kultur der Jiarong-Tibeter besser zu schützen und sie weiterzutragen. Denn durch den Panda-Tourismus werden immer mehr Menschen auf den kleinen Ort und sein besonderes Kulturerbe aufmerksam. 

  

Die Berge schützen 

 

Im Dorf Jiajinshan, das zur Gemeinde Yaoji gehört, steht ein Haus im traditionellen tibetischen Stil, das meist voller Leben ist. Schon von weitem hören wir Stimmen und ausgelassenes Gelächter. Hier betreiben die 38-jährige Nengkaman und ihr Mann Agrartourismus. Sie reiten damit erfolgreich auf der Welle des sogenannten Agritainment-Geschäfts mit, einer neuen Tourismussparte, die sich insbesondere unter jungen Familien aus der Großstadt großer Beliebtheit erfreut. 

 

  


Das von Nengkaman und ihrem Mann betriebene tibetische Gasthaus im Dorf Jiajinshan (Foto: Yu Xiangjun) 

 

„Als wir unser Agritainment-Geschäft eröffneten, waren viele Nachbarn skeptisch. Sie zweifelten an den Erfolgsaussichten. Sie konnten sich kaum vorstellen, dass jemand eigens in unseren abgelegenen Ort kommen würde, um die Natur zu erleben“, erinnert sich Nengkaman an die Anfangszeit zurück. Doch seit der Gründung des Nationalparks kommen immer mehr Menschen in die Gegend, vor allem natürlich, um die örtlichen Pandas zu bestaunen. 

 

Normalerweise kämen die Besucher in den Sommer- und Winterferien mit ihren Kindern, erzählt Nengkaman. Das Ehepaar nimmt sie dann tief in die Berge mit, um ihnen mehr über die Pandabären, aber auch über andere Tiere und Pflanzen zu erzählen. Auch geben die Eheleute Tipps zum Überleben in der Wildnis. Die beiden Einheimischen sind dann Reisebegleiter und Naturerzieher zugleich. 

 

„Wir schlagen uns ins Dickicht und halten Ausschau nach Tatzenabdrücken und Pandakot. Ganz nebenbei lernen unsere Gäste auf diese Weise auch das wunderschöne Gebirge, die hiesige Vegetation und die Flüsse der Gegend kennen“, sagt die junge Tibeterin. „Ich liebe alle Geschöpfe hier und hoffe, dass sich noch mehr Menschen in sie verlieben“, fügt sie hinzu. 

 

Mit Unterstützung der lokalen Regierung steigen mittlerweile immer mehr Einheimische ins Agritainment-Geschäft ein. Laut Wang Dan, dem stellvertretenden Leiter der Gemeindeverwaltung, haben die hervorragenden ökologischen Ressourcen des Dorfes dazu beigetragen, dass sich das Gebiet zu einer besonderen Touristenattraktion mit mehr als 170 tibetischen Gasthäusern im Jiarong-Stil gemausert hat. Vor wenigen Jahren habe es hier allerdings noch ganz anders ausgesehen. Damals verdienten die Dorfbewohner ihren Lebensunterhalt vor allem mit der Viehzucht. 

 

  


Lokale Produkte sind beliebte Mitbringsel: Nengkaman stellt den Gästen eine aus Yakwolle gewebte Tasche mit Panda-Muster vor. (Foto: Yu Xiangjun) 

 

Für die Jiarong-Tibeter, die eine agropastorale Lebensweise führen, ist der Yak ein Symbol des Reichtums. Als agropastoral bezeichnet man traditionelle Wirtschaftsformen, bei denen Feldbau und die Viehhaltung auf Naturweiden miteinander kombiniert werden. Am Fuße des Jiajinshan weideten einst mehr als 30.000 freilaufende Yaks. Mit ansteigender Population der Tiere stießen die Weideflächen jedoch an ihre Grenzen. Den Dorfbewohnern wurde klar, dass es nicht genug Futter für ihr Vieh gab.  

 

„Die Menschen hier erkannten, dass klare Gewässer und grüne Berge ein Geschenk der Natur sind und dass es nicht nachhaltig ist, seinen Lebensunterhalt ausschließlich mit der Aufzucht von Yaks zu verdienen. Nur wenn wir die Berge als unsere Lebensgrundlage hegen und pflegen, können wir einen nachhaltigen Entwicklungsweg einschlagen“, fasst Yang Hao, der Parteisekretär des Gemeindekomitees von Yaoji, zusammen. 

 

Angesichts der Tatsache, dass man immer wieder Pandabären hier antraf, begannen die Dorfbewohner, ihren Entwicklungsansatz zu ändern, indem sie die Anzahl der Yaks begrenzten, um Platz für Pandas zu schaffen. Laut Yang Hao hat Yaoji den Pandaschutz mittlerweile in die Dorfregeln aufgenommen. Die Gesamtzahl der Yaks in der Gemeinde ist um rund 10.000 zurückgegangen. 

 

Um die lokalen ökologischen Ressourcen voll auszuschöpfen, veranlasste die Gemeinderegierung die Dorfbewohner, gezielt touristische Angebote zu entwickeln sowie zur weiteren Einkommenssteigerung die Verarbeitung von Yak-Produkten in Angriff zu nehmen. Tourismus und Viehzucht spielen nun eine ähnlich wichtige Rolle auf dem Weg hin zu Wohlstand durch grüne Entwicklung. 

  

Die traditionellen Künste bewahren 

 

Nachdem das Yakhaar geschoren ist, wird es zu Fäden verarbeitet und dann zu Stoffen verwebt, aus denen wiederum verschiedenste Produkte hergestellt werden. So entstehen aus dem dünnen und weichen Yakhaar zum Beispiel gewebte Taschen mit niedlichen Panda-Motiven. 

 

  


Altes Kunsthandwerk neu gedacht: Nengkaman ist auch eine Erbin einer traditionellen Gürtelwebtechnik. (Foto: Yu Xiangjun) 

 

Nengkaman ist auch eine Erbin einer alten Handwerkskunst, nämlich der Weberei gemusterter Gürtel, ein nationales immaterielles Kulturerbe und Teil der alten Webtechnik, die einzigartig für das Volk der Jiarong ist. Nur noch wenige Menschen beherrschen diese alte Technik, und es würden immer weniger, sagt Nengkaman. Denn die alte Volkskunst wird von Mensch zu Mensch weitergegeben und nicht etwa in der Schule oder in anderen Institutionen gelehrt. Dies und die Auswirkungen der modernen Industrialisierung haben die Technik in Gefahr gebracht. Nengkaman war lange besorgt, die traditionelle Fertigkeit könnte gar ganz aussterben. 

 

2016 gründete sie deshalb eine Webwerkstatt und lud ein Dutzend Frauen aus dem Dorf ein, sich ihr anzuschließen. Gemeinsam erkundeten sie Möglichkeiten, ihre Fähigkeiten in ihrer Freizeit zu verbessern und auch innovative Handwerksprodukte zu kreieren. Sie haben das Panda-Element geschickt in Rucksäcke, Umschlagtücher, Schals, Anhänger und andere gewebte Gegenstände eingearbeitet. Die handgefertigten Produkte sind auf Onlineplattformen heute ein großer Erfolg. 

 

Die Webarbeiten haben das Leben der Frauen im Dorf verändert. „Durch die Einkommenssteigerung haben sie mehr Vertrauen in die traditionelle tibetische Kultur gefasst. Außerdem haben sie gesehen, dass sie in der Lage sind, sich durch eigene Arbeit aus eigener Kraft ein besseres Leben zu erwirtschaften“, sagt Vorreiterin Nengkaman.  

  

Ein Fenster öffnen zur örtlichen Kultur 

 

Leuchtende Blumenmeere im Frühling, üppig grüne Wiesen im Sommer, flammend rote Blätter im Herbst und herrlich schneebedeckte Wiesen im Winter - das sind aus Nengkamans Sicht die Highlights der vier Jahreszeiten im Jiajin-Gebirge. 

 

Nengkaman muss es wissen. Denn 2014 fiel der Startschuss für das Wohltätigkeitsprojekt „From Our Eyes“, eine Initiative der Provinz Yunnan, die Dorfbewohner dazu ermutigen soll, ihre Heimat zu filmen. Frauen aus ländlichen Gebieten hatten im Rahmen der Initiative die Möglichkeit, eine kostenlose Ausbildung in Videografie zu erhalten. Nengkaman, die nur die ersten zwei Jahre der Oberschule besucht hat, wurde als eine der Teilnehmerinnen ausgewählt. Zum ersten Mal in ihrem Leben nahm sie eine Kamera in die Hand und begann, ihre wunderschöne Heimat zu dokumentieren. Sie war die erste Person in der Gegend, die einen Dokumentarfilm drehte. 

 

  


Große Pläne: Um mehr Ausstellungsfläche für ihre Werke zu schaffen, erweitert Nengkaman ihr Gasthaus. (Foto: Yu Xiangjun) 

 

Ihr Werk Sertarmailong, benannt nach einem heiligen Berg der Region, zeigt die herrliche Landschaft der schneebedeckten Hügel und hält das Yak-Scherfest in Yaoji fest. Der Dokumentarfilm lief bereits auf nationalen und internationalen Filmfestivals.  

 

In den letzten zehn Jahren habe sie sieben Festplatten mit vier Terabyte an Filmmaterial gefüllt, erzählt sie uns und lacht. Die junge Tibeterin ist damit Zeugin der harmonischen Koexistenz zwischen Einheimischen und Wildtieren. 

 

Gegenwärtig wird neben Nengkamans Gasthaus ein brandneues Gebäude errichtet. Nach seiner Fertigstellung soll es als Museum für Volkskunde und Dorfvideografie genutzt werden, um die lokale Naturerziehung sowie auch das Studium des traditionellen Handwerks weiter zu fördern. Dort werden auch die zahlreichen Bilder, die Nengkaman von ihrer Heimat gemacht hat, ausgestellt. So sollen noch mehr Menschen die Geschichten hinter dem harmonischen Zusammenleben der tibetischen Gemeinde mit der Natur, insbesondere mit den Pandas kennenlernen. 

 

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