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Anyang - Die älteste kaiserliche Hauptstadt Chinas

26-01-2018

 

Von Jiao Feng

Ganz im nördlichsten Zipfel der heutigen Provinz Henan liegt die Stadt Anyang. Einst war der zentralchinesische Ort glanzvolle Hauptstadt sieben chinesischer Dynastien. Schriftliche Aufzeichnungen belegen gar, dass die Stadt die älteste Hauptstadt Chinas ist. Mit einer Geschichte von mehr als 3000 Jahren ist Anyang eine der Wiegen der chinesischen Zivilisation. Ihre Spuren führen bis in die Shang-Dynastie zurück, die zwischen etwa 1600 und 1100 v. Chr. in China herrschte.

Die erste Dynastie Chinas war die Xia-Dynastie (ca. 2100 – ca. 1600 v. Chr.). Sie gilt noch immer als geheimnisumwobenes Zeitalter, da bisher keine schriftlichen Aufzeichnungen aus dieser Zeit gefunden wurden. Fest steht trotzdem, dass in ihr die Grundlagen für das chinesische Erbsystem gelegt wurden.

Um das Jahr 1600 v. Chr. stürzte der Kriegsherr Tang (ca. 1670 – 1587 v. Chr.) den letzten Herrscher der Xia und begründete damit die Shang-Dynastie (ca. 1600 – ca. 1100 v. Chr.), die zweite Dynastie in der chinesischen Geschichte. Anyang wurde später zur Hauptstadt der Shang-Dynastie auserkoren.

Belegt wurde all dies durch spektakuläre archäologische Funde im frühen 20. Jahrhundert: Damals gruben Wissenschaftler im Dorf Xiaotun des Anyanger Stadtbezirks Yindu Ruinen aus Zeiten der Shang-Dynastie aus und entdeckten dabei insgesamt 150.000 Orakelknochen und Schildkrötenpanzer, die zudem zahlreiche Inschriften trugen, sowie eine große Anzahl von Bronzewaren. Damit wurde die Shang-Dynastie die erste schriftlich belegte Dynastie der chinesischen Geschichte.

Großes Aufsehen in Fachkreisen erregten auch die Bronzefunde der Fundstelle, insbesondere das so genannte Houmuwu Ding (früher Simuwu Ding genannt). Das rechteckige Bronzebehältnis ist die bisher größte erhaltene Bronzeware aus dieser Zeit, die je gefunden wurde. Sie bildet ein eindrucksvolles Zeugnis der Kunst der Bronzeverarbeitung des chinesischen Altertums.

Anyang wurde im Laufe seiner Geschichte über die Jahre zu einem blühenden Zentrum der antiken chinesischen Kultur. Im dritten nachchristlichen Jahrhundert schufen hier Literaten und Dichter viele poetische Meisterwerke, in denen sich auch die großen politischen Ambitionen der antiken kaiserlichen Hauptstadt und ihrer Bewohner spiegelten. Auf diese Zeit gehen auch die Anfänge des so genannten Jian’an-Stils zurück, der in den folgenden Jahrhunderten großen Einfluss auf die chinesische Literatur ausüben sollte.

Auch in der Moderne setzte sich der besondere Geist Anyangs fort. In den 1960er Jahren wurde im damaligen Anyanger Kreis Linxian (heute die Stadt Linzhou) der „Kanal der roten Fahne“ (Hongqiqu) errichtet. Er sollte Wasser aus dem Fluss Zhuozhang in das trockene Gebiet des Kreises Linxian umleiten. Da der Kanal auf halber Höhe des Taihang-Gebirges erbaut wurde, gaben ihm die Einheimischen den Namen „künstlicher Himmelsfluss“. Heute ist die Gegend um den Kanal ein touristisches Landschaftsgebiet nationaler Ebene und zieht Jahr für Jahr zahlreiche Besucher an. Der Pioniergeist bei der Durchführung des Mammutprojekts hat Generationen von Chinesen inspiriert, auch über die Grenzen der Region hinaus.

 

Früheste Zeugnisse chinesischer Schrift: In den Yin-Ruinen wurden Orakelknochen mit frühesten Formen chinesischer Schriftzeichen gefunden.

 

Die Ruinen der Shang-Dynastie

In ihrer beinahe 500-jährigen Geschichte verlegten die Shang die Hauptstadt ihres Reiches insgesamt siebenmal. Schließlich ließ man sich in Yin (der heutigen Stadt Anyang) nieder. Es war der Beginn einer Blütezeit der Shang, in der die Menschen im Reich ein wohlhabendes und friedliches Leben führten. Ein Grund, weshalb die Shang-Dynastie von den Chinesen heute manchmal auch – nach einer wörtlichen Auslegung – als „Yin“ (zu Deutsch „Wohlstand“) oder „Yinshang“ („wohlhabende Shang“) und die Ruinen der Shang-Dynastie als „Yin-Ruinen“ bezeichnet werden.

Die Archäologen fanden heraus, dass die Yin-Ruinen einen klar strukturierten Grundriss aufweisen. Die in den Ruinen ausgegrabenen Relikte und Fundstätten - mehr als 150.000 Orakelknochen und über 10.000 Bronzewaren sowie 50 Paläste, zahlreiche Grabstätten, Opferplätze und Werkstätten - setzen sich wie Puzzleteile zu einem beeindruckenden Gesamtbild der großartigen Kultur der Zeit, insbesondere der ausgereiften Kunst der Bronzefertigung der späten Periode der Shang-Dynastie zusammen.

Im Jahr 1046 v. Chr. setzte König Zhou, der letzte König der Shang-Dynastie, seinen Palast in Brand und beging Selbstmord, nachdem er von König Wu, dem ersten König der Zhou-Dynastie (ca. 1100 – 221 v. Chr.), besiegt worden war. Dies läutete den Untergang der Shang ein und den Aufstieg der Zhou. Diese Geschichte wird unter anderem im klassischen Roman „Die Erschaffung der Götter“ („Fengshen Yanyi“), einem der wichtigsten epischen Werke der Ming-Dynastie (1368 – 1644), aufgegriffen. Das Meisterwerk verbindet reale historische Begebenheiten mit Elementen aus Volkskunst, Mythologie, Legenden und Fantasie und spiegelt die reiche Vorstellungskraft der alten Chinesen wider. Bis heute gilt es als einer der populärsten Romane über Götter und Dämonen der chinesischen Literaturgeschichte.

Sehenswürdigkeiten in Anyang:

Die Ruine von Youli

Im Kreis Tangyin, etwa 15 Kilometer südlich von Anyang, liegt ein auf einem drei Meter hohen Lehmfundament errichtetes Gefängnis, in dem einst König Wen, der erste König der Zhou-Dynastie, gefangen gehalten wurde. Der heutige Komplex umfasst das Eingangstor, das Gefängnis und eine Plattform, auf der König Wen einst Orakelschriften verewigte. Von Süd nach Ost misst die Anlage insgesamt 105 Meter, von Ost nach West 103 Meter. Es heißt, es handele sich um das erste archäologisch verifizierte Gefängnis der chinesischen Geschichte und zudem um den Geburtsort des berühmten „Buch der Wandlungen“ (I Ging).

Als König Wen der Zhou-Dynastie für sieben Jahre von König Zhou der Shang-Dynastie in dieses Gefängnis gesperrt wurde, soll er seine ganze Kraft auf das Verfassen des I Ging verwendet haben. Bis heute bildet das Werk eine der wichtigsten Grundlagen der chinesischen Kultur. Zum Gedenken an König Wen errichteten die Menschen später einen Tempel auf der Ruine von Youli. Die kulturellen Relikte, die auf dem Gelände entdeckt wurden, sind wertvolle antike Zeugnisse, die einen großen Beitrag zur Erforschung der chinesischen Geschichte, der chinesischen Kalligraphie sowie der Entstehung des „Buches der Wandlungen“ geleistet haben.

Anreise: Von der Innenstadt Anyangs aus gelangt man mit der Touristen-Buslinie 10 nach Youli.

 

Die Ruine von Youli: Hier soll einst das berühmte „Buch der Wandlungen“ (I Ging) entstanden sein.

 

Museum der Yin-Ruine

Das hier ausgegrabene Houmuwu Ding ist das weltweit größte noch erhaltene Bronzerelikt, das jemals gefunden wurde. Heute wird das Original im Beijinger Palastmuseum aufbewahrt. Bei dem Bronzegefäß, das in Anyang zu sehen ist, handelt es sich lediglich um ein Duplikat. Im örtlichen Museum erwarten die Besucher allerdings noch viele andere spannende Highlights. Die Einrichtung gibt zum Beispiel eine detaillierte Einführung zu den Orakelknocheninschriften der Shang-Dynastie. Besucher können hier nicht nur die ausgestellten exquisiten und wertvollen Kunstgegenstände bewundern, sondern auch reichlich spannendes Hintergrundwissen über die Geschichte der Shang-Dynastie erwerben.

Anreise: Von Anyang aus mit den Buslinien 1, 5, 18, 34 und 39. Von der Haltestelle Yinxu sind es dann nur noch rund fünf Minuten Fußmarsch bis zum Museumsgelände.

 

Das Museum der Yin-Ruine: Zu den bekanntesten Relikten, die in dieser Ruine ausgegraben wurden, gehört das Houmuwu Ding, das weltweit größte noch erhaltene Bronzegefäß, das jemals gefunden wurde.

 

Kulturelle Blüten der Jian’an-Periode

Jian’an bezieht sich auf die Periode von 195 bis 220 n. Chr. während der Herrschaft des Kaisers Xian der östlichen Han-Dynastie (25–220 n. Chr.). Zu dieser Zeit war Chinas Territorium in verschiedene Lehnsbereiche aufgeteilt und einzelne Fürsten herrschten über das Land, so dass die zentrale imperiale Herrschaft nur dem Namen nach existierte. Der Kaiser besaß damals keine wirkliche Macht und alles stand unter der Kontrolle von Cao Cao (155–220 n. Chr.), dem damaligen Premierminister der Östlichen Han-Dynastie. Die Jian’an-Periode war eine florierende historische Epoche und hat eine große Zahl von Gelehrten und Helden hervorgebracht. Der berühmte historische Roman „Die drei Reiche“ schildert die Geschichte der turbulenten Jahre dieser Epoche.

Yecheng, eine chinesische Stadt mit langer Tradition, befindet sich an der Grenze zwischen dem heutigen Kreis Linzhang, Provinz Hebei, und der Stadt Anyang. Hier befand sich einst der Lehnsbereich von Cao Cao. Unter seiner Herrschaft wurde hier ein stabiles politisches Umfeld geschaffen. Cao Cao hatte zudem großes Interesse an Literatur und rekrutierte zahlreiche Schriftsteller und Gelehrte. Sie bildeten eine großen Kreis von Literaten, die von Cao Cao und seinen Söhnen sowie den „Sieben Gelehrten von Jian’an“ repräsentiert wurden.

In Kriegszeiten leisteten die Schriftsteller den Truppen Beistand, und nach dem Krieg schufen sie auf Grundlage ihrer reichen Erlebnisse eine Vielzahl literarischer Werke. Vor allem verfassten sie viele Gedichte, um die Unruhen, die gegen Ende der Östlichen Han-Dynastie herrschten, und das Elend der Menschen in den Kriegsjahren widerzuspiegeln. Darüber hinaus brachten die Schriftsteller den Ehrgeiz der führenden Politiker für die große Zukunft Anyangs zum Ausdruck. Mit ihrer anschaulichen Darstellung der großen politischen Ambitionen der damaligen Zeit einerseits, und der Kriegsleiden der Bevölkerung andererseits sowie der scharf ausgeprägten Deutung dieser Tragödie schufen die Literaten den sogenannten Jian’an-Stil, der Schriftstellern vieler weiterer Generationen zum Vorbild werden sollte. Cao Cao, der eine führende Rolle auch in den literarischen Kreisen Anyangs spielte, gilt heute als Ideengeber der Gedichtform des Yuefu („Amtslied“). Diese poetische Gattung übte nicht nur großen Einfluss auf die Schriftsteller und Dichter der Jian’an-Periode aus, sondern hatte auch große Bedeutung für die Entwicklung der späteren chinesischen Dichtung.

Unter allen Literaten brachte es Cao Zhi (192–232), einer der Söhne Cao Caos, zu den größten dichterischen Ehren. Seine Werke sind bis heute berühmt für ihre aussagekräftige und prächtige Sprache. Insbesondere die „Ode an die Göttin des Flusses Luo“ gilt bis in die Moderne als Meisterwerk der chinesischen Dichtkunst. Ein berühmter chinesischer Poet lobte ihn einst mit der Metapher: „Weltweit gibt es zehn Dou von Talenten (Dou war ein altes chinesisches Volumenmaß), Cao Zhi vereint acht von ihnen in seiner Person.“

Sehenswürdigkeiten:

Nationales Museum für chinesische Schriften

Chinas Museum für chinesische Schriften liegt an der Westseite des Anyanger Ostbahnhofes für Fernbusse. Unter Vorlage eines gültigen Ausweises ist der Eintritt in das Museum frei. Die Einrichtung beherbergt insgesamt 4123 Kulturrelikte, darunter zahlreiche Orakelknochen- und Bronzeinschriften sowie Schriften auf Bambustäfelchen und alter Seide. Die Fundstücke zeichnen eindrucksvoll die Entwicklungsgeschichte der chinesischen Schriftzeichen und der chinesischen Kalligraphie sowie der Schriften der ethnischen Minderheiten Chinas nach. Mit detaillierten geschichtlichen Hintergründen und moderner multimedialer Technik entführt das Museum seine Besucher in die Welt der chinesischen Schriftzeichen, und ermöglicht es ihnen, sich mit der Weisheit der chinesischen Kultur und der chinesischen Zivilisation eingehend vertraut zu machen.

Anreise: Die Buslinien 3, 21 und 24 fahren direkt zum Museumsgelände. Bitte an der Bushaltestelle Ost-Fernbusbahnhof aussteigen.

Die Grabstätte von Cao Cao

Nach eingehenden Untersuchungen der Ausgrabungsstätten sind einige Experten des Chinesischen Instituts für kulturelle Relikte und Archäologie der Ansicht, dass das im Dorf Gaoxue der Gemeinde Anfeng entdeckte Grab, das etwa 25 Kilometer von der Innenstadt Anyangs entfernt liegt, die Grabstätte Cao Caos bildet.

Die dort befindliche letzte Ruhestätte ist ein großes Ziegelgrab mit vielen Kammern, das gen Osten ausgerichtet ist. Das Mausoleum ist trapezförmig, mit einer breiten Front von 22 Metern und einem schmalen Rücken, der 19,5 Meter misst. Die Grabanlage hat eine Gesamtfläche von 740 Quadratmetern. Das Grab selbst nimmt dabei eine Fläche von beinahe 400 Quadratmetern ein.

Es besteht aus einem Durchgang, Grabtüren, zwei großen Hauptkammern sowie vier Seitenkammern. Die Grabanlage hat einen relativ großen Umfang und weist eine komplizierte Konstruktion auf. Im Unterschied zu anderen chinesischen Kaisern sprach sich Cao Cao zu Lebzeiten für eine einfache Beerdigung und ein schlichtes Mausoleum aus. Als er begraben wurde, soll er gewöhnliche Kleidung getragen haben. Auch gab es der Überlieferung nach keine Grabbeilagen wie wertvolle Perlen oder Juwelen. Cao Cao ließ kein großes Mausoleum für seinen Leichnam bauen und auch keine Bäume anpflanzen. Ob das Grab, das hier vor den Toren Anyangs gefunden wurde, tatsächlich Cao Caos letzte Ruhestätte ist, bleibt allerdings ein ungelüftetes Geheimnis.

 

Die Grabstätte von Cao Cao

 

Hongqiqu - der „Kanal der roten Fahne“

In der Stadt Linzhou, rund 70 Kilometer von Anyang entfernt, gibt es einen Kanal, der in den 1970er Jahren allen Chinesen ein Begriff war. Dieser Wasserweg wurde einst entlang der steilen Felsen des Tanghang-Gebirges errichtet. Nach offiziellen Angaben misst das Kanalnetz mit all seinen Nebenkanälen über 1500 Kilometer.

Dieses architektonische Meisterwerk hat dafür gesorgt, dass der Wassermangel, unter dem die Bewohner Linzhous (damals Kreis Linxian) lange Jahre litten, ein für alle Mal beseitigt werden konnte. Der Hongqiqu beweist damit eindrucksvoll, wie sich die Chinesen - damals wie heute - darauf verstehen, auch unter widrigen natürlichen Bedingungen die Ressourcen der Natur gut zu nutzten.

Im Mai 1974 nahm Deng Xiaoping, damals Chinas Vize-Ministerpräsident, an der sechsten Sondersitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York teil. Im Gepäck hatte er zehn Dokumentarfilme, die Chinas große Errungenschaften beim Aufbau des Landes und auch die Verbesserungen im Leben der Menschen zeigten. Einer der Filme trug den Titel „Kanal der roten Fahne“. Die Zuschauer zeigten sich tief beeindruckt vom Einsatz der chinesischen Arbeiter bei der Durchführung dieses Jahrhundertprojekts. Die Fertigstellung des künstlichen Wasserweges wurde von den Chinesen nicht nur als Triumph über die Natur gefeiert, sondern galt auch als Beleg für die Richtigkeit der Ideen des Parteivorsitzenden Mao Zedong.

Linzhou gehört heute zum Verwaltungsgebiet der Stadt Anyang. Seine geographische Lage sorgte lange dafür, dass der Ort in der Vergangenheit immer wieder entweder von Dürrekatastrophen oder Überschwemmungen heimgesucht wurde. Vor allem der Wassermangel machte den Einheimischen zu schaffen. Im Jahr 1959 beschloss die Lokalregierung deshalb, eine Wasserquelle zu erschließen, um so in Zukunft die dauerhafte Wasserversorgung des Ortes zu garantieren. Eingehende Untersuchungen zeigten, dass der nahegelegene Zhuozhang-Fluss selbst während der Trockenzeit über eine stabile Wassermenge verfügte. Doch die einzige Möglichkeit, das Flusswasser in den Kreis Linxian zu leiten, bestand darin, einen langen Kanal entlang der Rückseite des Taihang-Gebirges der Provinz Shanxi zu bauen, ein Mammutprojekt, dessen Verwirklichung anfangs kaum vorstellbar schien.

Der Bau des so genannten „Jugendtunnels“ (Qingniandong) sollte die erste große Herausforderung für die Ingenieure werden. Anfangs war eigentlich geplant, einen Kanal entlang der steilen Felswand des Gebirges zu errichten. Aber wegen des hohen Schwierigkeitsgrades wurde dieser Plan schon bald verworfen. Nach weiteren gründlichen Untersuchungen beschlossen die verantwortlichen Ingenieure, stattdessen einen Tunnel aus dem Bergmassiv zu schlagen, um so das Wasser direkt durch den Berg zu leiten. Doch die Felswand bestand aus hartem Quarzit, so dass es letztlich mehr als ein Jahr dauern sollte, bis die mehr als 300 jungen Arbeiter den heute über 600 Meter langen Tunnel gebohrt hatten. Dem Einsatz dieser zahlreichen jungen Helfer hat der Tunnel seinen heutigen Namen zu verdanken.

Der Bau des Jugendtunnels war nur ein Teil des großartigen Projektes. Bei der Verwirklichung des Bauvorhabens durchschnitten die Bauarbeiter über 1200 Gebirgshügel. Es wurden mehr als 200 Tunnel ausgebohrt sowie 150 Kanäle und Gräben ausgehoben. Die Bauarbeiten dauerten alles in allem zehn Jahre und wurden in der historisch schwierigen Zeit zwischen 1959 und 1961 gestemmt, als China von einer schweren Naturkatastrophe heimgesucht wurde. Mit begrenzten Geldmitteln und ohne die Hilfe moderner Maschinen arbeiteten 37.000 Bauarbeiter mit bloßen Händen und einfachen Werkzeugen wie Hacken, Schaufeln und Körben, um das Wasserbauprojekt zu vollenden. Auf dem Speiseplan der Arbeiter standen lediglich 300 Gramm Getreide pro Tag. Vor diesem Hintergrund scheint die Fertigstellung ein echtes Wunder!

Durch den fertigen Kanal konnte das Wasser schließlich erfolgreich aus dem Zhuozhang in die Gemeinden und Dörfer am Fuße des Taihang-Gebirges umgeleitet werden, um dort rund 670.000 Einwohner und ihre Nutztiere mit Wasser zu versorgen und über 500.000 Mu (15 Mu = 1 Hektar) Ackerland zu bewässern. In den vergangenen 40 Jahren haben der Grundwasserspiegel und die Bodentextur Linzhous auf diese Weise große Veränderungen erfahren. Dank der ausreichenden Wasserversorgung konnten in Linzhou zahlreiche Forstfarmen gegründet und viele Fischteiche und Obstplantagen angelegt werden. Wer von den Hügeln am Stadtrand Linzhous heute über die Ebene blickt, vor dessen Auge breiten sich grüne Berge und Felder aus. Wer die Geschichte des „Kanals der roten Fahne“ nicht kennt, dürfte glauben, dies alles sei ein Geschenk der Natur.

Bei schönem Wetter machen heute viele Menschen gerne einen Ausflug zum Kanal, um dort spazieren zu gehen. Für Besucher ist dies wohl der beste und direkteste Weg, um mehr über das großartige Projekt und die Anstrengungen seiner Bauarbeiter zu erfahren. Jede Felswand und jeder Tunnel am Ufer des 70 Kilometer langen Hauptkanals erzählen von der großen Hingabe seiner Erbauer, ein tief beeindruckendes Erlebnis für jeden Besucher.

 

Hongqiqu - der „Kanal der roten Fahne“

 

Sehenswürdigkeiten:

Das Landschaftsgebiet des „Kanals der roten Fahne“ zählt zu den schwerpunktmäßigen Landschaftsgebieten staatlichen Ranges der Kategorie 5A und wurde zudem in Chinas Liste der wichtigsten kulturellen Sehenswürdigkeiten nationaler Ebene aufgenommen. Der Hauptkanal erstreckt sich über eine Länge von 70,6 Kilometern und die Kanalwand ist 4,3 Meter hoch. Das gesamte Landschaftsgebiet teilt sich in drei Bereiche: Der erste Bereich ist der Ort, wo sich der Hauptkanal in drei Nebenkanäle teilt. Im zweiten Bereich findet sich der Jugendtunnel, wo das Wasser durch das steile Bergmassiv geleitet wird. Und im dritten Bereich, etwa einen Kilometer westlich des Jugendtunnels gelegen, stürzt ein Wasserfall eindrucksvoll in die Tiefe. Über ihm wurde außerdem eine Hängebrücke angebracht, die die Provinzen Henan und Hebei miteinander verbindet. Im Winter erstarrt der Wasserfall zu riesigen Eissäulen, die eine Höhe von über zehn Metern erreichen können.

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